Wie kann eine artisanale Bäckerei kommerziell erfolgreich sein und gleichzeitig höchste Standards punkto Handwerk und Zutaten einhalten – auch in Zukunft? Dieser Frage gingen, auf Einladung des Vereins BrotZeit Schweiz, im Mühlerama in Zürich diverse Branchenvertreter*innen nach. Zwei handwerkliche Bäckereibetriebe zeigten auf, wie sie mit unterschiedlichen Voraussetzungen Erfolge feiern. Zudem bot ein Speed-Networking die Chance, Gleichgesinnte kennenzulernen.

Am Beispiel der Dorfbäckerei Meier-beck AG aus dem Münstertal (GR) und der Bäckerei Baier aus Herrenberg (D), versuchte Moderator Michael Kleinert, mögliche Erfolgsrezepte für artisanale Bäckerei zu skizzieren. Dabei zeigte sich, dass Eigenständigkeit, lokale Rohstoffe und viel Handarbeit zentral sind. «Wir sind vor allem bekannt für unser Roggenbrot und unsere Bünder Nusstorte, die wir mit Erfolg in die ganze Schweiz verschicken», sagte Lucia Meier, die den elterlichen Betrieb, die Dorfbäckerei Meier-beck AG, seit zehn Jahren mit ihrem Partner Giancarlo Marco de Santis führt. Heuer feiert der Betrieb sein 50-Jahr-Jubiläum. Beide Inhaber*innen sind Quereinsteiger. «Aus diesem Grund war der Start hart, wir mussten uns erst vieles erarbeiten, unter dem strengen Blick der Schwiegereltern», erzählte Giancarlo Marco de Santis. Grossen Wert legt das Paar auf lokale Rohstoffe als Basis für gutes Brot. «Gutes Brot beginnt auf dem Acker», betonte de Santis. Sehr wichtig ist den Inhabern auch, dass sich die Mitarbeitenden wohlfühlen.

BrotZeit-Co-Präsident Emanuel Lobeck schilderte anschaulich seinen Besuch im Betrieb: «Ich war noch nie an einer Betriebsführung, wo weniger über das eigentliche Produkt gesprochen wurde. Giancarlo Marco erzählte mir stolz, dass die Mitarbeitenden bei der Umgestaltung der Backstube federführend seien, zeigte mir Massagesessel und Ruheräume für das Team etc.». Natürlich müsse auch das Produkt überzeugen und zudem müsse man den Kund*innen die Geschichte dazu gut kommunizieren, ergänzte Lucia Meier. «Wir erklären immer wieder, dass unser Brot sich zwei bis drei 3 Tage frisch hält und dass wir nur lokale Rohstoffe von Hand verarbeiten, die zum Teil exklusiv bei uns angebaut werden. Damit kann ich unsere Preise rechtfertigen.» Ihr Partner fügte hinzu, dass der Betrieb von den «tollen, langjährigen Mitarbeitern» lebe – aktuell seien es 20.

Anders, aber ebenso ein Handwerker

Im grösseren Stil, aber ebenso dem Handwerk verpflichtet, ist die Bäckerei Baier aus dem deutschen Herrenberg (bei Stuttgart) mit drei Filialen und 140 Mitarbeitenden. Jochen Baier setzt in der sechsten Generation auf Handarbeit und gleichzeitig auf modernste Technik. Dazu errichtete er vor sechs Jahren neue Produktionsräume. Er nutzt alte Getreidesorten, mit allen Vor- und Nachteilen: «Sie sind für uns zum Teil schwierig zu verarbeiten, aber geschmacklich und von der Qualität her Spitze.» Circa ein Drittel des Umsatzes sei Liefergeschäft, der Rest läuft über die Läden. In seiner Produktion orientiert er sich an einer modernen Fabrik mit effizienten Prozessen und kurzen Laufwegen; dazu gehöre das automatische Portionieren des Teigs. «Ich habe keinen Porsche, meine „Boliden“ stehen in der Produktion», scherzte der Backprofi. Doch gleichzeitig werde jedes Brot von Hand geformt. «Für mich schliessen sich traditionelles Handwerk und modernste Technik nicht aus.» Zudem sei die Technik ohne gute Mitarbeitende, die fair bezahlt würden, nichts.

«Ein gutes Brot muss Freude machen beim Essen und die Seele berühren.» Seine Kund*innen schätzten die besondere Qualität und seien darum bereit, einen höheren Preis zu zahlen, ergänzte er. Gleichzeitig betonte er, dass ein klarer Fokus auf wirtschaftliche Effizienz in der Produktion aus seiner Sicht künftig entscheidend sein werde für ein Überleben der artisanalen Betriebe. Im Publikum waren damit nicht alle einverstanden; Zweifel bestanden vor allem, ob eine hoch automatisierte Produktion mit grossen Mengen und Arbeitsteilung noch dem wahren Handwerk entsprächen. Man kann auch mit grosser technischer Unterstützung tolles Brot backen, aber für mich persönlich trägt jeder Handgriff eines Menschen zur Qualität und zum guten Geschmack bei», gab Daniel Hächler, Bäcker aus Seengen (AG) und Vorstandsmitglied des Vereins BrotZeit Schweiz, zu bedenken.

Kommunikation ist der Schlüssel

Die Diskussion im Publikum zeigte, dass die Teilnehmer*innen klar auf jene Brotgeniesser setzen, welche bewusst beim Handwerksbetrieb einkaufen und bereit sind, entsprechende Preise zu zahlen. Der als «Eigenbrötler» bekannte Daniel Amrein setzt schon seit Jahren mit Erfolg auf diesen Weg. «Ich suche mir meine Partner in der Spitzengastronomie genau aus. Wer mein Brot anbieten will, muss zu mir passen und mir im Gespräch zeigen, dass er meine Philosophie teilt.» Dies habe den Vorteil, dass er kaum Preisdiskussionen habe.

Die Anwesenden waren sich einig, dass artisanale Betriebe unter anderem auf ein feines, kleines Sortiment setzen, den Fokus auf eigenständige Produkte sowie einen Schwerpunkt auf eine erfolgreiche Kommunikation bzw. Vermarktung der Produkte legen sollten. Das Brot vom Bäcker müsse eine gute Geschichte erzählen, so der Tenor. «Der «Eigenbrötler» ist dafür ein tolles Beispiel», meinte Urs Röthlin, Abteilungsleiter Bäckerei und Feinbäckerei bei der Richemont Fachschule. Auch Patrik Bohnenblust, Inhaber der Berner Bäckerei Bread à Porter, betonte die Wichtigkeit der Kommunikation als Eckpfeiler für gutes Handwerk: «Wir können alle die höchsten Qualitätsstandards haben, aber schlussendlich muss ich die Kund*innen überzeugen können, dass ich gutes Brot mache und weshalb das so ist. Wenn ich nachvollziehbar erkläre, dass unser Brot länger frisch bleibt und dazu noch Rezepte für Brotreste gebe, dann steht der Preis nicht im Vordergrund.» Jakob Limacher, der sich als Brot-«Experimentator» vorstellte, regte dazu an, das Unternehmertum bzw. diese aktive Kommunikation mehr in die Berufsbildung zu integrieren.

Vernetzen und zusammenbringen

Abgerundet wurde der Anlass durch ein «Speed-Networking», ähnlich einem Speeddating. Innert weniger Minuten lernte man so einen Gastronomen mit Bäckereihintergrund, mehrere Getreidezüchter*innen und Saatgutvermehrer, einen Startup-Mitgründer für Sauerteigbrote, innovative Müller und viele mehr kennen – alle erkennbar mit Leidenschaft tätig. Das entspricht – wie Mareike Biegert, BrotZeit-Co-Präsidentin in Erinnerung rief – ganz dem Ziel des Vereins: nicht nur Profis der Bäckereibranche, sondern alle wichtigen Akteure für gutes, handwerklich hergestelltes Brot zu vernetzen.

Christian Bärtschi

brotzeit-schweiz.ch


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