Pistor befindet sich in einem sich verändernden, hart umkämpften Markt, der von Migros und Coop dominiert wird. Die Herausforderungen sind gross, aber es hat ebenso viel Potenzial und Chancen. Für CEO Markus Lötscher sind alle gefordert: Pistor, aber auch der Verband, die Zulieferer genauso wie die Bäckerei- und Confiseriebetriebe.

Pistor hat Anfang März das Jahresergebnis 2016 präsentiert (siehe „panissimo“ vom 3.3.). „panissimo“ unterhielt sich mit CEO Markus Lötscher, blickte mit ihm zurück und in die Zukunft.

Herr Lötscher, Pistor verzeichnet 2016 einen Umsatzrückgang von knapp 1 %. Welche Note geben Sie dem Jahresergebnis?

Mit dem Ergebnis sind wir zufrieden. Wir haben zwar einen leichten Umsatzrückgang. In der Tonnage verbuchen wir ein Wachstum. Die Teuerung ist rückläufig.

Liegt die Ursache für das Minus beim Umsatz bei der Teuerung?

Wir haben einige Produktegruppen verbilligt – und dies ist die Folge davon.

Wo sind die Preise vor allem gesunken?

Einerseits bei den Milchprodukten. Andererseits konnte man aufgrund des starken Konkurrenzdrucks bei anderen Produktekategorien mit den Zulieferern einen besseren Preis aushandeln. Diese Einsparungen konnten wir mit Preisreduktionen an unsere Kunden weitergeben.

Wie beurteilen Sie die Ertragskraft von Pistor?

Sie ist gut. Wir sind froh, ist Pistor ein gesundes Unternehmen. Wir können die Zukunft selber gestalten können und die Abhängigkeit von den Banken ist eher klein. Pistor braucht eine gute Ertragskraft, damit sie als Genossenschaft eigenständig und unabhängig ihre Zukunft planen kann.

Hat Pistor ihre Ziele 2016 erreicht?

Wir haben einige Ziele erreicht, aber nicht alle. Wir haben, wenn wir die Notenskala 1 bis 10 betrachten, eine knappe 8. Teils haben wir unsere Ziele übertroffen, teils nicht erreicht. Ein Umsatzrückgang war nicht budgetiert. Gute Noten erhalten zahlreiche Projekte, mit welchen wir die Unternehmung stärken können.

Auf strategischer Ebene sind wir ebenfalls gut vorwärtsgekommen. Der Verwaltungsrat hat im Zusammenhang mit der Digitalisierung des Unternehmens wichtige Entscheide treffen und erste Schritte einleiten können. Aber auch das Ja zum Warenumschlagszentrum Mitte ist sehr wichtig für die Zukunft. Es geht vorwärts!

Welche Bilanz ziehen Sie vom Jubiläumsjahr 2016?

Wir können auf ein gutes 100. Geschäftsjahr mit tollen Jubiläumsaktivitäten zurückblicken. Mit der Pistor-Expo in Verbindung mit der GV und dem SBC-Kongress in Luzern konnten wir einen Branchen-Treffpunkt schaffen, der nachhaltig war und somit unseren Genossenschaftern einen attraktiven Anlass bieten. Auch von unseren Mitarbeitenden kriegten wir ein positives Feedback. Dies hat viel Arbeit verursacht, wurde aber sehr geschätzt.

2016 hat Pistor 105 100 Tonnen Ware ausgeliefert, 0,8 % mehr als im Vorjahr. Wie sieht es in unserer Branche aus?

Wir haben in der Branche die Überflieger, die hart arbeiten und hervorragend sind. Aber wir haben Kunden, die auch wirklich „chrampfen“ und um ihren Umsatz kämpfen müssen. Das Bild in der Bäckerbranche ist sehr unterschiedlich.

Sie schreiben in Ihrer Medienmitteilung von neuen Liefer- und Dienstleistungsvereinbarungen mit neuen Kunden in der Gastronomie. Neu beliefern Sie auch Heime und Spitäler mit Nonfood-Produkten. Gibt es noch weitere Partnerschaften?

Es ist uns gelungen, mit unserem grössten Kunden in der Gastronomie, dem SV Schweiz, einen neuen Mehrjahresvertrag auszuhandeln. Dies ist eine gute Basis für die Verhandlungen mit unseren Lieferanten. Wir haben im Weiteren ein spannendes regionales Projekt mit einer Tourismusregion, wo fast 20 Hotels gebündelt mit einem neuartigen Bezugsmodell ihre Waren bei uns beziehen. Die regionalen Anbieter werden eingebunden.

Sie sind mit der Entwicklung in der Gastronomie zufrieden. Wie sieht es in unserer Branche aus?

Ja, mit der Entwicklung im Segment Gastronomie sind wir sehr zufrieden. Wenn man den Strukturwandel in der Bäcker-Confiserie betrachtet, sind wir auch hier zufrieden. Es gibt selbstverständlich immer Verbesserungspotenzial.

Im Segment Bäckerei sind gemäss Medienmitteilung die Kundenbeziehungen intensiviert worden. Wie und wo haben Sie dies erreicht?

Wir haben vor mehreren Jahren festgestellt, dass unsere Organisation den Bedürfnissen der Bäcker-Confiseuren nicht mehr genügt. Unsere Kunden verändern sich. Wir haben immer mehr Kunden, die Filialen führen, die wachsen. Diese Kunden haben andere Ansprüche als Betriebe, wo der Unternehmer selber noch die Beschaffungsarbeit erledigt. Wir haben im Verkauf das Key-Accounting eingeführt. Diese KAM-Mitarbeitenden kümmern sich um die Bedürfnisse der grösseren Kunden.

Mit PistorPlus können auch Früchte und Gemüse von Partnern aus der Region bestellt werden. Welchen Nutzen haben die Betriebe unserer Branche?

Wir vereinfachen den gesamten Abrechnungsprozess unserer Kunden: Sie beziehen vom regionalen Gemüse- und Früchteproduzenten die Waren aus der eigenen Region, die wir nicht an Lager haben können. Dies ist sehr ökologisch, regional und im Trend.

Wie ist das Projekt angelaufen?

Wir sind sehr überrascht, wie viele Produzenten und Kunden bereits von diesem Angebot Gebrauch machen. Es ist sehr gut angelaufen.

Was heisst dies in Zahlen?

Wir verzeichnen mehrere Millionen Franken Umsatz. Und dies bereits nach dem ersten Jahr. Das ist wirklich ein grosser Erfolg.

Pistor bietet neu ab Mai auch Insekten an, habe ich gelesen…

… wir haben einen breit gefächerten Kundenstamm. Es gibt ein entsprechendes Bedürfnis nach exklusiven Produkten. Neu bieten wir Insektenkochkurse an. Ob wir dann mal Insektenprodukte an Lager führen, werden wir sehen.

Aber es ist Aufgabe eines Unternehmens wie Pistor, Innovationen und Trends aufzugreifen. Am Kunden ist es zu entscheiden, ob er dies in seinem Sortiment aufnehmen will oder nicht.

Auf dem Markt der Online-Lieferdienste gibt es immer mehr Player…

…Ja, tatsächlich, solche Unternehmen schiessen wie Pilze aus dem Boden.

Welche Rolle spielt hier die Branche?

Das Verhalten der Konsumenten wird die Branche dazu bringen, neue Angebote zu schaffen. Dies ist eine Riesenchance! Ich bin überzeugt, dass in Zukunft sehr viele Betriebe ein Online-Angebot haben werden. Schauen Sie nur, wie viele Pizzafirmen einen Online-Lieferdienst anbieten. Noch vor drei Jahren existierte dies praktisch nicht.

Pistor ist letztes Jahr bei farmy.ch eingestiegen. Welchen Erfahrungen haben Sie gemacht?

Es handelt sich um eine kleine, strategische Beteiligung. Wir haben kein Interesse, farmy zu übernehmen. Wir werden auch nicht in dieses Business einsteigen. Start-ups sind agiler als herkömmliche Unternehmen mit einer grossen Tradition. Sie sind auch bereit, mehr Risiko einzugehen. So können wir voneinander lernen.

Pistor setzt nicht nur auf die digitale Bestellung, sondern bietet ihren Kunden auch eine Auswertung im Kundenportal und einen elektronischen Datenaustausch an, etwa bezüglich Deklaration und Rezepturen. Wo liegen hier die Vorteile für Ihre Kunden?

Aufgabe der Pistor ist es, unsere Eigentümer überall dort zu entlasten, wo sie nicht ihre Kernkompetenzen haben. Ihre Aufgabe ist es, ausgezeichnete Gastgeber zu sein und qualitativ hochstehende Produkte herzustellen. Mit verschiedenen digitalen Hilfsmitteln bieten wir den Kunden Möglichkeiten, um den administrativen Aufwand zu verringern. Ein einfaches Beispiel hierfür ist unser Online-Shop, mit welchem unsere Kunden den Bestellprozess vereinfachen können.

Muss ein Kunde künftig, wie beispielsweise bei den Banken, für eine Fax- oder Telefonbestellung einen Zuschlag bezahlen, weil der Aufwand für Pistor grösser ist?

Wir werden keinen Zuschlag verlangen. Aber wir überlegen uns, die Kunden zu honorieren. Weshalb nicht etwas, was uns weniger Kosten verursacht, belohnen?

Wie sieht die Konkurrenzsituation für Pistor in der Schweiz aus?

Wir stellen fest, dass Migros und Coop alles zusammenkaufen. Das neuste Beispiel ist Lüchinger + Schmid, das neu Migros gehört. Die Landschaft wird immer öder. Es gibt immer weniger unabhängige Unternehmen. Dies erschwert den Wettbewerb erheblich.

2016 wurde bei Pistor die 500-er Marke der Zahl der Mitarbeitenden überschritten. In welchen Bereichen wurden am meisten Stellen geschaffen?

Wir wachsen in zwei Bereichen: Die Logistik wird intensiver, entsprechend brauchen wir mehr Chauffeure. Im digitalen und strategischen Marketing und im Geschäftsbereich Care haben wir ebenfalls zusätzliche Stellen geschaffen.

Unsere Stellenprofile verändern sich. Ein Beispiel: Die Telefon- und Faxbestellungen gehen zurück. Hingegen benötigen wir mehr Personal in der Beratung und Analyse. Es wird auch künftig Veränderungen geben.

Mehr Mitarbeitende, höhere Tonnage – das heisst der Platzbedarf steigt…

…ja, dies bedingt mehr Platz und andere Technologien. In unserem neusten Ausbauschritt, dem Warenumschlagszentrum Mitte, wird eine ganz neue Technologie zum Einsatz kommen. Hier werden künftig die Frischeprodukte gelagert werden. Da besteht eine grosse Nachfrage bei unseren Kunden. Wir haben grosse Hoffnungen, dort ein grosses Potenzial zu schaffen.

Auch in Rothenburg wird der Platz eng. Es ist sehr schwierig, neues Bauland zu kriegen. So werden wir in Zukunft eher in die Höhe bauen.

Gibt es Pläne in ferner Zukunft?

(lacht) Die aktuelle Dynamik ist unglaublich hoch. Aussagen über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahre zu machen, ist fast ein bisschen unglaubwürdig. Aber was ich weiss ist, dass diese Firma eine gesunde Zukunft vor sich hat, vorausgesetzt man lässt sie wirken und sie bleibt agil. Ich bin überzeugt, dass Pistor in fünf Jahren anders aussehen wird als heute. Es wäre auch nicht gut, wenn sie sich nicht verändern würde.

Wo muss sich Pistor künftig verbessern? Wo herrscht Nachholbedarf?

Wir müssen sicher die Veränderung vom Markt erkennen und uns entsprechend den Kundenbedürfnissen anpassen. Genau gleich müssen wir dies für unsere Eigentümer, unsere Branche machen und mitprägen. Trotz unserer Grösse, trotz dem Veränderungsdruck müssen wir allerdings darauf achten, dass wir verstanden werden, dass uns unsere Eigentümer verstehen.

An der FBK ist die SBC-Trend-Studie präsentiert worden. Welche Schlüsse zieht Pistor daraus?

Es ist eine ausgezeichnete Studie und ich begrüsse es sehr, hat der Verband diese veröffentlicht. Sie hat mir bestätigt, dass der Veränderungsdruck auf die Branche enorm ist. Aber sie zeigt auch, dass die Branche eine Zukunft hat, wenn man die Aufgaben richtig anpackt. Für uns heisst es, mithelfen, mitgestalten. Wir sind aber alle gefordert: Pistor, die Betriebsinhaber, der Verband, die Verbandsinstitutionen, die Zulieferer.

Welches sind Ihre Wünsche an die Branche und an Ihre Kunden im Speziellen?

Ich wünsche mir am allermeisten, dass die Unternehmer für sich eine positive Zukunft sehen, einen Weg, auf welchem sie erfolgreich sein können.

Ich wünsche mir aber auch, dass die Unternehmer merken, dass die Steuerung des Betriebs wichtiger ist, als selber in der Backstube zu stehen, dass sie sich auf die Aufgabe als Unternehmer konzentrieren.

Das könnte Sie auch interessieren

Mit 500 Backversuchen zu glutenfreien Produkten