Der Traum der Selbstständigkeit schwebt manchem Bäcker-Confiseur, mancher Bäcker-Confiseurin vor. Doch es gilt Fallstricke zu vermeiden. «Ein kritischer Blick auf die Räumlichkeiten und die Infrastruktur ist unabdingbar», unterstreicht unser erfahrener Branchenberater Daniel Jakob in diesem Beitrag.

Zweitmeinung zum Standort, zu den Räumlichkeiten, der Mietsache, den Kosten und der Infrastruktur einholen – Sorgenfalten und finanziellen Gewitterwolken vermeiden.

Das Bäcker-Confiseur-Gewerbe spielt in der Versorgungskette eine bedeutende Rolle und ist mehr oder weniger mit einem blauen Auge aus der Covid-19-Krise davongekommen. Diese Erkenntnisse dürften für viele Personen eine treibende Motivation sein, den Traum der Selbstständigkeit zu verwirklichen, denn essen müssen wir immer! Wenn zufällig noch ein erfahrener Unternehmer, im Idealfall Bäcker-Confiseur, mit Rat und Tat zur Seite stehen kann, kann dies oft schon die halbe Miete und ein möglicher Garant dafür sein, dass das Unterfangen nicht zum Alptraum wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Ausgangslage als Neuunternehmer nicht dieselbe ist wie bei einem etablierten Unternehmer, der auf finanzielle Reserven und ein entsprechendes Netzwerk und Erfahrung zurückgreifen kann. Fakt ist: Die ersten fünf Jahre sind hart und die Qualität der Produkte ist entscheidend, ob das Unternehmen erfolgreich Wurzeln schlagen kann.

Visionär denken und die eigene Zukunft lenken, dies ist die Würze der Selbstständigkeit.

Keine kostspieligen Experimente

Aus Erfahrungen wird man klug! Dieses Sprichwort mag für vieles zutreffen, nicht aber, wenn es um die Frage der Selbstständigkeit geht, denn die finanzielle Decke eines Jungunternehmers lässt oft keinen grossen Spielraum für kostspielige Experimente sowie das Sammeln von Erfahrungen zu.

Der Schritt in die Selbstständigkeit wird oft getrieben von gewisser Naivität, Leichtsinn mit einer Prise Blindheit und der Hauptzutat «Hoffnung», die Hoffnung, «es chunnt scho guet!». Geht es beispielsweise um die Beurteilung des Standortes, der Räumlichkeiten sowie der vorhandenen Infrastruktur, ist der Beizug eines professionellen Beraters gut investiertes Geld und dringend zu empfehlen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass der Vermieter oder Verkäufer einer Liegenschaft / Infrastruktur möglichst viel Geld daraus lösen, der Mieter /Käufer dagegen einen möglichst tiefen Preis bezahlen möchte. Eine seriöse Standortbeurteilung mit Einblick in die Buchhaltung der vergangenen Jahre beinhaltet auch einen kritischen Blick auf mögliche Bauvorhaben, die Ortsplanung und Raumentwicklung einer Gemeinde /eines Quartiers sowie auf Parkmöglichkeiten vor dem Geschäft.

Guter Rat ist teuer, aber gut investiert in die Zukunft.

Wie der Traum zum Alptraum werden kann

Ein Beispiel aus meiner langjäh­rigen Tätigkeit als Berater beim Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verband: Ohne eine Zweitmeinung zum Standort, zu den Räumlichkeiten, der Mietsache, den Kosten und der Infrastruktur einzuholen, traf ein Jungunternehmerpaar in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Entscheid zur Selbstständigkeit. Begleitet von vielen Glückshormonen wurden die vertraglichen Regelwerke unterschrieben und darauf gehofft, dass die versprochenen Instandstellungsarbeiten vor der vereinbarten Neueröffnung erfolgen.

Sorgenfalten und finanzielle Gewitterwolken

Eine sanfte Renovation der Backstuben-Räumlichkeiten, u. a. Behebung von Schimmel an Wänden, streichen der Türen sowie der Einbau von Insektenschutzgittern bei den Fenstern, wurde nicht wie versprochen realisiert. Hinzu gesellte sich zwei Monate nach der Eröffnung eine störungsanfällige Abwasserpumpe in der Backstube, welche erneuert werden musste. Fazit: Ärger mit dem Vermieter der Liegenschaft sowie der Lebensmittelkon­trolle. Anstatt sich auf das wirkliche Geschäft konzentrieren zu können, folgten Frustmonate mit einem ewigen Hin und Her, was bei den Jungunternehmern schon früh nach der Eröffnung zu Sorgenfalten und finanziellen Gewitterwolken führte.

Genau hinschauen

Bevor ein bindender Vertrag unterschrieben wird, müssen u. a. folgende Fragen geklärt werden: Auf
welchem Stand sind die elektrotechnischen Einrichtungen des Gebäudes? Wann erfolgte die letzte Prüfung durch das Starkstrominspektorat? Genereller Zustand der Bausubstanz Decken, Wände, Böden? Wann erfolgten die letzten Wartungen und Instandhaltungen der Maschinen bzw. Anlagen? Wie steht es um deren Sicherheit ? Welche Risiken und Gefahren gehen von der Umwelt aus (Überschwemmung, Schädlingsdruck usw.)? Denn: Die Räumlichkeiten müssen in einem Zustand sein, der eine sichere Lebensmittelproduktion gewährleistet. Ist dies nicht der Fall, sind die Jungunternehmer gut beraten, die Verwirklichung des Traumes etwas zu verschieben.

Keine zu grossen Schuhe

Wähle den «Schuh» so gross, dass du darin noch wachsen kannst: Das Sortiment und die geschäftliche Ausrichtung sind bestimmend, wenn es um die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten geht, dies ist nicht immer einfach. Oft sind Räumlichkeiten auf dem Markt, welche auf den ersten Blick verführerisch sind, beim genauen Hinsehen und Überlegungen zu den Prozessabläufe (z. B. Produktion auf verschiedenen Etagen) sowie der vorhandenen Infrastruktur jedoch problematisch.
Idealerweise sollten die Räumlichkeiten von der Grösse her so bemessen sein, dass eine Zunahme der Produktionsmengen gut verkraftet werden kann. Nicht selten trifft der Fall ein, dass ein wachsender Erfolg räumliche Herausforderungen verursacht. Die Produktionsabläufe können oftmals nicht mehr optimal aufeinander abgestimmt und wirtschaftlich geführt werden. Anstatt Geld zu verdienen, verliert der Jung­unternehmer Geld. Dasselbe ist auch bei überdimensionierten Produktionshallen der Fall. Hier besteht die grosse Gefahr, dass durch lange Wegstrecken die Abläufe nicht mehr überschaubar sind und die Wartungs- und Unterhaltsarbeiten an Maschinen und Anlagen zu einem erdrückenden Kostenblock werden.

Wer bei gleichbleibenden Fixkosten (Lohnkosten) die Wertschöpfung nicht in den eigen vier Wänden behält, kommt früher oder später in Teufels Backstube.

Wachstum mit Verstand

Handwerkliche Betriebe sind bei den Retailern beliebt. Denn sie stellen interessante Nischen- und Regionalprodukte her, womit man bei den Kundinnen und Kunden positiv punkten kann. Können Produkte bei einem Retailer gelistet werden, sind damit nicht selten auch weitergehende Forderungen, wie das Führen einer schriftlichen Dokumentation der Rückverfolgbarkeit sowie Angaben zu den Nährwerten, Acrylamid-Monitoring usw. verbunden. Forderungen, welche in finanzieller Hinsicht ins Gewicht fallen können und welche nur bei entsprechendem Auftragsvolumen einen Cashback bringt. Ein qualitatives Wachstum muss einem quantitativen vorgezogen werden: Die Produkte müssen hervorragend und sehr gut sein, denn: Wenn ein Produkt den Konsumenten enttäuscht, ist der Kunde verloren.

Kein «Aufbäcker»

Sei kein «Aufbäcker», der Backwaren zukauft, sondern bleibe authentisch und mit Leib und Seele Bäcker-Confiseur! Wer bei gleichbleibenden Fixkosten (Lohnkosten) die Wertschöpfung nicht in den eigen vier Wänden behält, kommt früher oder später in Teufels Backstube. Das Image geht verloren, die Produkte werden austauschbar und notwendige Einnahmen brechen weg. Das Geld ist und bleibt ein unausweichlicher Schmierstoff, um ein Geschäft betreiben zu können.

Das Bäcker-Confiseur-Gewerbe ist für seine kostenintensive Infrastruktur bekannt. Oft reicht das in den vergangenen Jahren generierte Einkommen nicht aus, um das notwendige Kleingeld auf die hohe Kante zu legen. Um den Traum in die Selbstständigkeit verwirklichen zu können, braucht es Geld, viel Geld, welches vorsichtig eingesetzt und verwaltet werden muss. Im Gegensatz zu anderen Berufsfeldern haben die Bäckerei-Confiserie-Betriebe jedoch den Vorteil, dass sie am Abend über flüssige Mittel in der Kasse verfügen. Dies macht den Erfolg oder Misserfolg einer Aktion somit unmittelbar messbar.

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