Was essen wir morgen? Wohin entwickelt sich unser Essalltag? Antworten zu diesen Fragen lieferte an der Gastia, der Fach- und Erlebnismesse in St. Gallen (2. – 4.4.), die renommierte österreichische Foodtrendforscherin und mehrfache Buchautorin Hanni Rützler.

Die Referentin zeigte dem Publikum zu Beginn ihres spannenden Referats ein Foto mit einem angeschnittenen Stück Fleisch. Echt oder Kopie?, wollte sie von den Anwesenden wissen. Tatsache sei, so Hanni Rützler, dass dies nicht mehr so leicht zu beantworten sei. Ihre Prognose lautet ganz klar: «Die Esskultur wird sich in den nächsten Jahren essenziell verändern.» Die Menschen seien gezwungen umzudenken. Das industrielle Foodsystem stosse heute an die Grenzen des Ökosystems, denn: «Wir essen überdurchschnittlich zu viel Fleisch», warnte die Wissenschaftlerin. Sie untermauerte ihre Aussage mit Zahlen: 72 % der Erdoberfläche bestehe aus Wasser, nur 30 % sind Land, und einzig ein Drittel davon sei Landwirtschaftsfläche. 80 % davon würden direkt und indirekt für die Fleischproduktion eingesetzt und nur 20 % (11 km2) für Kulturpflanzen. Es gelte, nach Alternativen zu suchen.

Mehr «Zukunftsmut“

Hanni Rützler plädierte für mehr «Zukunftsmut» und zur Individualität in der Gastronomie. Es lohne sich, (kulinarische) Zukunftsbilder, Visionen zu entwickeln und sich die Frage zu stellen: Welche Zukunft möchte ich mitgestalten? Denn der Wandel passiere manchmal schneller als man denke.
Die Referentin präsentierte eine vielschichtige Food-Trend-Map mit über 50 Trends. «Es ist komplex», beschrieb sie die Situation, doch Komplexität könne man nicht mit Vereinfachung, sondern nur mit Komplexität begegnen. «Wir können eine Familie nicht mehr nur mit einem Menü glücklich machen.» In ihrem Referat hob sie nur ein paar Trends hervor, wie beispielsweise «Glokal», wo eine Brücke zwischen der Welt und der Region geschlagen werden soll. Wie viel Regionalität und wie viel Globalität ist nötig? Die Standardisierung sei heute enorm hoch,  «aber wir verlieren an Vielfalt», warnte Hanni Rützler. Die Industrialisierung sei nicht die Zukunft. Denn diese führe uns wieder in die Anfänge der Menschheit zurück. Als Beispiel zeigte sie ein Foto eines Tellers von Noma in Kopenhagen (DK) mit u.a. einem Stein, einem Holzästchen und Moos als Deko. «Er ist magisch», kommentierte sie ihn. Was kann gegessen werden? Wie viel Region soll es sein? Wie stark soll sie verankert werden? Es werde komplizierter, aber «sie können auch eine spannende Geschichte erzählen. Damit können Sie sich differenzieren und eventuell gar neue Zielgruppen gewinnen».

Local Exotics

Als weiteres Beispiel nannte sie die «local Exotics»: Kakao, Kurkuma, Ingwer, das in der Region produziert wird. Dies bedeute für die Gastronomie eine grosse Chance, so Hanni Rützler. Auf der Ebene der Ausgangsprodukte gehe der Trend zur Regionalität. Umso konsequenter die Gastronomen mit der Region verbunden seien, desto einfacher sei es zu kommunizieren.

Abfall als Ressource

Die Trendforscherin erwähnte in ihrem Referat die Nachhaltigkeit und damit verbunden die Lebensmittelverschwendung. «Wir schmeissen einen Dritten der Lebensmittel weg», kritisierte sie. Es gelte, beispielsweise mit den Portionengrössen zu variieren. Ihre Vision: «Es gibt überhaupt keinen Abfall mehr – der Abfall wird zur Ressource.»
Thematisiert wurde ebenfalls die «Veganmania». In der Küche fehle es, wenn kein Fleisch auf den Teller soll, an Fantasie bemängelte Hanni Rützler und forderte spannende, kulinarische Antworten von engagierten Köchinnen und Köchen.

Keine Chemie, sondern Physik

Die Zukunft sieht sie im Plant-Based-Food. «Es handelt sich um Pflanzen, die sich in verarbeiteter Form neu erfinden, das ist nicht Chemie, das ist Physik.» Hier geschehe ein Wandel. Sie zeigte u.a. ein Bild von «Steakspitzen, die in Wahrheit aus Kartoffeln und Erbsen bestehen, und zählte Milchalternativen auf. «Wie Sie damit umgehen, welche Arten von Alternativen Sie anbieten wollen, diese Entscheidung kann ich Ihnen nicht abnehmen. Denn nur mit Spätzle und Knöpfli kommen Sie nicht weiter.»

Als letztes erwähnte Hanni Rützler die Präzisionsfermentation: «Dank dieser rasanten Entwicklung der Bioinformatik und er biotechnologischen Forschung können wir unsere Bakterien nicht nur genauer auswählen, sondern auch ihre Funktion mit einer Genschere präzise programmieren. Eine Technologie, die unsere Lebensmittelproduktion massgebend verändern wird.»

Claudia Vernocchi

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