Wie sieht es in unserer Branche ein halbes Jahr nach dem Lockdown aus, wie die Zukunft? Wie steht es um die Jungunternehmer? «panissimo» wandte sich an den Kenner unserer Branche, Bernhard Zihlmann, Direktor der SBC Treuhand AG.

Sie sind am Puls unserer Branche und erleben die Coronakrise hautnah mit. Welche positiven Auswirkungen hat Covid-19 für unsere gewerblichen Bäcker-Confiseure?
Bernhard Zihlmann: Als positiv kann man ansehen, dass die Bäcker-Confiseure vermehrt den Mut aufbringen, Preise anzupassen. Das heisst, die Preise werden nach oben korrigiert, um die Mehrkosten, unter anderem wegen der Schutz- und Hygienemassnahmen, zu decken. Ganz allgemein werden diese Preis­anpassungen von den Kunden gut akzeptiert, da sie einfach nachvollziehbar sind.

Weiter ist auch positiv aufgefallen, dass sich der Zeitpunkt sehr anbietet, um alte Zöpfe abzuschneiden und sich zu überlegen, was man anbieten will. Grundsätzlich haben die Umsätze in traditionellen Bäckereien zugenommen: Die Menschen schätzen es, in einem kleinen Laden einkaufen zu gehen, und setzen auf Qualität, die dann auch mehr kosten darf als beim Grossverteiler.

«Der Zeitpunkt bietet sich an, um alte Zöpfe abzuschneiden und sich zu überlegen, was man anbieten will.»

Ebenfalls als positiv möchte ich hier die unkomplizierte Unterstützung des Bundes mittels Bürgschaftskredit erwähnen. Dank diesem konnten sich die Betriebe kurz- und mittelfristig über Wasser halten.

Welches sind die negativen Folgen?
Bäckereien-Confiserien, die ein Café bedienen, hatten und haben es während der Corona-Situation weitaus schwieriger. Die Konsumentinnen und Konsumenten halten sich nach wie vor zurück und fühlen sich in geschlossenen Räumen weniger wohl. Ebenfalls negativ ist auch der Ausfall von zum Teil grossen Lieferaufträgen. Nimmt man zum Beispiel die Bäckereien-Confiserien, welche die Festivals belieferten, sieht man sofort, dass es in diesem Bereich sehr grosse Einbussen geben wird. Und ein weiterer wichtiger Punkt ist der Standort eines Betriebs. Während des Lockdowns arbeiteten viele Angestellte im Homeoffice, Tagestouristen blieben weg und so hatten Geschäfte in Stadtgebieten eher Mühe, da weniger konsumiert wurde.

Was gilt es im Moment besonders zu beachten?
Jeder Betrieb muss sich der neuen Situation anpassen. Covid-19 ist noch nicht vorbei, und wer weiss, ob zum Beispiel in diesem Herbst die Fallzahlen noch mehr steigen werden. Die Bäckereien-Confiserien müssen hier unbedingt antizipieren und die richtige Strategie wählen. Sie müssen entsprechende Massnahmen ergreifen, um Kostenblöcke langfristig zu reduzieren.

Die SBC Treuhand arbeitet eng mit Gastroconsult und der Käser-Treuhand zusammen und hat damit Einblick in die Lebensmittelbranche. Wie beurteilen Sie hier die aktuelle Situation?
In der Gastronomie müssen Betriebe zum Teil mit drastischen Einbussen rechnen. Man muss leider davon ausgehen, dass rund 15 % der Gastronomiebetriebe in der Schweiz schliessen müssen. Auch hier kommt es in erster Linie auf die Strategie und die Lage des Unternehmens an. Firmen in Stadtgebieten hatten es schwieriger als Betriebe auf dem Land. Viele konnten diesen Sommer wider Erwarten vom Schweizer Tourismus profitieren – mit teilweise hervor­ragenden Zahlen. Allerdings läuft es in Stadtgebieten und beispielsweise in Genfer Hotels schlecht, da kaum Kongresse und Seminare durchgeführt werden. Die Lebensmittelbranche hingegen hatte weniger Einbussen zu melden. Lebensmittel, wie zum Beispiel Käse, werden eher mehr konsumiert. Die Leute gönnen sich etwas. Allerdings ist gerade beim Käse während des Lockdowns bei einzelnen Sorten der Export völlig eingebrochen.

Wo liegen die Unterschiede zu den gewerblichen Bäcker-Confiseuren?
Die Bäcker-Confiseure konnten ihren Grundumsatz grösstenteils halten. Brot ist und bleibt eben ein Grundnahrungsmittel. Covid-19 hat auch dazu beigetragen, dass das Bedürfnis nach regionalen Produkten und deren Nachhaltigkeit gesteigert wurde. Tendenziell kann man sagen, dass die Menschen sich wieder mehr Zeit nehmen und auf Qualität setzen.

In der «Allgemeinen BäckerZeitung» wird den Bäckern Deutschlands empfohlen, zum jetzigen Zeitpunkt die Preise zu erhöhen. Was raten Sie unseren Mitgliedern?
Ich bin klar der Meinung, dass die Bäcker-Confiseure unbedingt ihre Mehrkosten decken können müssen, also ja, unbedingt die Preise erhöhen. Und die, welche ihre Preise noch nicht angepasst haben, sollten dies tun, denn es ist sicher nicht zu spät.

«Eigentlich würde ich fast sagen, dass der Zeitpunkt für eine Übernahme oder eine Gründung ein guter ist, wenn man sich der Situation bewusst ist.»

Rund 40 Jungunternehmerinnen und -unternehmer steigen jährlich in die Bäcker-Confiseurbranche ein. Es gibt Personen, die davor warnen, zum jetzigen Zeitpunkt einen Betrieb zu übernehmen oder eine neue Firma zu gründen. Stimmen Sie diesen Warnern zu?
Nein, dem stimme ich überhaupt nicht zu. Der Branche geht es nicht so schlecht. Man muss einfach einige Punkte beachten: Ein Jungunternehmer braucht zwingend eine klare Strategie, wie er mit Corona umgehen will. Eigentlich würde ich fast sagen, dass der Zeitpunkt für eine Übernahme oder eine Gründung ein guter ist, wenn man sich der Situation bewusst ist. Und was auch ausserhalb von Corona-Zeiten gilt: Man muss wissen, was man für einen Betrieb übernimmt und im Vorfeld eine seriöse Standortanalyse durchführen.

Sie begleiten seit Jahren Start-ups. Welches sind die häufigsten Fehler, die begangen werden?
Die meisten sind sich der Personalfluktuation zu wenig bewusst. Der eine oder andere Angestellte wird unweigerlich gehen. Weiter wird der Miet- oder Pachtzins zu wenig beachtet. Dann sind sich die wenigsten der vielen Arbeitsstunden bewusst. Auch bei der Budgetierung und der Standortbeurteilung werden zu Beginn oft Fehler gemacht.

Wie lauten Ihre Zukunftsprognosen?
Das ist schwierig zu sagen, doch ich denke, dass uns Corona noch lange beschäftigen und sich die Situation nicht von heute auf morgen ändern wird. Das kann für viele langfristig durchaus ein Vorteil sein, wenn man sich strategisch darauf einstellt.
Die wirtschaftlichen Folgen, auch international, wegen Covid-19 wird man jedoch vermehrt zu spüren bekommen. Das Wirtschaftswachstum wird zurückgehen und man muss mit Einbussen rechnen. Wohl schwächer betroffen wird die Nahrungsmittelbranche sein, da gerade Brot ein Grundnahrungsmittel ist.

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