Zu Beginn des Schuljahres 2023-2024 hat das Wallis ein Pilot-Ausbildungsprojekt ins Leben gerufen. Vierzehn französischsprachige Bäcker-Confiseur-Lernende absolvieren ihr erstes Jahr an der Berufsschule in Sitten. Darüber hinaus machen sie zwei vierwöchige Praktika in den zukünftigen Lehrbetrieben. Im zweiten und dritten Lehrjahr durchlaufen sie den klassischen dualen Ausbildungsgang mit einem Arbeitsplatz in einem Lehr-Betrieb und Kursen. «Panissimo» teilt einen Moment aus dem Alltag dieses Pilotprojekts. Eine Reportage …

An diesem frühen Februarmorgen ertönt der Gong in der Lobby des Gebäudes der Ecole des Métiers (Berufsschule) in Sitten. Nach dem ersten Tag in der Woche auf den Schulbänken finden sich die 14 Erst-Lehrjahr-Lernenden der Bäckerei-Confiserie in der Produktion im Untergeschoss des Gebäudes wieder. Mit weissem Oberteil und roter Mütze lauschen sie ihrem Berufslehrer in fast religiösem Schweigen. «Ein Posten Schokolade, ein zweiter Tartelette und einer mit Flechten eines Zopfs ..,» Der Ausbildner Philippe Delalay listet die Aktivitäten auf, die die Schüler*innen in etwa zwei Wochen an der kantonalen Berufsbildungsmesse anbieten werden. Bis dahin werden diese Aktivitäten teilweise ihren Alltag prägen. Seine Kollegin und Begleiterin Julia Delalay-Pattaroni schliesst sich der Truppe an. Es werden zwei Gruppen gebildet.

Zwei Räume, zwei Stimmungen

Während sieben Schüler*innen unter Anleitung des Lehrers in der Bäckerei bleiben, um Tartelettes und Hasen aus Teig zu backen, geht die zweite Hälfte eine Etage höher und erhält eine Lektion über Schokolade. Es sind sechs Mädchen und ein Junge dabei. Zur Einführung erhalten sie einen Theorieteil: «Wie arbeitet man mit Schokolade? «Warum und wie kann man diese temperieren?» «Wie heisst das Fett im Kakao?» fragt Philippe Delalay. Die schüchternen und zögernden Antworten, vermischt mit dem Schnurren eines Temperiergerätes, sind nur mit Mühe zu verstehen. Anschliessend folgen Erläuterungen zur Herkunft des Lebensmittels. Der Lehrer lädt die Schüler*innenein, Madagaskar, Venezuela und Mexiko zu verorten. Die geografischen Kenntnisse scheinen vorhanden zu sein.

Produktionsräume der Ecole de Métiers in Sitten

Die Schokolade hat bald die richtige Temperatur. Es ist Zeit, sich auf das Dressieren vorzubereiten. Zwei Auszubildende kümmern sich um die Verpackung und drei um die Tüten, um die Details der Hasen anfertigen zu können. Gleichzeitig stellen zwei andere Kandiszucker her und einen Träger für Marzipanfiguren. «Monsieur, nimmt man ein Kilo Zucker für 300 Wasser?», fragt ein Lernender. Philippe Delalay stimmt zwar zu, begründet aber seine Wahl der Farben zur Verzierung der Ostersterne: «Die Menschen mögen viele Farben; Warum nicht. Ich bevorzuge es, die Schokolade nicht zu denaturieren, indem ich nur Weiss und Milch verwende.» Angesichts dieser Details verzieren die jungen Leute die durchscheinenden Formen mit zweifarbigen Akzenten.

Formés au moulage

Augenblicke später unterbricht sie ihr Lehrer bei ihrer Arbeit. Er möchte den Lernenden beibringen, wie man eine Tafel Schokolade eingiesst. Nach seiner Demonstration beauftragt er zwei Freiwillige, den Vorgang zu wiederholen. Die ersten Bewegungen sind unsicher: der Fuss manchmal ein wenig schwer auf dem Pedal der Temperiermaschine, der Spatel etwas fieberhaft beim Abstreifen des Überschusses. «Ich freue mich bereits darauf, um 16 Uhr den Zustand eurer Kleidung zu sehen», sagt der Ausbildner neckend.

Nachdem die Details der Hasen «geschminkt» wurden, verteilen vier Lernende Couverture mit einem Pinsel in den Formen. Einige ergreifen proaktiv die Initiative; mit mehr oder weniger Erfolg. Ein junges Mädchen kratzt mit einem Metallschaber den getrockneten Überschuss an den Kunststoffkanten ab. «Halt, halt, halt!» Der Profi ist alarmiert. «Die Idee war grundsätzlich gut, (…), aber wenn man so einen Gegenstand nimmt, riskiert man, die Form zu beschädigen. Dann ist es unbrauchbar. Sie müssen genau das Gleiche tun, aber mit einem Teighorn aus Plastik.» Die Überraschung auf den Gesichtern ist gross, als der Preis der Plastikbehälter bekannt gegeben wird: «ca. 48 Franken.»

Die Mehrzahl der Lernenden füllt ihre Form ein wenig ängstlich, tippt darauf, dreht sie um, tippt erneut darauf, überprüft sie und legt sie auf das bereitstehende Gitter. Die Ermutigung des Fachlehrers gibt den Rhythmus vor: «Du füllst es aus…Mehr…Stopp…Du lässt los…Voilà – und nun auf das Gitter … Und du gibst den Stock (zum Einfüllen der Schokolade in die Form) jemand anderem…Gut gemacht !» Ein junges Mädchen will sich nicht schmutzig machen und versucht zu fliehen. Sie rechnet allerdings nicht mit der Beobachtungsgabe von Philippe Delalay. Wie ihre Kameraden formt sie schliesslich ebenfalls ihren Hasen. Zu ihrer grössten Freude wird der Vorgang noch vor der Pause wiederholt.

In die Produktionsregeln eingeführt

…Herstellung von Zopfhasen.

Im Untergeschoss liegt der Duft von Kompott und Vanillecreme in der Luft. Die fünf Mädchen und zwei Jungen backen in der Produktion weiterhin Apfeltörtchen und Teighasen. Auch für das Bildungszentrum «Botza» entwickeln die Schützlinge von Julia Delalay-Pattaroni ein Wiener Gebäckrezept. Das Schulungszentrum bestellt bei den Auszubildenden regelmässig Produkte. Sein Fahrer holt sie gegen 11 Uhr ab. Dank dieses Prozesses erhalten die angehenden Berufsleute einen Überblick über die Regeln, die beim Versand der Waren an den Kunden zu beachten sind.

Die Atmosphäre und die engagierte Energie ähneln eher denen innerhalb eines Unternehmens. Wie eine Teamleiterin verteilt die Lehrerin die Aufgaben und lenkt die Kräfte: Einer rollt, ein anderer bereitet Gebäck zu, ein anderer überwacht das Kochen der Äpfel. «Madame, kann ich sie noch etwas garnieren?» «Madame, was mache ich mit den Holländern?» «Was kann ich als nächstes tun?» Die Anzahl der pro Minute gestellten Fragen erinnert jedoch an den prägenden Aspekt des Ortes. Wenn manche junge Menschen das Bedürfnis verspüren, angeleitet zu werden, gehen andere den Aufgaben nach und werfen dabei einen Blick auf die ihrer Kameraden. Hier zeigen sich die verschiedenen Temperamente.

Ob Schokolade oder Backwaren, die Gruppen setzen ihr Programm bis Mittag fort und werden es nach dem Essen wieder aufnehmen. Das wird auch in den nächsten zwei Tagen so sein. «Andererseits widmen wir den Freitag spezifischeren und vielfältigeren Workshops. Das reicht vom Löschen eines Feuers über die Erste Hilfe bis hin zum Roggenbrot», kommentiert Philippe Delalay. In der folgenden Woche werden die Themen umgekehrt; und das über das ganze Jahr verteilt, dazwischen folgen zwei bezahlte Praktika von je vier Wochen in einem Unternehmen. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Bäckereien-Konditoreien, in denen zukünftige Fachkräfte ihr zweites und drittes Lehrjahr absolvieren werden.

                                                                                                                   Johann Ruppen/cb


Ein Jahr des Übergangs verleiht Zuversicht

Als Fortsetzung der Reportage aus der Berufsschule Sitten folgen Interviews mit zwei Lernenden aus dem Wallis in ihrem ersten Lehrjahr. Amy Pesci-Daniels, 18-jährig und Jonas Seydoux, 15-jährig.

Amy Pesci-Daniels

Amy Pesci-Daniels, wieso haben Sie den Beruf der Bäcker-Confiseurin gewählt?
Nach drei Jahren am Gymnasium von Saint-Maurice (VS), wollte ich etwas anderes als nur Noten. Ich wünschte mir ein echtes Resultat und, dass die Leute meine Arbeit wertschätzen. Ich habe diverse Praktika absolviert, jenes in der Bäckerei-Confiserie gefiel mir am besten. Jeder Tag ist ein wenig anders. Man hat nie dieselbe Bestellung.

Was denken Sie über diese Ausbildung?
Da ich immer zur Schule gegangen war, ermutigt mich meine Lehre. Ich hatte zuerst Respekt davor, dass ich mich nicht an die duale Lehre gewöhnen würde, aber es ist super interessant! Wir lernen die nötigen Grundlagen im Betrieb und sehen einige Dinge früher als üblich. Unsere Kolleg*innen im zweiten oder dritten Lehrjahr sagen uns manchmal, dass wir wirklich Glück haben.

Haben Sie bereits einen Betriebfür die weiteren Teile der Ausbildung gefunden?
Ja, ich werde bei Alphonse Pellet à Uvrier (VS) arbeiten. Ich hatte dort bereits vor dem Schulbeginn ein Praktikum absolviert. Dann bin ich während der Schule für ein weiteres Praktikum dorthin zurückgekehrt und konnte zu diesem Zeitpunkt meinen Vertrag unterzeichnen.

Was möchten Sie nach der Lehre tun?
Nach meinem Abschluss möchte ich entweder an eine Fachhochschule, um mich als Ernährungsberaterin zu spezialisieren oder aber mein eigenes Geschäft eröffnen.

Jonas Seydoux, warum möchten Sie Bäcker-Confiseur werden?
Schon von klein auf backte ich mit meiner Mutter Kuchen. In der Sekundarschule musste man sich für ein Praktika entscheiden; Warum also nicht in einer Bäckerei probieren?Ich war in der Boulangerie Michellod in Sembrancher (VS) und das gefiel mir gut. Ich habe es dann noch in einer kleineren Bäckerei probiert und auch dort war das der Fall.

Was denken Sie von dieser Ausbildung?
Ich war eher froh über diesen Übergang zwischen Beruf und Schule. Ein Jahr ist zwar gut, aber ich hätte ein halbes Jahr vorgezogen. Vielleicht wäre es besser, ein wenig mehr Zeit zu haben, um das Funktionieren eines Betriebs besser zu begreifen.

Jonas Seydoux

Ich habe manchmal ein wenig den Eindruck, dass man uns eher als Praktikant denn als Lernenden während dieses Jahres betrachtet hat. Auf der anderen Seite hatten wir den Vorteil, dass wir alle Grundlagen in der Berufsschule lernen konnten.

Haben Sie bereits einen Betrieb für die Fortsetzung Ihrer Ausbildung gefunden?
Ja, ich werde bei Gourmandine à Riddes (VS) arbeiten. Ich habe dort alle meine Praktika absolviert.

Was möchtest du nach der Lehre tun?
Ich werde wohl die Berufsmatura machen, danach eine Hochschule für Pädagogik, um unterrichten zu können, zum Beispiel Kochkurse während der Sekundarschule.

Interviews : Johann Ruppen

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