Die Entwicklung in den Bäckereien und die Nachhaltigkeit standen an der traditionellen Frühlingstagung der Vereinigung der Backbranche in Horgen (ZH) vergangene Woche im Fokus. Einen überzeugenden Auftritt hatte Martin Mayer, Inhaber der Bäckerei Vuaillat in Uster, die 2022 zu Zürichs beliebtester Bäckerei gewählt worden war. Sein Rezept für den Weg zum Erfolg sind u.a. neben der Qualität und Regionalität die Kommunikation, starke Partnerschaften und die Leidenschaft.

In seiner Begrüssungsrede an der Tagung der Vereinigung der Backbranche (vdb) in Horgen (ZH) unter dem Titel «Erfolg mit Backwaren – wie viel Nachhaltigkeit wollen oder müssen wir uns leisten?» stellte Präsident Michael Kleinert die Frage, welche Werte bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen würden und zeigte die Schlagzeile «Auf den Bio-Trend folgt der Billig-Boom». Diese Headline wurde von diversen Referenten widerlegt. Im Gegensatz zum Ausland hätten Covid und die Inflation das Konsumverhalten bei Brot- und Backwaren in der Schweiz nicht absolut verändert, bestätigte beispielsweise Markus Brand von NielsenIQ, einem auf Datenanalyse spezialisierten Unternehmen. Die Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz würden sich aufgrund der aktuellen Situation nicht auf Promotionen stürzen und auch ein Wechsel von teureren auf billige Eigenmarken habe nicht stattgefunden, ebenso habe sich das Essverhalten nicht massgebend verändert. Die Warenumsatzkörbe seien recht stabil geblieben.

Martin Meyer (Bäckerei Vuaillat, Uster) und Michael Kleinert (Präsident vdb)

Auszeichnen über Individualität

Ein düsteres Bild zeichnete der Referent hingegen für die artisanale Bäckereien-Confiserien. Der Kuchen bei den Bäckereiprodukten werde nicht grösser, er verteile sich eben anders. Die Anzahl Haushalte, die in Bäckereien-Confiserien einkaufen würden, werde zurückgehen. Seine Begründung: Die Konsument*innen hätten ihre Einkaufsfrequenz beim Detailhändler erhöht. Praktisch bei jedem Einkauf gelange ein Brot in den Einkaufskorb, der Besuch in der Bäckerei-Confiserie erübrige sich für viele aus diesem Grund. Die artisanalen Bäckereien-Confiserien brauchten gute Abgrenzungsmerkmale. Diese sieht Brand beispielsweise in der Patisserie oder in einem ausgezeichneten Zopf oder einem Tessiner Brot, erklärte er im Gespräch mit «Panissimo». «Sie müssen sich über Individualität auszeichnen!» Dabei müssten die Kommunikation und Qualität übereinstimmen.

Im Detailhandel sind die Wachstumstreiber gemäss Brand der Preis und die Bevölkerungsentwicklung. «Es wird kaum möglich sein, dass es dem Detailhandel gelingen wird, mehr Lebensmittel zu verkaufen, es geht nur über den Preis.» Vergleiche man 2019 und 2022 so hätten die Discounter überdurchschnittlich zugelegt. Eine Zunahme sei allerdings seit Aldi und Lidl in den Schweizer Markt eingetreten sind zu beobachten.

Kein absolutes Reizthema ist aus Sicht des Referenten der Einkaufstourismus im Ausland. Denn die Preiserhöhungen wirkten sich da viel stärker aus. Die Auslobung der Schweizer Herkunft bezeichnete Markus Brand «einen Papiertiger». Als Beispiel nannte er das Fleisch, wo man trotz Kennzeichnung keine Trendumkehr feststellen könne.

Weg von grossen Verkaufsflächen

Die Schweiz habe trotz Covid ihr Einkaufsverhalten nicht absolut verändert, erklärte Brand. Die Trends kämen schleichend: Grosse Verkaufsflächen seien nicht mehr attraktiv, die Tendenz gehe hin zu kleineren. Von einer revolutionären Entwicklung könne allerdings nicht die Rede sein.

Auch die Inflation thematisierte Markus Brand. Es gebe gewisse Warengruppen, wie beispielsweise die Fleischwaren, welche preissensibel seien. Die Backwaren seien 2022 davon nicht allerdings betroffen gewesen. 

Die Entwicklung der Bio-Produkte werde in den Medien stark «popularisiert. Wir sehen allerdings keine Veränderungen. Es wird nur überall darüber gesprochen».

Interessant ist, dass bei den Broten rund zwanzig Sorten fast 50 % des Umsatzes generierten, als 15 % der Produkte. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Kleinbroten. Nielsen analysiert allerdings nur das Kaufverhalten der Konsumentinnen und Konsumenten im Detailhandel, nicht aber in den artisanalen Bäckereien-Confiserien.

Zürichs beliebteste Bäckerei

Die Bäckerei & Konditorei Vuaillat in Uster (ZH) ist von der Zeitschrift Falstaff zur beliebtesten Bäckerei Zürichs gewählt worden. Geschäftsführer, Inhaber und neu auch «Hotelbesitzer» Martin Mayer schilderte seinen ungewöhnlichen Berufsweg und seine grosse Leidenschaft zum Sauerteig, den er, während seinem Aufenthalt in Neuseeland entdeckt hatte. Im September 2016 hat Martin Mayer den Familienbetrieb Vuaillat mit 20 Mitarbeitenden übernommen. Heute erzielt das Unternehmen einen Umsatz von 4,5 Mio. CHF, zählt 52 Mitarbeitenden, betreibt vier Filialen (Uster, Illnau, Zürich) und verzeichnet täglich eine Frequenz von rund 1000 Kund*innen. Neben den Verkaufsstandorten und dem Liefergeschäft führt Martin Mayer ein «Bachatelier» mit verschiedenen Kursen und betreibt seit der Pandemie ein Hotel für Sauerteige, was ihm eine hohe Medienpräsenz über die Region hinaus beschert hatte.

Die Visionen

Der Sauerteig sei ganz klar sein USP: Er habe mit seinen 15 Sauerteigbroten wahrscheinlich das grösste Sauerteigsortiment in der Schweiz, erklärte er an der vdb-Tagung. Martin Mayer schilderte den Anwesenden seine Vision, so soll das Handwerk im Zentrum stehen. Es sollen hochqualitative, regionale und nachhaltige Produkte mit einem gesunden und unverfälschten Geschmackserlebnis angeboten werden. Zudem will er dem Brot und dem Handwerk die nötige Anerkennung zurückgeben, «das Image des Bäckers aufpolieren». Die grössten Herausforderungen für ihn als gewerblichen Branchenmann sieht er im Personalmangel, in der Inflation, der Energiekrise, den Lieferengpässen und der Tatsache, dass sich die artisanalen Bäckereien in einem kompetitiven Markt befinden. «Wir haben immer kleinere Margen.» Damit ein Bäcker in diesem harten Markt bestehen kann, müsse mit regionalen Lieferanten zusammengearbeitet und eine faire Preispolitik betrieben werden. Es brauche starke Partnerschaften mit z.B. Treuhändern, Produzenten, Lieferanten und es müssten hochwertige, nachhaltige Produkte angeboten sowie die Mitarbeitenden angemessen entlöhnt werden. Ein wichtiges Thema für Mayer ist auch eine konsequente Zero-Waste-Politik. Eines ist für ihn klar: «Heute reicht es nicht mehr, einfach nur ein guter Bäcker zu sein.»

Flexible Lohnmodelle, Tagesschichten …

Ein wichtiger Punkt für seinen Erfolg seien die Mitarbeitenden. «Unsere Erfahrungen haben uns gezeigt, dass eine gute Personalpolitik entscheidend ist.» So bietet Vuaillat neben einer angemessenen Entlöhnung flexible Gehaltsmodelle, Tagesschichten (fast 24-Stunden-Betrieb), Mitarbeiterevents sowie verschiedene Spezialangebote für die Mitarbeitenden wie beispielsweise ein vergünstigtes Fitness-Abo an. Die Kommunikation mit den Mitarbeitenden sei von grösster Wichtigkeit.

Nacht der offenen Backstube

«Das Handwerk leben und zeigen», lautet Mayers Motto: «Tue Gutes und sprich darüber.» So organisiert Vuaillat jährlich eine Nacht der offenen Backstube. «Wir bringen die Kunden zu uns an den Arbeitsplatz.» Dies sei beste Werbung für sein Geschäft aber auch optimales Mitarbeitermarketing. Er habe in den letzten sechs Jahren immer jede Lehrstelle besetzen können. Es habe sogar Zeiten gegeben, wo er Schnupperlehranfragen habe absagen müssen. Martin Mayer empfahl, mit den Medien zu kommunizieren, diese zu involvieren. Denn: «Wir haben das schönste Handwerk, wenn wir dieses pflegen und mit Leidenschaft vorantreiben. Die Leidenschaft ist unabdingbar. Gute Produkte kriegt man überall. Das ist nicht unsere Daseinsberechtigung. Wir müssen zu unserer Zukunft Sorge tragen!»

«Panissimo»-Artikel Bäckerei Vuillat

Die Referent*innen

Professor Urs Niggli vom Institut für Agrarökologie beschäftigte sich mit der Frage «Welche Innovationen führen zu nachhaltigen Ernährungssystemen?», Joseph von Rotz, operativer Leiter Geschäftseinheit Getreide, Ölsaaten, Futtermittel bei fenaco, referierte über «Suisse Garantie» – Vertrauen in die Schweizer Urproduktion, Christoph Eggenschwiler, Geschäftsführer IP Suisse über «IP-Suisse Bauern denken an morgen» und Urs Brändli, Präsident Bio Suisse über «Was verspricht die Bio-Knospe und welche Entwicklungen sind zu erwarten?». Einen spannenden Einblick verlieh der Deutsche Nicht-Bäcker Florian Domberger (domberger-brot-werk.com) über sein Projekt mit dem Brotwüstenexpeditionsfahrzeug und «was man von der Schweizer Armee lernen kann». Die Podiumsdiskussion wurde erfrischend und souverän von Cloé Maria Salzgeber moderiert.

Claudia Vernocchi

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