Neun Wochen nach dem Shutdown wagt «panissimo» mit den SBC-Mitgliedern einen vorsichtigen Blick in die Zukunft. Was nehmen sie aus der Corona-Krise mit? Woran werden sie festhalten?

Die Corona-Krise hat unsere Branche, wie fast alle andern auch, ziemlich durchgeschüttelt. Flexibilität, kurzfristige Veränderungen und Innovationskraft waren und sind immer noch gefordert. Im letzten «panissimo» haben unsere Mitglieder eine erste Zwischenbilanz gezogen. In dieser Ausgabe blicken wir in die Zukunft. «Was nehmen Sie aus der Corona-Krise mit für die Zukunft? Woran werden Sie festhalten?», wollten wir von unseren Mitgliedern in einer E-Mail-Umfrage erfahren.

Gestärkt aus der Krise

Die Antworten, die wir aus allen Landesteilen erhalten haben, sind vielfältig. Da ist bei ein paar der Rückmeldungen zum Teil ein sehr grosser Frust, eine enorme Wut, Ohnmacht und Enttäuschung über Behörden, aber auch über den Verband vorhanden. Bei zahlreichen sind allerdings viel Zuversicht und Dankbarkeit zu spüren. Einige haben wichtige Erfahrungen gemacht und sind reich an Erkenntnissen. Unter diesen befinden sich Jungunternehmer, wie Martin Mayer (Bäckerei-Konditorei Vuaillat, Uster): «Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir gestärkt aus dieser schwierigen Zeit in die Zukunft gehen können.»

«Wir waren gezwungen, schnell, unkompliziert und radikal zu handeln.»
Manuel Rytz, La Brioche, Orvin

Auch Frédéric Mettraux (boulangerie Mettraux, Bulle) fühlt sich dank dieser Erfahrung gestärkt und noch mehr motiviert, um seine Leidenschaft weiter zu verfolgen: la boulangerie-pâtisserie. Stärker aus der Krise rauskommen als er reingegangen ist, das erhofft sich ebenfalls Manuel Rytz (La Brioche, Orvin): «Wir waren gezwungen, schnell, unkompliziert und radikal zu handeln.»

Krise wie ein Tunnel

Für Nik Vogel (Pöschtli Beck AG, Obfelden) gilt es positiv zu denken und nicht zu vergessen, dass eine Krise wie ein Tunnel sei. Dieser habe immer ein Ende und man gewinne viele Erfahrungen, positive wie negative. Patrik Bohnenblust (Bread à porter AG, Bern) hat ein klares Ziel, «besser zurückzukommen, als in die Krise hinein». Nicht noch mehr, sondern verstärkte Detailpflege für bessere Qualität bei den Produkten, beim Verkauf, für die Mitarbeitenden. Dieser Meinung ist auch Sascha Bachmann (Bäckerei-Konditorei Bachmann GmbH, Rheineck): «Ich nehme mit, dass sich qualitatives Handwerk und eine seriöse Arbeitsweise in einer Krise bestätigen.» Er sei sich selbst treu geblieben, ganz nach dem Motto «Schuster bleib bei denen Leisten!»

Thomas Ruch, «Bäckerei Th. Ruch, Thörigen) will einen Gang zurückschalten und noch mehr – wenn überhaupt möglich, auf regionale Produkte, IP und UrDinkel setzen. Dass die Regionaltät wiederentdeckt wird, das wünscht sich Walter Ruckstuhl (boulangerie-pâtisserie Ruckstuhl Sàrl, Meyrin). An der Qualität und der Freundlichkeit festhalten, dies will Simon Müller (Café-Konditorei Müller, Näfels). Zudem seien schnelle Entscheidungswege und ein Liquiditätspolster wichtig, mit denen man sich weiterentwickeln könne. Die Finanzen im Griff haben, dies empfiehlt unter anderem auch der erfahrene Geschäftsmann Emanuel Buchmann (Konditorei Buchmann AG, Münchenstein), zudem keine Entlassungen, Lernende in der Bäckerei-Konditorei ausbilden und Innovationen ausprobieren.

Wichtige Kommunikation

«Wir brauchen Mitarbeitende, die in Krisen voll mitziehen und nicht am Zweifeln sind», betonen Regula und Burkhard Kreyenbühl-Hirschi (Bäckerei-Konditorei-Confiserie-Café Kreyenbühl, Muri AG) und unterstreichen damit die Wichtigkeit der Kommunikation. Zudem empfehlen sie unbedingt, das Sortiment zu straffen. Auf Kunden­wünsche ein­gehen, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind die Losungsworte von Patrizia’s Schoggi-Paradies GmbH, Riehen und von Lukas Imseng (Bäckerei-Hotel Imseng, Saas-Fee).

Kleinbetrieb ein Vorteil

Zahlreiche Mitglieder äusserten sich glücklich darüber, «nur» einen kleinen und übersichtlichen Betrieb zu besitzen, so Ueli Leibundgut (Liebu Beck, Melchnau) und Peter Bürgi (Bäckerei-Konditorei Bürgi, Lengnau AG), dessen Brotumsatz um 15 % gestiegen ist. «Wir fühlen uns bestätigt, einen Kleinbetrieb ohne Filialen und Café zu führen», erklärt Walter Bruderer (Bäckerei-Konditorei Bruderer AG, Wichtrach). «Das Auge ist vielleicht dunkelblau, aber nicht entzündet …».

Die Erkenntnisse

Jörg Widmer (Bäckerei-Confiserie Widmer, Arosa) nimmt zur Kenntnis, dass «unser Betrieb mit sehr wenig Personal betrieben werden kann». Zurückkommen zu den Hauslieferungen, Treue-Konten für die Kunden erstellen, kommunizieren, dass beim Bäcker auch Mehl und Hefe gekauft werden kann, dies ist die Erkenntnis von Pascal Clément (boulangerie-pâtisserie-confiserie P. Clément, Daillens). Theo Müller (Café Pony, Zweisimmen) will künftig das Take-away-Angebot besser bewerben.

«Ich blicke mit einem Lächeln auf morgen, auch wenn man dieses unter der Maske nur schwer sieht …»
Vertreter Panetteria Peverelli SA

Was Walter Inauen-Gmünder (Drei Könige Appenzell) sehr freut, ist, «dass das täglich wechselnde Menü über den Ladentisch von den Kunden so sehr genutzt wurde». Für Stépane Oberson (boulangerie Oberson SA, Verrières) müssen die Bäcker-Confiseure flexibel sein, sich ständig den Situationen anpassen». Nichts ist gesichert, stellt der Genfer Chocolatier Joël Mérigonde (Chocolaterie, Pâtisserie & Tea-Room C & J Mérigonde) in einem Satz fest.

Kritische Stimmen

Es gab auch E-Mails mit Wut, Enttäuschung und Kritik. Vor allem gab es kritische Stimmen aus der Romandie. Das Vertrauen in die Autoritäten, die alles andere als glänzend gewesen seien, sei verloren, schreibt ein Vertreter der boulangerie Des Genêts in Genf. Er zweifelt, dass es dieses Jahr viele Lernende haben wird. Für Christophe Moret (L’espace Chocolat, Lausanne) sind die Selbständigerwerbenden die Verlierer. Er stellt einen flagranten Mangel an Solidarität unter den Wirtschaftsverbänden fest. Positiv ist für ihn die Unterstützung durch die Kunden. «Das ist unsere einzige Chance zu überleben.» Alphonse Pellet (boulangerie A. Pellet S.A., Uvrier / St. Léonard) fühlt sich alleine gelassen und stellt in seinem Statement den Sinn des Branchenverbandes in Frage. Enttäuscht von «unserem Staat und von unserem Berufsverband» äussert sich auch Elsbeth Tschannen (Café Tschannen, Mörigen). «Wut, sehr viel Wut, Verständnislosigkeit, Angst, Unmut über die unverhältnismässigen Vorschriften, die Bürokratie.»

Lächeln statt lamentieren

Dankbar ist Philipp Dietmann (Bäckerei-Konditorei Dietmann, Kölliken) und schreibt «einfach schätzen, was man hat!» Der Vertreter der panetteria Peverelli SA im Tessin erklärt, dass er sich jeder Situation anpasse und versuche das Heute zu leben: «Ich blicke mit einem Lächeln auf morgen, auch wenn man dieses unter der Maske nur schwer sieht …» Das Lächeln ist auch für Bertrand Jonin (Bertrand Jonin Pâtissier Sârl, Mézières) «oft viel wirkungsvoller als die Lamentos».

Die einzelnen kompletten Antworten

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