Mit den Schlussabstimmungen hat die dreiwöchige Sommersession des Parlaments geendet. National- und Ständerat haben zehn Vorlagen unter Dach und Fach gebracht.

Das Wichtigste für unsere Branche aus der Sommersession:

Ständerat stärkt allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsverträge

Der Ständerat will, dass Bestimmungen eines allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrags (ave GAV) zu Mindestlohn, 13. Monatslohn und Ferienanspruch wider anderslautende Bestimmungen der Kantone vorgehen. Er hat eine entsprechende Motion angenommen. Eine breite Allianz aus 27 Wirtschafts- und Branchenverbänden, zu denen auch der SBC gehört, begrüsst diesen Entscheid.

Die Vorgeschichte

Der Ständerat hat am 14. Juni die Motion Ettlin «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen» beraten (20.4738). Nachdem er die Motion Baumann (18.3934) und einen generellen Vorrang von allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen (ave GAV) gegenüber kantonalen Bestimmungen im Jahr 2019 abgelehnt hatte, nahm er den Kompromissvorschlag von Ständerat Erich Ettlin an. Der Vorstoss verlangt, dass die Bestimmungen eines ave GAV zu Mindestlohn, 13. Monatslohn und Ferienanspruch wider anderslautende Bestimmungen der Kantone vorgehen. Bei allen anderen arbeitsrechtlichen Bestimmungen behalten die Kantone das Recht, selbst in ave GAV einzugreifen.

Der Ständerat hat sich mit der Annahme klar zur Sozialpartnerschaft bekannt. Kantonale Eingriffe gefährden die Sozialpartnerschaft Die Sozialpartnerschaft ist ein Erfolgsmodell und garantiert den sozialen Frieden seit über 100 Jahren. Die allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträge sind ein unverzichtbarer Teil der Sozialpartnerschaft. Diese Gesamtarbeitsverträge sind nicht nur Vereinbarungen zwischen Privaten, sondern aufgrund eines Beschlusses des Bundesrates für die gesamte Branche verbindlich. Einseitige kantonale Eingriffe, die einzelne lohnrelevante Bestimmungen der ave GAV aushebeln, untergraben die Allgemeinverbindlicherklärungen des Bundesrates. Das erschwert insbesondere überregional tätigen Unternehmen die Tätigkeit und führt zu grosser Rechtsunsicherheit für die Unternehmen. Zudem benachteiligt es die Branchen mit ave GAV gegenüber denjenigen ohne ave GAV.

Die Wirtschaft steht geschlossen hinter der Motion Ettlin Seit dem höchst umstrittenen Bundesgerichtsurteil vom 21. Juli 2017 können kantonale Regelungen die Bestimmungen eines ave GAV jederzeit aushebeln. In der Folge drängte sich eine Klärung des Vorrangs zwischen ave GAV und kantonalen Bestimmungen auf. Deshalb haben sich 27 Wirtschafts- und Branchenverbände zu einer Allianz zusammengeschlossen und setzen sich für die Annahme der Motion Ettlin ein. Als nächstes wird die Motion in der WAK-N beraten.

Gesamtarbeitsverträge

Die paritätischen Kommissionen der für allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge (GAV) sollen offenlegen müssen, wie sie ihre finanziellen Mittel einsetzen. Das verlangt das Parlament mit einer Motion. Der Ständerat überwies den Vorstoss der Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK-N) oppositionslos. Die Motion verlangt, dass die paritätisch besetzten Kommissionen der allgemeinverbindlich erklärten GAV verpflichtet werden, Jahresberichte vorzulegen. Sie sollen darin Rechenschaft ablegen über die Zweckbindung der Mittel im Fondskapital und über deren Verwendung. Der Bundesrat lehnte die Motion ab und verwies dabei auf die heutigen Vorgaben zur Transparenz.


Steuern

Unternehmen sollen Verluste aus zehn statt aus sieben der Steuerperiode vorangegangenen Geschäftsjahren abziehen können. Das fordert das Parlament mit einer während der Coronavirus-Pandemie eingereichten Motion. Heute können Unternehmen Verluste aus sieben der Steuerperiode vorangegangenen Geschäftsjahren abziehen. Dies kann dazu führen, dass Unternehmen einen Teil der Verluste nicht verrechnen können. Die Verlängerung oder Aufhebung der Frist für die Verlustverrechnung wird seit längerer Zeit diskutiert. Der Ständerat überwies mit 24 zu 15 Stimmen eine Motion der Wirtschaftskommission des Nationalrates, die eine Fristerstreckung auf zehn Jahre verlangt.


Altersvorsorge

Nach einem veritablen Coup des Urner FDP-Ständerats Josef Dittli geht die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) in eine Zusatzschlaufe. Der Ständerat hat einen Rückweisungsantrag von Isabelle Chassot (Mitte/FR) mit 28 zu 15 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen und das Paket erneut in die Kommission zurückgeschickt. Diese soll einen Kompromissvorschlag Dittlis zur Kompensation der Übergangsgeneration prüfen. Er will beim Anrechnungsprinzip für die Übergangsgeneration eine Schwelle einführen: Wer ein Vorsorgekapital von bis zu 215’100 Franken angespart hat bis zur Pensionierung, würde auf jeden Fall einen Kompensationsbeitrag erhalten. Wer über diesem Betrag liegt, für den würde das normale Anrechnungsprinzip gelten, wie es der Nationalrat beschlossen hat.

Familienzulagen

Beide Räte halten fest, dass auf kantonaler Ebene weiterhin markante Unterschiede bezüglich des Lastenausgleichs für die Finanzierung der Familienzulagen bestehen. Die Motion «Familienzulagen. Für eine faire Lastenverteilung» wird mit Zustimmung beider Räte und entgegen dem Antrag des Bundesrates nicht abgeschrieben.

Landwirtschaft

Für Werbung für Fleisch sowie für Eier- und Milchprodukte sollen weiterhin Steuermittel zur Verfügung stehen. Der Ständerat hat zwei Petitionen für die Streichung der staatlichen Absatzförderung abgelehnt.


Pestizide

Der Nationalrat fordert Schritte gegen Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in importierten Lebensmitteln. Er will den Bundesrat beauftragen, die Grenzwerte zu prüfen und zu senken, das Kontrollsystem auszubauen und bei Rückständen verbotener Pestizide ein Importverbot auszusprechen. Der Vorstoss geht an den Ständerat.


Versicherungen

Der Nationalrat will nichts von einer obligatorischen Epidemie- respektive Pandemieversicherung wissen. Damit ist der Vorstoss erledigt. Finanzminister Ueli Maurer gab erfolgreich zu bedenken, dass eine Pandemieversicherung schwierig umzusetzen wäre. Der Bundesrat hatte bereits vor gut einem Jahr kommuniziert, dass er die Pläne für die Schaffung einer Pandemieversicherung nicht weiterverfolge.

Mutterschaft

Frauen im Mutterschaftsurlaub werden auch in Zukunft von der Erwerbsersatzordnung (EO) nicht gleich hoch entschädigt wie Militärdienstleistende. Die maximale Entschädigung bei Mutterschaft beträgt weiterhin 196 Franken pro Tag, während die EO bei Militärdienst bis zu 245 Franken am Tag entrichtet.

Urs Wellauer-Boschung, Direktor SBC

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