Brot-Sommelièren und Brot-Sommeliers gehören heute noch zu einer raren Spezies. Und doch ist ihre Expertise immer häufiger gefragt; Food-Pairing ist aktueller denn je. Doch um den absoluten Genuss zu erlangen, ist ein spezifisches Know-How unabdingbar. Es erfordert sozusagen eine ganze Aromabibliothek im Kopf. Urs Röthlin hat im November 2023 die Ausbildung zum Brot-Sommelier erfolgreich bestanden und erzählt uns aus erster Hand von der bereichernden Erfahrung.

Was hat dich dazu bewogen, die Ausbildung zum Brot-Sommelier zu machen?

«Ich wollte meinen Horizont erweitern. Besonders im Bereich der Sensorik sowie der Brot- und Mehl-Geschichte war es mir ein Anliegen, mein Know-How zu vertiefen. Den Kurs in Deutschland zu besuchen, stellte einen weiteren Ansporn dar. Denn so musste ich meine Komfortzone verlassen und gleichzeitig erhielt ich die Möglichkeit, einen Einblick in eine andere Schule und deren Arbeitsweise zu erhalten. Den Kurs zusammen mit Gregor Maier und Marcel Paa zu besuchen, war ein grosser Mehrwert, weil wir uns bereits aus der höheren Fachprüfung kannten und somit bereits ein gut eingespieltes Team waren.»

Wie hoch war der Zeitaufwand für die Ausbildung?

«Ausbildung und Prüfungen zur Brot-Sommelière oder zum Brot-Sommelier erfolgen an der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Weinheim berufsbegleitend und erstrecken sich über ein ganzes Jahr, in der Regel von Januar bis November. Der Kurs besteht aus acht Präsenzmodulen à je drei Tagen. Der Aufwand für das Verarbeiten des Unterrichtsmaterials, die Prüfungsvorbereitungen und die Diplomarbeit dürfen ebenfalls nicht vergessen werden – eine genaue Abschätzung des Zeitaufwands ist jedoch sehr schwierig und auch sehr individuell.»

Urs Röthlin, Brot-Sommelier sowie Leiter Bäckerei und Feinbäckerei, Fachschule Richemont

Was war für dich die grösste Herausforderung während der Ausbildung?

«Die Diplomarbeit. Sie musste 40 bis 60 Seiten umfassen. Das bedeutet ein hoher Aufwand an Recherche und eine grosse Menge an zu verarbeitendem Material. Eine weitere Herausforderung für uns Schweizer war auch die Verbandskunde über den Deutschen Bäckerverband und das Wissen über dessen Aufbau. Aus nachvollziehbaren Gründen war das Verständnis bei diesem Thema nicht gleich gross wie bei den deutschen Kolleginnen und Kollegen.»

Was war das Thema deiner Projektarbeit und wieso hast du dieses gewählt?

«Ich wollte mich mit dem Thema Sauerteig auseinandersetzen. Aus der Fruchtsaftkonservierung ist mir ein System bekannt, bei dem Apfelsaft unter Druck gelagert werden kann und so nicht weiter fermentiert. Diese Methode wollte ich auf den Sauerteig übertragen. Leider hat es nicht funktioniert und meine Fragestellung konnte klar mit ‹Nein› beantwortet werden: Es ist nicht möglich, Sauerteig unter Druck zu konservieren.»

Was ist für dich der grösste Mehrwert der Ausbildung und des neu erworbenen Titels?

«Ich konnte mir ein grosses Wissen über diverse Brotspezialitäten aneignen, was mir nun ermöglicht, besser über Brot zu sprechen und Brote exakt zu beschreiben. Ebenfalls lernte ich, worauf beim Food-Pairing zu achten ist, um die perfekte Kombination zu kreieren. Brot soll immer die gleiche Bedeutung wie den anderen Speisen beigemessen werden. Die Geschichte des Brotes ist aus meiner Sicht ein sehr spannendes Kapitel. Es gibt kaum andere Lebensmittel, die eine so lange Geschichte aufweisen können und über die so viel geschrieben wird wie über Brot. Sogar die Bibel misst dem Brot die nötige Wichtigkeit bei und setzt es gar als Synonym für das Leben ein.»


Ausbildung zum Brotsommelier
Im April 2024 startet in der Richemont die haus­eigene Ausbildung zur Brot-Sommelière und zum Brot-Sommelier. Informationen und Anmeldung….»


Was bedeutet es für die Richemont Fachschule eine Ausbildung zur Brot-Sommelière oder zum Brot-Sommelier anbieten zu können?

«Vor fast zehn Jahren lancierte die Richemont Fachschule einen sehr ähnlichen Kurs, der zu dieser Zeit jedoch leider keinen grossen Anklang fand. Die Verbreitung des Titels ‹Brot-Sommelière / Brot-Sommelier› hat zu einer Kehrtwende geführt – und auf diesen Trend würden wir gerne aufspringen. Deutschland hat es vorgemacht: Die Absolventen und Absolventinnen der Ausbildung können sich nun sehr gut in der Öffentlichkeit präsentieren. Unser Ziel ist es, Schweizer Bäcker*innen ebenfalls zu motivieren, mehr über ihre Brote und ihre Arbeit zu sprechen.»

An wen richtet sich der Kurs zur Brot-Sommelière oder zum Brot-Sommelier? Welches Vorwissen wird vorausgesetzt?

«An die gesamte Branche. Die Förderung des Handwerks steht klar im Vordergrund und somit richtet sich die Ausbildung an alle, die einen Berufsprüfungsabschluss haben oder Geschäftsinhaber der Branche sind. Um die Ausbildung zu besuchen, ist ein Lehrabschluss als Bäcker-Konditor-Confiseur mit Weiterbildung zum Chef Bäcker-Konditor-Confiseur oder Geschäftsinhaber der Branche erforderlich.»

Was für einen Abschluss erhalten die Absolventen und Absolventinnen der Ausbildung?

«Der Titel heisst ‹Geprüfte Brot-Sommelière / Geprüfter Brot-Sommelier›. Der Abschluss ist kein eidgenössisches Diplom, der Titel wird von der Handelskammer Mannheim verliehen.»

Was können die Absolventinnen und Absolventen von der Ausbildung erwarten? Was ist das Ziel der Ausbildung?

«Die Ausbildung setzt einen klaren Fokus und bleibt dennoch sehr vielfältig. Sie vermittelt ein fundiertes Wissen über Sensorik und Food-Pairing und lehrt viel über die Geschichte des Brotes und Getreides. Jede Absolventin und jeder Absolvent lernt, Brote aus den unterschiedlichsten Ländern zu unterscheiden, das eigene Brot zu präsentieren und beschreiben sowie gekonnt über dessen Geschichte zu referieren.»

Interview aus dem Richemont Fachblatt Nr1/2024

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