Die Generalversammlung der Pistor Holding Genossenschaft kann auch dieses Jahr Pandemie-bedingt nicht stattfinden. Es gibt erneut eine Urabstimmung. Wie geht es Pistor nach dem einschneidenden Corona-Jahr? Wie sieht die Zukunft aus? «panissimo» befragt Präsident Daniel Eichenberger und CEO Markus Lötscher.

Vor einem Jahr stellten wir Ihnen die Frage: «Müssen die Genossenschafterinnen und Genossenschafter um die Existenz von Pistor bangen?» Ihre Antwort lautete: Nein. Dies war zu Beginn der Pandemie. Wie sieht es heute aus?
Markus Lötscher: Auch in dieser schwierigen Zeit wurde die Existenz von Pistor nie gefährdet. Man kann sogar noch klarer sagen, dass das Geschäftsmodell auch in schwierigen Zeiten funktioniert. Und ich bin überzeugt, dass wir gestärkt aus der Krise kommen.

Daniel Eichenberger: Ich sehe es genau gleich. Wir sind sehr stabil aufgestellt. Die Marktsituation bleibt jedoch herausfordernd. Wir sind überzeugt, dass wir nach der Krise an die Erfolge der Vorjahre anknüpfen können.

In den letzten Jahren war die gewerbliche Bäckerei-Confiserie-Branche das Sorgenkind der Pistor und die Gastronomie auf Erfolgskurs. Wie zeigt sich die Situation zurzeit?
D. E.:
Da muss ich widersprechen. Die Bäckereibranche ist und war nie ein Sorgenkind. Das B-Segment (Anm. Redaktion: Bäckerei-Segment) ist im Jahr 2019 gewachsen. Dies finde ich sehr wichtig zu erwähnen. Natürlich war es in der Vergangenheit schwieriger, im B-Segment an Grösse zuzulegen, da wir dort schon sehr stark vertreten sind. Und deshalb ist auch klar, dass das G-Segment (Gastronomie-Segment) stärker gewachsen ist und uns gestützt hat.

M. L.: Der Ausdruck Sorgenkind stimmt ganz klar nicht. Es wäre fatal, wenn wir die Eigner von Pistor als Sorgenkinder bezeichnen würden. Fakt ist jedoch, dass die Gastronomie in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Doch die Bäckereibranche ist noch immer das stärkste und grösste Segment von Pistor.
In der Corona-Krise hat die Gastronomie insgesamt stärker gelitten als unsere Eigner. Klar gibt es auch in der B-Branche Fälle, die stark unter dieser Krise leiden. Einige Bäckereibetriebe konnten jedoch von dieser Krise profitieren – es gibt viele Unterschiede innerhalb der Branche. Grösste Sorge bereitet momentan die Systemgastronomie, die starke Einbussen aufgrund der Corona-Krise verzeichnet.

Was heisst dies in Zahlen?
M. L.:
Der Gesamtumsatz der Pistor AG von 535,4 Mio. CHF bricht im Vergleich zum Vorjahr um 17,1 % ein. Gegenüber 2019 verliert das Gastronomiesegment 59,1 Mio. CHF, das Bäckereisegment 51,5 Mio. CHF. Bäckereien und Confi­serien machen 56 %, Gastro-Betriebe 44 % des Gesamtumsatzes aus.

Welche Folgen hat dies für die Genossenschafterinnen und Genossenschafter?
M. L.:
Keine grossen Auswirkungen. Die Genossenschafterinnen und Genossenschafter können beruhigt sein. Pistor war immer in der Lage, den Versorgungsauftrag zu erfüllen – das Business-Modell bewährt sich. Sie können sich auch in Zukunft auf Pistor verlassen.

Pistors Beitrag an die gewerbliche Branche ist gross. Gibt es da aufgrund dieser Krise Korrekturen?
D. E.:
Nein, wir halten an den jährlichen Rückvergütungen fest und strahlen Kontinuität aus. Während des Lockdowns unterstützte Pistor ihre Kunden und Genossenschafter mit zusätzlichen Massnahmen. Im Rahmen eines Hilfspakets an die Genossenschafterinnen und Genossenschafter erhöhte Pistor einmalig die Rückvergütung. Zudem hat das Jahr 2020 keinen Coronabedingten negativen Einfluss auf den Kundenbonus. Der Kundenbonus für das Jahr 2021 berechnet sich auf Basis der Werte von 2019.

«Die Bäckereibranche ist und war nie ein Sorgenkind.»
Daniel Eichenberger

Wie sieht die Situation bei den Mitarbeitenden von Pistor aus? Wie viele hatten noch Kurzarbeit? Wie viele waren im Homeoffice? Mussten Stellen abgebaut werden?
M. L.:
Pistor ergriff Massnahmen, um ihre Mitarbeitenden zu schützen. Bereits zu Beginn der Pandemie hat sie auf die Kosten geachtet. Zwischen März und Mai waren bis zu 75 % der Belegschaft in Kurzarbeit (teilweise reduzierte Arbeitszeit). Ende Jahr verrichteten rund 35 % Kurzarbeit; vor allem in der Logistik und Disposition. Bezüglich Home­office richtete unsere IT-Abteilung innerhalb kürzester Zeit zirka 200 Homeoffice-Arbeitsplätze ein.

D. E.: Wir haben ausserdem einen Einstellungsstopp ausgesprochen. Dieser dauerte vom Frühjahr 2020 bis Herbst 2020. Dank dieser Massnahmen konnte Pistor alle Arbeitsplätze erhalten.

«Der Zusammenhalt zwischen Pistor und den Genossenschafter/innen konnte in der Krise gestärkt werden.»
Markus Lötscher

Wie sieht die Situation aktuell aus?
M. L.:
Aktuell sind 53 % der Mitarbeitenden, vor allem aus Logistik, Distribution, Verkauf und Personalrestaurant, in Kurzarbeit und zirka 200 Personen im Homeoffice. Projekte und Investitionen sind zurückgestellt, Kosten sind auf ein Minimum reduziert.

Vor einem Jahr stellten wir die Frage, wo Pistor Verbesserungspotenzial sieht. Sie nannten die Digitalisierung und die Struktur im Management. Wo stehen Sie in diesen Bereichen heute?
D. E.:
Diese Themen sind natürlich ein ständiger Begleiter. Die Digitalisierung ist ein fortlaufender Prozess, der uns in Zukunft stark beschäftigen wird. Wichtig ist auch, das Potenzial in den verschiedenen Bereichen zu erkennen. Wir haben schon vieles erreicht, müssen aber in Zukunft noch viel investieren.

M. L.: Ich würde sagen, dass die Pandemie die Digitalisierung in gewissen Bereichen stark beschleunigt hat. Ich meine, wer konnte sich vor einem Jahr vorstellen, wie gut Videokonferenzen oder Homeoffice funktionieren? Das war eine Überraschung. Wie Daniel schon gesagt hat, es ist ein stetiger Prozess. Natürlich kostet uns die Digitalisierung auch viel Geld. Wir sind zuversichtlich, dass diese Investitionen die Prozesse und die Cybersicherheit von Pistor verbessern. Auch in der Logistik wird es in den nächsten Jahren einen grossen Wandel geben. Aktuell sind wir mit dem Tempo zufrieden, mit dem die Digitalisierung bei Pistor voranschreitet.

Pistor will eine angrenzende Landreserve umzonen und ausbauen und damit den Warenumschlag erhöhen. Bleibt Pistor im Zeitplan oder verzögert sich dies wegen der Corona-Krise?
M. L.:
Der Prozess wurde angestossen und die Gemeinde Rothenburg wird im Februar 2022 über die Umzonung abstimmen. Diese Umzonung ist Teil unseres langfristigen Masterplans – darin kann sich in den nächsten Jahren noch viel ändern. Mit dieser Landfläche stellen wir das Wachstum von Pistor in den nächsten 25 Jahren sicher.

Wie sieht Ihr Blick in die Zukunft aus – mittelfristig mit CEO Markus Lötscher, langfristig mit seinem Nachfolger?
M. L.: Der Zusammenhalt zwischen Pistor und den Genossenschafterinnen und Genossenschaftern konnte in der Krise gestärkt werden. Pistor hat eine starke Verbindung zur B-Branche. Wir haben eine Strategie sowie viele Ideen und bangen, bis diese Krise vorbei ist.

D. E.: Ich bin überzeugt, dass wir gestärkt aus dieser Krise herauskommen und an vergangene Erfolge anknüpfen. Das B-Segment konnten wir mit den getroffenen Massnahmen stärken. Wir wollen in Zukunft mehr in das Care-Segment investieren. Durch den bevorstehenden CEO-Wechsel wird es keine grundlegenden Änderungen bezüglich der Ausrichtung von Pistor geben; dafür sind die Vorgaben des Verwaltungsrates klar. Natürlich wird der neue CEO seinen eigenen Weg gehen wollen, und das ist richtig so und erwarten wir auch.

Artikel zum Jahresergebnis

Trotz Umsatzeinbruch zufrieden…»

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