Nach drei Jahren Strapazen scheint am 1. März 2023 für die Bäckerei-Konditorei-Confiserie Wälchli aus Rothrist (AG) alles durchgestanden zu sein. Doch was nicht einmal zwei Wochen später folgt, gleicht einem betrieblichen Supergau, der nur mit der extraordinären Leistung der Mitarbeitenden gemeistert werden konnte.

Bei der Kontaktaufnahme von Ruth Haab, Geschäftsleiterin der Bäckerei-Konditorei-Confiserie Wälchli aus Rothrist (AG), noch vor dem Beginn der Erarbeitung des Artikels, betont sie ihr Anliegen: «Alles wäre unmöglich gewesen, hätten wir nicht so hervorragende Mitarbeitende!»

Langfristiges Provisorium

Für den Anfang dieser Story reisen wir ins Jahr 2020 zurück. Soeben ist die Bahnhofsfiliale in Aarau (AG) der Bäckerei-Konditorei-Confiserie Wälchli in das für den Totalumbau extra hergerichtete Provisorium verschoben worden. Es folgen drei aufreibende Jahre auf den 35 Quadratmetern im Container. Corona, Unwetter, enge Verhältnisse, Sommerhitze und Eiseskälte, wie auch Verzögerungen beim Aufbau der neuen Filiale, verlangen den Mitarbeitenden alles ab.

Neue Wälchli-Filiale im Bahnhof Aarau

Die Vorfreude auf den neuen, grosszügigen Laden im Bahnhof wächst von Tag zu Tag. So wird das Provisorium trotz aller Widrigkeiten schweren Herzens am 28. Februar verabschiedet: «Alle hatten den Container irgendwie liebgewonnen», gesteht Ruth Haab. Als das Personal am Mittwoch, 1. März die Kundschaft im neuen Laden begrüsst, ist die Freude auf beiden Seiten der Theke gross.

Endlich zum Betriebsalltag zurückfinden

«Es war für alle eine Erleichterung. Wir dachten: Jetzt läufts, wir können uns zurückziehen und zum Normalbetrieb zurückkehren.» Die Bedenken am neuen Ladenkonzept sollten widerlegt, sekundäre Pendenzen aufgearbeitet und die anderen 11 Standorte endlich angemessen betreut werden können. Leider nicht für lange …

Die Katastrophe

«Dann hat es den Knall gegeben, das war der 12. März», erzählt die Geschäftsleiterin. Am Sonntagmorgen, 12. März, explodiert der doppelte Stikkenofen der Backstube in Rothrist (AG). Wie ein Wunder wird niemand verletzt, obwohl sich die Belegschaft gerade im Endspurt der Produktion befindet. «Die Euphorie war schlagartig weg. Wir standen am Abgrund, waren ratlos und wussten nicht mehr weiter», meint die Branchenfrau rückblickend.

Unterstützung in Rekordzeit

Der Kaminfeger und der Verantwortliche für den Brenner sind sofort zur Stelle und begutachten den Fall. Fazit: Die Ursache sei im Ofen zu vermuten. Doch ein Experte in Sachen Ofenbau war nicht abkömmlich. Ein Freund des Hauses gibt den entscheidenden Tipp: «Wir sollten jemanden aus Lausanne anrufen, jemanden den wir nicht kannten.» Ein Anruf, zwei Stunden und schon diagnostiziert dieser Unbekannte den Ofen vor Ort: Totalschaden. Riss in der Brennkammer. Der Ofen muss raus. Mindestens zwölf Wochen Lieferfrist für einen Ersatz. Die Fragen im Kopf der Geschäftsleiterin werden lauter: «Wie produzieren wir ohne den Backschrank, der zehn Stunden am Tag läuft? Schaffen wir das Volumen mit der neuen Filiale in Aarau nur mit dem Etagenofen?»

Der Teamgeist vollbringt das schier Unmögliche

Zwölf Wochen herrscht Ausnahmezustand. Mit einem von der Backstubenleiterin Chantal Stampfli ausgearbeiteten Notfallplan und täglichen Extrafahrten werden die Lieferungen sichergestellt. Die Gebäcke sind in mühseliger Arbeit über den Etagenofen auszubacken, was den Ofenbäckerinnen alles abverlangt. Parallel wird der Ofen vom Experten Denis Perraux demontiert. In Zusammenarbeit mit Kältespezialist Daniel Wyss, Maschinentechniker Patrick Rohner und Handwerkern aus der Region wird die neue Anlage in der geschäftigen Backstube eingebaut.

Legten ein besonderes Engagement an den Tag (v.l.): Kältespezialist Daniel Wyss, Ofenbauer Denis Perraux und Anlagentechniker Patrick Rohner.

Alle ziehen an einem Strang, was Ruth Haab bleibenden Eindruck hinterlässt: «Nichts wäre gegangen, wären da nicht so hervorragende Handwerker gewesen. Und es hat sich für mich bestätigt: Die Mitarbeitenden sind das grösste Gut eines Unternehmens.»

Obwohl es schien, dass die Umstände sich gegen das Unternehmen entschieden haben, kann die Versorgung der eigenen Filialen und Cafés wie auch der Grosskundschaft aufrechterhalten werden. Des Weiteren habe nur ein kleiner Teil der Kundschaft bemerkt, dass im Hintergrund Ausnahmezustand herrschte, verrät die Geschäftsleiterin.

Geschäftsleiterin Ruth Haab und Ofenspezialist Denis Perraux, nachdem der brandneue Ofen das erste Mal aufgeheizt werden konnte.

Das Positive überwiegt

Anfang Juni erschien tatsächlich der Silberstreifen am Horizont. Das «neue Baby» ist fertig montiert und darf in Betrieb genommen werden, der Normalzustand kann zurückkehren. Die Mitarbeitenden hätten alles mit dem Unternehmen durchgestanden und seien spürbar zusammengeschweisst worden. Ruth Haab möchte es zum Schluss explizit noch einmal betonen: «Das Positive der Menschen überwiegt all die negativen Erlebnisse.»


Bäckerei-Konditorei-Confiserie Wälchli AG, Rothrist (AG)

  • Gründungsjahr: 1985
  • Mitarbeitende: circa 160, davon 2 Lernende
  • Verkaufsstellen: 12 Standorte, 8 mit Cafés und 4 mit Produktionen
    baeckerei-waelchli.ch

Diego Schwerzmann

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