Sarah Kaiser ist gelernte Konditor-Confiseurin. Ihre Arbeit bei Casa Nobile in Bätterkinden (BE) weckte ihr Interesse, mehr über die Herkunft von Kakao zu erfahren, und sie reiste dafür nach Costa Rica.
Es ist Anfang November. Während in der Schweiz der Winter bald Einzug halten wird, scheint mir die wärmende Sonne ins Gesicht. Vögel zwitschern und ich bin umgeben von Kakaobäumen. Die Früchte leuchten in den unterschiedlichsten Gelb-, Grün- und Rottönen. Ich weiss jetzt schon, dass die Zeit hier eine ganz besondere sein wird. Aber erstmal von vorne …
WIEDERENTDECKTE LEIDENSCHAFT
Schon in meiner Schulzeit war für mich klar, dass ich Konditor-Confiseurin werden möchte. Eine Entscheidung, die ich bis heute nie bereut habe. In meiner Lehrzeit, wie auch in den darauffolgenden Jahren, in denen ich Berufserfahrung sammelte, hat mir das Handwerk immer sehr viel Freude bereitet. Zugleich lernte ich aber auch eine Seite der Branche kennen, die mir zu schaffen machte. Ich empfand den Umgang untereinander oft schwierig und die starken Hierarchiestrukturen in den Betrieben, empfand ich als ungesund für das Arbeitsklima. Ich habe mich häufig unverstanden und nicht wahrgenommen gefühlt. Als Konsequenz daraus habe ich dem Beruf für eine Weile den Rücken gekehrt und in der Gastronomie gearbeitet. Dadurch habe ich zwar neue Erfahrungen gesammelt, doch vermisste ich währenddessen das kreative und handwerkliche Arbeiten sehr. So kam es, dass ich den Weg zu Casa Nobile (Bätterkinden/ BE) gefunden haben und in die Welt der Schokolade eingetaucht bin. Zum Glück, denn ich habe meine Liebe zum Beruf wiederentdeckt! Ich arbeitete fortan in einem Betrieb, der bei der Qualität der verwendeten Produkte keine Kompromisse eingeht. Das Wissen um die Herkunft eines jeden Rohstoffs ist hier zentral und es veränderte mein Bewusstsein. Bei mir löste dies das Verlangen aus, mehr über den Ursprung des Kakaos zu erfahren.
Das Temperieren und Abtafeln der ersten eigenen von Grund auf hergestellten Schokolade war ein besonderer Moment für mich.
Sarah Kaiser
VON DER BOHNE ZUR TAFEL
Durch einen Bekannten habe ich mitbekommen, dass auf der Finca «La Amistad» der Familie Brugger nicht nur Kakaobohnen für den Export hergestellt werden, sondern auch vor Ort Bean-to-Bar-Schokolade
produziert wird.
Und hier bin ich jetzt also, in einer kleinen Fabrik im Norden Costa Ricas. Jeden Tag darf ich feinste Schokolade herstellen. Die Feldarbeiter bringen die Bohnen frisch getrocknet in die Fabrik. Hier werden die Bohnen von mir geröstet, gebrochen, von den Schalen befreit und gegrindert bzw. gemahlen. Als nächstes mische ich sie mit Kakaobutter und Zucker. Zu guter Letzt wird die Schokolade conchiert. Diese Arbeitsschritte sind viel technischer als die Arbeit in der Confiserie. Bei Bean-to-Bar spielt vor allem die Sensorik eine grosse Rolle. Es ist unglaublich, wie viele Aromen in diesen Bohnen stecken. Bereits auf dem
Feld, durch die Pflege der Feldarbeiter und die klimatischen Bedingungen, entwickelt sich der Geschmack. Meine Aufgabe ist es, diesen zu entfalten. Dabei ist bei jedem Schritt enorm viel Präzision gefragt. Das Temperieren und Abtafeln der ersten eigenen von Grund auf hergestellten Schokolade war ein besonderer Moment für mich.
PURE HANDARBEIT
Der Kreis schliesst sich und die Lücke, die ich bei meiner Arbeit als Confiseurin gefühlt habe, füllt sich zunehmend. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier auf der Finca Einblick in die Arbeit auf dem Feld bekomme. Ich darf selbst mit anpacken und viele spannende Gespräche mit den Feldarbeitern führen. Jeder einzelne Schritt ist pure Handarbeit.
Schokolade sollte mit mehr Achtsamkeit und Respekt konsumiert, aber auch verarbeitet werden.
Sarah Kaiser
Die Geschichte eines jeden einzelnen, aus Schokolade hergestellten Produktes fängt nicht erst in der Confiserie an, sie beginnt bereits hier auf der Finca. Sie beginnt, wenn die Feldarbeiter die Kakaobäume setzen, pflegen und die Früchte ernten. Sie geht weiter, indem die Früchte zu den Sammelplätzen gebracht und mit einer Machete geöffnet werden. Es folgt die mehrtätige Fermentation der Bohnen und anschliessende Trocknung. Diese Prozesse – sei es das Mischen und Massieren der Bohnen oder das Überprüfen der Temperatur – werden täglich von den Mitarbeitenden ausgeführt. So viele Hände sind längst vor mir an der Schokoladenproduktion beteiligt.
Schokolade sollte mit mehr Achtsamkeit und Respekt konsumiert, aber auch verarbeitet werden. Und dafür braucht es mehr Wissen und Transparenz. Ich bin überzeugt, dass das Eintauchen in den Ursprung des Hauptrohstoffes von Schokolade die Confiserie bereichert und definitiv eine neue Perspektive auf das Endprodukt bietet. Ich kann allen Interessierten und allen Confiseur*innen empfehlen, diese Erfahrung zu
machen.
Sarah Kaiser