Seit nun bald einem halben Jahr ist Patrick Zbinden der Botschafter der artisanalen Schweizer Bäcker-Confiseure. Wer steckt hinter diesem wortgewandten Branchen-Profi mit viel Know-how und Leidenschaft zur Gastronomie? «panissimo» besuchte ihn in seinem idyllischen Zuhause im zürcherischen Dorf Oberrieden.
Der amtierende Ambassadeur du pain et du chocolat Patrick Zbinden besitzt rund 6000 Fachbücher. «Dieses Wissen ist meine Altersvorsorge.»
Das Haus mit der Wohnung, in welcher das Ehepaar Zbinden wohnt, befindet sich in traumhafter Lage, mit spekakulärem Blick auf den Zürichsee. «Ich lebe wie in einer Ferienwohnung. Es ist für mich ein Geschenk», erklärt der 55-jährige Foodsensoriker bei der Begrüssung. Hier erholt sich Patrick Zbinden von seinen intensiven Arbeitstagen, von denen keiner dem andern gleicht.
Bäckereiliebe in die Wiege gelegt
Die Liebe zu den Backwaren wurde dem Zürcher Branchenprofi buchstäblich in die Wiege gelegt: Seine Grosseltern führten im freiburgischen Zumholz eine Bäckerei mit einem kleinen Lebensmittelladen (heute Zosso). Seine Kindheit war geprägt vom verführerischen Duft des Brotes. «Dies war mein Kosmos», erinnert sich Patrick Zbinden. Die Ferien verbrachte er mehrheitlich in der Bäckerei und im kleinen Lebensmittelladen seiner Grosseltern. Beim Gedanken an deren Nussgipfel gerät er ins Schwärmen: «Sie waren einzigartig!»
«Der verführerische Duft des Brotes war mein Kosmos.»
In bester Erinnerung hat er auch die Bäckerei Hotz in Dübendorf, wo er aufgewachsen ist. In der grossen Schulpause «war es jeweils Pflicht – obwohl verboten – die kleinen Buttergipfeli zu kaufen. Hat man diese etwas gedrückt, ist die Butter richtiggehend ‹rausgeflufft›.» Aber auch von der Patisserie, vor allem von den Studentenschnitten, war er ein grosser Fan.
Einkaufen in Bäckerei ist ein Bildungsauftrag
Die artisanale Bäckerei sei ein Teil unserer Kultur, ein Bildungsauftrag. Deshalb ist Patrick Zbinden ganz klar der Meinung: «Es ist ein absolutes Muss, dass Eltern mit ihren Kindern regelmässig in Bäckereien einkaufen gehen.» Die Schweiz verfüge über eine grosse Vielfalt an gewerblichen Bäckereien. Die Produkte seien alles andere als austauschbar, «sie haben einen echten Swisstouch und unterscheiden sich je nach Region. Dies im Gegensatz zum Brot bei den Grossverteilern».
Lehre als Maschinenmechaniker
Trotz seiner grossen Leidenschaft zur Bäckerei-Konditorei entschied sich Jung-Patrick für eine Lehre als Maschinenmechaniker auf dem Militärflugplatz Dübendorf. Dort habe er die Präzision sowie die Koordination von Kopf- und Handarbeit gelernt. Fähigkeiten, die für seine heutige Tätigkeit immer noch sehr wichtig seien. «Komischerweise bin ich damals nie auf die Idee gekommen, eine Bäckerausbildung zu machen. Auch keine Ausbildung zum Koch.» Das Kochen hat der amtierende Ambassadeur du pain et du chocolat nämlich früh lernen müssen. Bereits als Sechsjähriger stand er in der Küche, da seine Mutter sehr früh starb. Er und seine Geschwister mussten im Haushalt mit anpacken. Auch heute kocht Patrick Zbinden fast täglich für sich und seine Ehefrau Sonja Kostoulas.
«Gerätefetischist»
Beim «panissimo»-Besuch stehen in der grossen Küche ein paar mit Kirsch gefüllte Kanister und eine Kiste mit gefriergetrockneten Früchten. Patrick Zbinden wird diese analysieren und seinen Kommentar an die Absender abgeben. Auffallend sind die vielen Küchengeräte. Doch es hat noch mehr davon: Bei der Besichtigungstour im stilvollen, 300-jährigen Haus entdecken wir im altehrwürdigen Gewölbekeller ein grosses Gestell voll mit weiteren Küchenmaschinen, sorgfältig in Kartonschachteln verpackt. Er sei ein «Gerätefetischist», gesteht Patrick Zbinden mit einem Schmunzeln.
6000 Bücher Ins Auge sticht auch die riesige
Bibliothek im Esszimmer – alles Fachliteratur aus der Gastronomie, vom allgemeinen Branchenbuch bis zu exquisiten Raritäten. Nicht alle der rund 6000 Bücher fanden in der geschmackvoll eingerichteten Wohnung Platz. Ein Teil ist im Estrich. Patrick Zbinden weiss genau, wo sich was befindet. «Es ist für mich entspannend, solche Bücher anzuschauen, in Fachzeitschriften zu lesen. Dieses Wissen ist meine Altersvorsorge.»
Ebenso geniesst es Patrick Zbinden, Spitzenköche zu treffen, sich mit ihnen auszutauschen. «Sie prägen mit ihren Ideen unsere Gesellschaft. Sie sind unsere Vorbilder.» Dieses Ziel verfolgt er ebenfalls: «Ich versuche, Studenten zu motivieren, kreativ zu denken. Die Inspiration, das Handwerk und das Know-how – dieser Mix ist die Basis für die Zukunft unserer Berufe.»
Immerwährende Weiterbildung
Zurück zu den beruflichen Anfängen von Patrick Zbinden: Nach seiner Lehre besuchte er die Handelsschule und eine Kaderschule, beide in Zürich. Anschliessend holte er die Matura nach. 1992 begann er das Seminar für Haushaltungslehrerinnen des Kantons Zürich, das er jedoch abbrach, da die Wissensvermittlung aus seiner Sicht zu antiquiert war.
Er suchte nach anderen Wegen, seinen Wissensdurst zu stillen, und fand damit neue Formen des Unterrichts. Wie Perlen an einer Schnur reihen sich daher seit 1993 bis heute Kurse, Seminare, Lehrgänge, Schulungen und Trainings im Bereich Ernährung, Gesundheit, Kommunikation und Journalismus aneinander. Begleitet waren sie von Aufenthalten in England und im asiatischen Raum.
Kochsendung im Radio
Ältere Semester unter den Leserinnen und Lesern erinnern sich an die legendäre Kochsendung auf Radio DRS3 mit Patrick Zbinden, die jeweils am Freitag um 11 Uhr während zehn Jahren ausgestrahlt wurde. Er schafft es und schafft es immer noch, sein Wissen unters Volk zu bringen, so dass es jeder und jede versteht, formuliert wie gedruckt, bunt, überzeugend und mit Herzblut. «Mein Vorteil: Ich lebe in keiner Schokolade- oder Kaffeebubble. Wenn du betriebsblind bist, erreichst du die Konsumentinnen und Konsumenten nicht.»
«Die Bäcker und Confiseure tragen zum Wohlbefinden der Bevölkerung bei!»
Genussmomente
Eine Herzensangelegenheit von Patrick Zbinden ist der Genuss. Er schreibt und berichtet nicht nur über Genussmomente, er lebt sie auch: « Das ist Teil der Lebensqualität», betont er. Die Beschreibung der Aromen, diese existiere nicht nur beim Wein, sondern überall, beispielsweise auch beim Brot oder bei der Schokolade. «Die Bäcker und Confiseure tragen zum Wohlbefinden der Bevölkerung bei!» Das Reinbeissen in ein Brot sei mit vielen Texturerlebnissen und Aromen verbunden. Dasselbe gelte auch für die Schokolade.
Der Garten, sein Müesli …
Es gäbe noch viel zu berichten über Patrick Zbinden: Über seine Liebe zur französischen und spanischen Patisseriekunst. Über seinen romantischen, naturnahen Garten mit Permakultur, den er mit Hingabe pflegt. Über sein Zmorge-Müesli, das er selber flockt. Über seine Tätigkeit als Journalist, u. a. bei der SRF-TV-Sendung «Kassensturz». Über seine Kurse und Workshops, … «Ich sehe mich nicht nur als Botschafter der Bäcker und Confiseure, sondern des Genusses allgemein», unterstreicht der Ambassadeur du pain et du chocolat zum Schluss unseres Gesprächs.