In Südafrika geboren, in der Schweiz aufgewachsen, packte den gelernten Bäcker-Konditor schon früh das Fernweh. Sergio Minder reiste kurzerhand nach Indien, um Einheimische beim Erfüllen ihres Traums einer Schweizer Bäckerei vor Ort zu unterstützen. In einer mehrteiligen Serie berichtet er über sein Abenteuer.

Ich verliess die Heimat als 21-jähriger und freute mich sehr auf meine erste Berufserfahrung und dieses Abenteuer. Meine Aufgabenbereiche umfassten das Schulen der Mitarbeitenden in jeglicher Sicht: Hygiene, die Benutzung und Wartung der Maschinen und Einrichtungen sowie die Aneignung von speditiven Arbeitsweisen. Daneben führte ich neue Produkte ein, verbesserte das bestehende Sortiment und optimierte die Arbeitsabläufe … Ganz schön herausfordernd für einen 21-Jährigen!

SCHWEIZER KNOW-HOW

Viele im Team waren älter als ich – dennoch imponierte ich den Mitarbeitenden. Sie hatten Respekt vor mir und waren beeindruckt, wieviel (Fach-)Wissen ein solch junger Bursche schon hatte. Zu meiner grossen Freude konnten wir trotz-dem ein sehr kollegiales Verhältnis aufbauen.
Der Betrieb gehörte dem Besitzerehepaar. Die Leitung übernahm die Frau. Ihr Mann war in der IT-Branche tätig und häufig auf Reisen und mit seiner eigenen Arbeit ausgelastet. Für das fast ausschliesslich männliche Team der Bäckerei war es sicherlich eher ungewöhnlich einer Frau unterstellt zu sein. Ist man sich in Indien doch seit jeher gewöhnt, dass der Mann das Sagen hat. Natürlich gibt es in all den verschiedenen hierarchischen (Kastensystem) und religiösen Gruppen auch andere Fälle. Wie dem auch sei, die Besitzerin hatte ihre «Männer» fest im Griff und sie zollten ihr den gebührenden Respekt.

Die indische Arbeitsmentalität

Das Team umfasst um die 15 Mitarbeitende in der Bäckerei-Konditorei, der Küche und im Verkaufsladen. Einige brachten beeindruckende Arbeitserfahrungen von Küchen in Luxushotels mit und erleichterten mir meine Aufgaben damit. Verfügbarkeit und Qualität von Roh- und Halb-Materialien waren nicht wie in der Schweiz. Doch die lokalen Angestellten wussten sehr gut damit umzugehen. Es war bemerkenswert zu sehen, wie sie aus den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln qualitativ hochstehende Produkte herstellten. Einige aus dem Team waren ohne grosse Ausbildung oder Arbeitserfahrungen in den Anfängen ihres Berufslebens. Diese fanden im «The Ofen» ideale Voraussetzungen, um eine Karriere in der Branche zu lancieren. Denn die aus der Schweiz eingeführte Einrichtung war etwas, das man nicht in jeder indischen Bäckerei und Küche antrifft.
Die Arbeitsmentalität war gut, jedoch anders als wir es in der Schweiz gewohnt sind. Die Leute arbeiten gerne, führen ihre Arbeiten aus und sind stets pünktlich und sauber. Mit der Produktivität war es anders. Was bei uns in einen 8-stündigen Arbeitstag gepasst hätte, konnte man dort gut in eine 13-stündige Schicht dehnen. Soweit ich weiss, werden den Angestellten in Indien keine Überstunden ausbezahlt, daher kümmerte ich mich nicht allzu gross darum – im Sinne von «wenn das Teil ihrer Kultur ist, rüttle ich daran herum». Wären wir in der Schweiz gewesen, wären solche Dinge sicher anders gehandhabt worden und man hätte mehr Arbeitsmenge in weniger Arbeitsstunden gepackt. Allgemein halten sie es in Indien nicht so genau mit zeitlichen Angaben. Das war für mich zu Beginn eine der grösseren Herausforderungen. Ein Beispiel: Einmal auf dem Heimweg hielten wir schnell an, um etwas abzuholen. «5 Minuten», wurde mir gesagt. Brav wartete ich auf dem Beifahrersitz des Autos mit der Annahme, es gehe gleich weiter. Aus fünf wurden zehn Minuten. Aus zehn zwanzig usw. Am Ende dauerte es etwa 90 Minuten bis wir schlussendlich die Fahrt fortsetzen konnten. Von da an wusste ich, dass «5 Minuten» einfach eine Redensart war, um zu sagen, wenn etwas noch eine Weile dauern wird.

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