Brote und andere Backwaren aus Sauerteig finden Beachtung und geben Anlass, um auf das Bäckerhandwerk hinzuweisen. Richemont-Bäckereichef Urs Röthlin gibt einen Überblick und Tipps zum Thema.

Richemont-Bäckereichef Urs Röthlin ist überzeugt, dass die Arbeit mit Sauerteig nach ein paar Wochen Routine wird.

Sind Sauerteig und Teigfermentation ein Thema, wenn Sie mit SBC-Mitgliedern ins Gespräch kommen?
Ja, das sind zwei grosse Themen. Bei vielen Gesprächen mit SBC-Mitgliedern ist die Teigfermentation das Hauptthema. So wird Sauerteig als eine Fermentationsart immer sofort heiss diskutiert.

Wie unterscheidet sich ein mit Sauerteig hergestelltes Brot von einem mit Vorteig oder Hebel bzw. ohne vorfermentierte Zugaben hergestellten Brot?
Geschmacklich sind das grosse Unterschiede. Der Sauerteig bringt deutlich mehr Aroma. Doch das bedeutet nicht, dass alle Brote mit Sauerteig und ohne Backhefe hergestellt werden müssen. Im Gegenteil, eine Kombination wirkt sich oft sehr positiv auf den Geschmack wie auch auf die Frischhaltung aus. Ich bin davon überzeugt, dass die Beigabe von Sauerteig das Brot bekömmlicher macht.

«Eine Kombination aus Sauerteig und Backhefe wirkt sich oft sehr positiv auf Geschmack und Frischhaltung aus.»


Auch Grossverteiler bieten heute Sauerteigbrote an. Wie kann sich eine gewerbliche Bäckerei-Confiserie mit ihren Sauerteigprodukten davon abheben?
Richtig, Grossverteiler bieten Sauerteigbrote an oder haben in einigen Broten etwas Sauerteig drin. Wichtig ist, dass die handwerkliche Bäckerei schmackhafte Brote mit einer guten Frischhaltung herstellt. Un­sere Mitbewerber schlafen nicht, so ist es nicht einfach und auch nicht richtig, sich nur über den Sauerteig abheben zu wollen.


«Sauerteigbrot gehört heute in jedes Sortiment einer guten Handwerksbäckerei.»

Was braucht es, um einen eigenen Sauerteig herzustellen?
Zu Beginn sicher etwas Geduld und Zeit. Wichtig ist, dass man sich mit dem Thema beschäftigt und für sich den richtigen Sauerteig mit der richtigen Führung findet. Ich glaube fest, dass nach ein paar Wochen das Arbeiten mit dem Sauerteig zum Arbeitsalltag gehört und sich eine Routine einstellt.

Wie muss ein Sauerteig gepflegt werden?
Der Sauerteig muss nach einem definierten Schema geführt werden, so dass er, bevor er eingesetzt wird, den richtigen pH-Wert und Säuregrad aufweist. Je nach Bäckerei sind diese Auffrischungsintervalle zur «Fütterung» vom Sauerteig etwas anders. Ein Stück vom vorhandenen Sauerteig muss regelmässig frisch mit Mehl und Wasser vermischt werden, damit die Bakterien- und Hefekulturen wieder genügend Nahrung bekommen, um sich gleichmässig zu entwickeln, und damit die richtige Säure entsteht.

«Mit einem selbst angesetzten Sauerteig kann eine gute Geschichte erzählt werden.»

Was spricht für einen selbst angesetzten, was für einen im Handel erhältlichen Sauerteig?
Mit einem Sauerteig, der selbst angesetzt wurde, kann aus meiner Sicht eine gute Geschichte für das Marketing erzählt werden. Weiter denke ich, dass der Bäcker seinen selbst hergestellten Sauerteig etwas kennenlernen muss, bis die Brote immer gleich werden. Der Vorteil ist hierbei sicher, dass sich der Sauerteig an die betrieblichen Gegebenheiten anpasst und so auch ein sicherer und einzigartiger Sauerteig entsteht. Die im Handel erhältlichen Sauerteige sind sehr gut zu verarbeiten und für viele einfacher in der Handhabung, was durchaus für ein ein­gekauftes Produkt sprechen kann.

Wann macht es Sinn, nur einzelne Brote mit Sauerteig herzustellen, wann einen Grossteil der Brote und Backwaren?
Das hängt von der Philosophie der Bäckerei ab. Ist man überzeugt vom Sauerteig und kauft sich eventuell eine Anlage zur Sauerteigführung, so macht es Sinn, bei allen Teigen etwas Sauerteig beizugeben. Wird mit einem kleinen Sauerteig gestartet, kann die Beigabe nach und nach bei mehr Broten und dann auch in Gebäcken erfolgen. Mindestens ein Brot ohne Backhefe herzustellen finde ich wichtig, weil doch immer wieder die Anfrage nach backhefefreiem Brot da ist. Bei allen anderen Produkten ist eine Kombination von Backhefe und Sauerteig absolut ausreichend.

Bei welchen Produkten empfehlen Sie, mit einem Brüh- oder Kochstück bzw. einem Poolish zu arbeiten statt mit Sauerteig?
Brüh- und Kochstücke dienen der Vorverquellung oder Vorverkleisterung der Stärke und Schalenteile. Damit wird das Brot saftiger und erhält eher eine süssliche Geschmacksnote. Dies kann nicht durch einen Sauerteig ersetzt werden. Bei Broten mit einem hohen Ausmahlungsgrad wie auch bei Dinkelprodukten finde ich nach wie vor, dass Brüh- und Kochstücke Sinn machen. Diese lassen sich gut mit Sauerteig kombinieren.

Poolish, fermentierter Teig usw. – also alle Vorteige, die mit Backhefe hergestellt werden – können durch die Verwendung von Sauerteig ersetzt werden, je nachdem, welche geschmackliche Note man fördern möchte.

Weitere Tipps und Hintergrundinfos im «panissimo» vom 5. März.

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