Nach fast 50-jähriger Tätigkeit in der Confiserie und Bäckerei ging der Verantwortliche der Westschweizer Niederlassung der Richemont Fachschule in Pully (VD) in Pension. «panissimo» nahm mit ihm einen Augenschein auf die Entwicklung der Branche und einen Blick in die Zukunft …

Was hat sich in der Bäckerei-Confiserie in den letzten 49 Jahren verändert? «Die Industrialisierung des Berufs», antwortet Christian Jaques. «Einst belebten die kleinen Geschäfte die Städte und Dörfer: Bäckereien, Bistros, Apotheken … Heute sind es Grossproduktionen und andere Komplexe.»

Diese Veränderung erklärt sich nach dem langjährigen Verantwortlichen der Richemont Fachschule in Pully zum Teil durch die Entwicklung der Gesellschaft. «Ein einziger Lohn reicht nicht mehr aus für eine Familie mit zwei Kindern, ein Auto, eine anständige Wohnung und die Ferien.» Die Menschen haben darum nicht mehr Zeit zum Kochen. Sie wenden sich Ersatzprodukten zu. Dies versteht der Frischpensionierte: « Heute kann ich mich zwei Stunden um die Zubereitung eines Abendessens kümmern. Als ich gearbeitet habe, war dies schwieriger. (…) Ich bin deshalb nicht gegen die Industrialisierung an sich. Allerdings haben wir vielleicht ein wenig zu viel Vertrauen in deren Produkte.» Als Beispiel nennt er Teige, die gewisse industrielle Anbieter mit Gluten anreichern. «Dies ist nicht nötig. Ein Bäcker lässt den Teig 24 Stunden ruhen. Darauf verzichtet die Industrie aus Gründen der Rentabilität. Die Teige müssen zwei Stunden nach ihrer Produktion über die Produktionsstrasse laufen.»

Die Kundschaft sucht sich ihren Bäcker aus

Angesichts der Fülle an Tiefkühlprodukten in den Regalen denken einige Kundinnen und Kunden, dass das traditionelle Brot gar nicht mehr existiert. «Die Zahl der An­rufe, bei denen nach einem Bäcker gefragt wird, der die Brote noch ­selber herstellt, ist das, was mich in den letzten 15 Jahren am meisten frappiert hat!»

Auch Bäcker sind dem «Gesang der Sirenen» erlegen, wenn sie auf möglichst rasch hergestellte Produkte setzen. Doch heute gibt es mehr und mehr Betriebe, die sich zurückbesinnen, freut sich unser Gesprächspartner. «Sauerteig, Vorteig … Was es auch sei! Die lange Triebführung ist der einzige wahre Wert, den ich an der Bäckerei schätze.» Eine natürliche Produktion, die es erlaubt, die negativen Folgen von Proteinen und Gluten teils zu meistern. «Früher konsumierten die Leute viel mehr Brot als heute. Doch wegen der längeren Fermentation gab es damals viel weniger Probleme mit Intoleranzen.»

In Bezug auf das, was die Konsumenten beschäftigt und zu Fragen bewegt, müssen die gewerblichen Bäcker-Confiseure ihr Know-how kommunizieren: «Sie dürfen stolz sein auf ihre Arbeit. Ūber diese zu sprechen und sie zu zeigen ist eine Möglichkeit, den Wert seines Berufs zu vermitteln.» Diese Kommunikation sollte auch im grossen Rahmen über den Verband und die Richemont Fachschule geschehen.

«Weniger, aber besser»

Im Lauf der Jahre hat Jaques noch etwas anderes beobachtet: «Der Bäcker ist ein wahrer Teig-Techniker geworden. Er hat diversifiziert.

Der Beruf hat an Wert gewonnen und ist nicht mehr unterbewertet.» Auch die Fusion der Berufsverbände der Bäcker-Konditoren und Konditor-Confiseure trug dazu bei, die beiden Bereiche auf dasselbe Niveau zu stellen.

Auch wenn immer mehr junge Berufsleute ihre Ausbildung durch den Abschluss in der zweiten Fachrichtung vervollständigen, rät Jaques ihnen davon ab, sich zu verzetteln. «In vielen Betrieben besteht der Wunsch, alles anzubieten und Spezialist für alles zu sein. Doch man muss sich selber bleiben. Man stellt besser weniger her, aber besser!» Dies erfordert eine perfekte Kenntnis der Rohstoffe und der Lieferanten. «Wenn ein Fachperson eine Botschaft vermitteln will, muss sie wissen, was sie in den Händen hat.»

In einer Zeit, in der administrative Arbeiten immer wichtiger werden, muss diese Philosophie von allen Mitarbeitenden mitgetragen werden: «Die Chefs leben in einer administrativen Hölle. Sie haben immer weniger Zeit um sich weiterzuentwickeln.» Jaques bedauert es, dass Berufsleute einen Drittel bis die Hälfte ihrer Zeit im Büro statt in der Backstube verbringen müssen. «Darum darf nicht nur eine Person allein alles wissen. Das ganze Personal muss von Weiterbildung profitieren können. (…) Vergessen wir nicht, dass gut ausgebildete Mitarbeitende glückliche Mitarbeitende sind. (…) Auf diese Weise könnte der Beruf vielleicht gerettet werden», folgert der Waadtländer. Und er bedankt sich bei den Berufsleuten für ihr Vertrauen: «Dieses war ein grosses Glück und gab mir die Lust voranzugehen.»

Johann Ruppen

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