Wieviel Protein und in welcher Qualität wird Weizen für die Herstellung von Backwaren benötigt? Diese Frage wurde am Symposium der Internationalen Gesellschaft für Getreidewissenschaft und -technologie Austria (ICC-Austria) und dem Departement für Lebensmittelwissenschaften und -technologie der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien erörtert. Alfred Mar, Lehrbeauftragter an der Universität für Bodenkultur und Präsident der ICC-Austria hat für «Panissimo» das Wichtigste zusammengefasst:

Veranstalter des ICC-Austria Symposiums v.l.n.r.: Prof. Dr. Roland Ludwig, BOKU, Dr. Elisabeth Reiter, AGES und ICC-Austria, Prof. Dr. Regine Schönlechner, BOKU und ICC-Austria, DI Alfred Mar, BOKU und ICC-Austria
Veranstalter des ICC-Austria Symposiums v.l.n.r.: Prof. Dr. Roland Ludwig, BOKU, Dr. Elisabeth Reiter, AGES und ICC-Austria, Prof. Dr. Regine Schönlechner, BOKU und ICC-Austria, DI Alfred Mar, BOKU und ICC-Austria

Mit wissenschaftlichem Interesse und in kritischer Betrachtung blickt die Getreide-
wissenschaft auf die Erntequalitäten von österreichischem Weizen. Besonders seit Mitte des letzten Jahrzehnts wird im Qualitätsweizengebiet im Pannonikum im Osten Österreichs eine signifikante Tendenz zu steigenden Proteingehalten bei gleichzeitig abnehmenden Hektarerträgen festgestellt. Steigende Proteinwerte führen zu entsprechend höheren Gehalten am technologisch qualitätsentscheidenden Gluten, dessen Qualität sich deutlich in Richtung zunehmende Elastizität entwickelte, was in der Bäckereitechnologie bereits zu Verarbeitungsproblemen führte, Stichwort «bockige Teige». Ganz besonders betroffen zeigt sich die Erzeugung von feinen Backerzeugnissen, allen voran Waffeln und Kekse. Die Frage stellte sich daher, wieviel Protein und in welcher Qualität wird Weizen für die Herstellung österreichischer Backerzeugnisse aus heimischem Hauptrohstoff benötigt?

Klimawandel und Proteinwerte

Manfred Weinhappel, Landwirtschaftskammer Niederösterreich, stellte einen klaren Zusammenhang zwischen den in den letzten zehn Jahren steigenden Proteinwerten Richtung Premiumweizen und dem Klimawandel her, wobei besonders die steigenden Temperaturmittelwerte ausschlaggebend sind. In einer gleichzeitigen Entwicklung nehme die Bodenbonität ab, was zur zukünftigen Reduktion der Weizenanbauflächen und somit zur Ertragsreduktion führen werde. Mit den Klimaschutzmassnahmen des Green Deals der EU erfolge die Zielsetzung einer Düngemittelreduktion um 20 %, was einen Beitrag zur Reduktion der Proteinwerte leisten könne. Gleichzeitig werden nationale Programme zur weiteren, teils freiwilligen Reduktion der Stickstoffdüngung gestartet. Beispiele dazu, wie Nitrataktionsprogramm, umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) und Grundwasserschutz werden daher nicht nur Klima- und Umwelteffekte zeigen, sondern auch zur Reduktion des Proteingehalts im Weizen beitragen. Verstärkt werde dieser Trend durch die steigenden Energiepreise, die stark steigende Preise für Düngemittel bedeuten. Über allem steht jedoch die gesellschaftliche Entwicklung mit der Erwartungshaltung der Konsumentinnen und Konsumenten nach österreichischem Getreide in Backerzeugnissen.

Franziska Löschenberger, Saatzucht Donau, bestätigte aus den vorigen Anforderungen abgeleitet die Züchtungsziele nach einer möglichst hohen Nährstoffnutzung, die in gleichbleibenden Proteingehalten bei höheren Hektarerträgen resultieren sollten. Weiter steht die höhere Backfähigkeit bei geringeren Proteinwerten als wichtiges Ziel fest. Selbstverständlich bewege sich die Genetik im Rahmen der rechtlichen Vorschriften. Als Schnellmethode zur Feststellung der Backfähigkeit wurde die Glutopeak-Methode von Brabender ins Treffen geführt. Aus österreichischer Sicht ist auch im Hinblick auf den Green Deal der EU auf eine Zunahme der Züchtung von Sorten für den Bio-Landbau hinzuweisen.

Sortenzulassung

Stefano D´Amico (AGES) berichtete über ein Projekt, in dem die Unterschiede von Biosorten im Zulassungsverfahren gegenüber konventionellen untersucht wurden. Der geringere Proteingehalt von Biosorten zeigte sich erwartungsgemäss in der reduzierten Wasseraufnahme und auch im geringeren Backvolumen. Die Kennzahlen zur Bewertung von Weizensorten für den konventionellen Anbau eignen sich daher nur bedingt für Biosorten. Vorgeschlagen wurde als modifizierte Kennzahl das spezifische Backvolumen je Gramm Protein. Besonders wurde darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Projekt die Knetung beim Semmelbackversuch mit dem Spiralkneter im Vergleich mit dem Rapid-Mix-Test erfolgte. Dabei wurde die Knetzeit anhand der Teigstabilität aus dem Farinogramm variabel eingestellt.

Proteingehalte bei Backwaren

Peter Stallberger, GoodMills Österreich, beleuchtete das Thema aus praktischer Sicht der Bäcker. Zunächst hob er am Ende der Wertschöpfungskette die Konsumentenwünsche hervor, die sich auf Gesundheitswert, Geschmackswert und auch auf Modetrends in der Ernährung, wie z.B. alte Getreidesorten, beziehen, keineswegs aber auf Proteingehalte. Für die Qualität des Backergebnisses ist neben Protein bzw. Gluten besonders auch die Beschaffenheit der Stärke mit über 60 % Anteil an den Mehlinhaltsstoffen und die Enzymaktivität ausschlaggebend. Gerade die Weizenernten der letzten Jahre zeigten wegen klimabedingter Trockenheit aber besonders geringe Enzymaktivitäten. Letztendlich verwies Peter Stallberger auf die hohen elastischen Kräfte der Hochproteinweizen, die zu den in der Einleitung angeführten «bockigen Teigen» mit schlechter Formbarkeit führen.

Karl Tiefenbacher, T-Consulting und BOKU, ging auf die speziellen Bedürfnisse der Waffelhersteller auf Weizenmehle mit einem Proteingehalt von nur 9 bis 10 % ein. Dabei muss die Agglutination, die zu einem Verstopfen der Düsen zum Auftragen der Waffelmassen mit hohem Wassergehalt führen würde, unbedingt vermieden werden. Bei diesem allfälligen Aggregieren von Molekülen spielen neben Proteinen auch Pentosane, Arabinoxylane, eine wichtige Rolle.

Podiumsdiskussion und Take Home Message

In der abschliessenden Podiumsdiskussion stellten sich Johann Birschitzky, Saatzucht Donau, Martin Holzmann, Bäckerei Haubi´s, Klemens Mechtler, AGES, und Peter Stallberger, GoodMills, den Fragen der Teilnehmenden. In abschliessenden Statements wurde zusammengefasst, dass in den letzten Jahrzehnten in den Modulen entlang der Wertschöpfungskette, Saatzucht, Landwirtschaft, Mühlen und Backwarenerzeuger herausragende Ergebnisse zur Produktion von hochqualitativen Backerzeugnissen aus Weizen mit stetig zunehmendem Proteingehalt erzielt wurden. Der Klimawandel und die damit im Zusammenhang stehenden Gegenmassnahmen verlangen jedoch eine adaptierte Vorgehensweise entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Geringere Ausbringung von Düngemitteln wird einerseits Klima und Umwelt schonen, andererseits aber auch neue Anforderungen an die Saatzucht und die Sortenzulassung stellen. Die zukünftigen Qualitätsziele von Backwaren für den österreichischen Markt verlangen eine Fokussierung auf die für die jeweiligen Endprodukte optimierten Backqualitäten. Diese und nicht die Proteingehalte allein müssen in einem neuen Preisregime für alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette zufriedenstellend gestaltet werden. Dazu wird es unbedingt erforderlich sein, nach der mit diesem Symposium erfolgten Initiative der ICC-Austria in weiterer Folge Round-Table Gespräche mit allen Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette bis zur Erzielung der erforderlichen Ergebnisse zu führen.

ADI Alfred Mar, Lehrbeauftragter an der Universität für Bodenkultur, Präsident der ICC-Austria

Das könnte Sie auch interessieren

Ein wenig Schweiz in der chilenischen Bäckerei-Konditorei-Branche – Teil 1