Die Frankenstärke und damit verbunden der Einkaufstourismus stellen die grenznahen Betriebe vor grosse Herausforderungen. Viele erleiden massive Einbussen, vor allem an den Wochenenden. Es gibt aber auch Ausnahmen.

«panissimo» fragte in den Kantonalverbänden nach, sprach mit Betriebsinhabern in den Grenzgebieten zu Deutschland, Frankreich und Italien. Die Antworten fielen zum Teil unterschiedlich aus. Vor allem am Freitag und Samstag sind die Einbussen markant, wenn die Familien Einkaufsausflüge ins Ausland unternehmen und dort auch gleich die Backwaren mit nach Hause nehmen.

Im Tessin leidet die Branche am wenigsten unter der Frankenstärke. Verlangt wird von der Politik vor allem, dass die Rückvergütung der Mehrwertsteuer erschwert wird und strengere Grenzkontrollen vorgenommen werden. Entgegenwirken könne man nur mit Aufklärung, Aufzeigen der Wertschöpfungskette und dem Hervorheben der Qualität und Regionalität sowie einem hohen Dienstleistungsgrad.

«Schaffhausen ist leer»

Geradezu dramatisch ist die Situation in der Schaffhauser Altstadt, wo man ein grosses Ladensterben beklagt. «Die Stadt Schaffhausen ist leer», beschreibt André Müller-Roost, Präsident des Kantonalverbandes Schaffhausen und Inhaber der Müller Beck AG die prekäre Lage. Mit geringem Zeitaufwand können die Einwohnerinnen und Einwohner mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Deutschland einkaufen. Müller Beck verzeichnet einen Umsatzverlust von 30 % seit dem Euro-Schock: «Das Ladengeschäft ist eingebrochen. Im Café ist der Rückgang etwas schwächer.»

Entlassungen als Folge

Die Folge davon sind Entlassungen. Müller-Roost gibt nicht auf: «Wir dürfen nicht resignieren und dauernd jammern.» Das Gegenmittel: Verkaufsschulung und die Kunden auf die aktuelle Situation und die Konsequenzen aufmerksam machen, nämlich die sinkenden Steuereinnahmen sowie den Verlust von Arbeits- und Ausbildungsplätzen.

Basel leidet

«Die Region Basel leidet unter dem Einkaufstourismus, vor allem an den Wochenenden», bestätigt Emanuel Buchmann, Geschäftsleiter der Konditorei Buchmann AG in Münchenstein (BL). Er verzeichnet einen leichten Rückgang bei den Kundenzahlen und beim Kundenfranken. Die Ursache liege allerdings nicht nur bei den Auslandeinkäufen.

Auf die Frage, was die Branche und die Politik gegen den Einkaufstourismus unternehmen können, nennt Buchmann den Kampf gegen die hohen Personalkosten, die drücken und das Bestehen im Markt erschweren. «Ich denke, wir Schweizer müssen lernen, mit weniger zufrieden zu sein.»

Kunden wertschätzen

An Filialstandorten, wo die Kaufkraft nicht sehr hoch ist und die Tramlinie direkt nach Deutschland führt, spürt das Basler Unternehmen Sutter AG unmittelbar die Folgen der Frankenstärke. «Die Kundenfrequenz in der Innenstadt nimmt generell ab», betont Geschäftsführerin Katharina Barmettler. Man legt den Fokus bewusst nicht auf den Einkaufstourismus und die negativen Auswirkungen, sondern setzt auf die Kundenpflege und die Wertschätzung, dass die Wahl auf Sutter Begg gefallen ist.

20 % weniger Euroumsatz in Kreuzlingen

Eine Abwanderung der Kaufkraft ist ebenfalls im Kanton Thurgau spürbar. «Dies, obwohl wir uns von unseren Berufskollegen ännet der Grenze punkto Qualität abheben», bedauert Roger Mohn, Mohn AG, Berg. In seinen beiden Filialen in Kreuzlingen bewegt sich der Umsatzverlust zwischen 2 und 6 %. Zusätzlich wurden in der Nähe ein Aldi-Laden und ein Tankstellen­shop eröffnet. Erwähnenswert ist zudem, dass der Euroumsatz um rund 20 % gesunken ist. Für Roger Mohn ist klar, dass «wir freundlicher, frischer, aufmerksamer, glutschiger werden müssen. Schlicht und einfach besser als unsere Konkurrenz.»

Teurer als in der Schweiz

Vom Verband und von der Politik wünscht er sich mehr Aufklärungsarbeit «für uns und unsere Branche, für unser Handwerk, unseren Stolz». Die Wertschöpfung in der Region solle aufgezeigt werden. «Die Konsumenten sägen am eigenen Stuhlbein.» Die Politik müsse auf das hohe Lohn­niveau in der Schweiz aufmerksam machen: Zudem müsse richtig verglichen werden. Denn: Im Vergleich zu Handwerksbetrieben sind die Brote und Grossbrote in der Schweiz nicht viel teurer. «Die Buttergipfel sind in Konstanz in der Regel sogar teurer als in der Schweiz.»

St. Gallen auch betroffen

Betroffen ist auch der Kanton St. Gallen, besonders das grenznahe Rheintal. Wichtig sei deshalb, so der Sekretär der Bäcker-Confiseurmeister-Verbandes des Kantons St. Gallen, Stefan Thalmann, dass die Spezialitäten unverwechselbar sind, sei es im Geschmack, im Aussehen oder in der Präsentation. «Im Gebäck müssen Emotionen enthalten sein. Für den Kunden darf der Preis nicht im Vordergrund stehen.» Jeder einzelne Betrieb müsse täglich daran arbeiten, die Kunden zu überzeugen.

Von der Politik erwartet Thalmann, dass alles unternommen wird, um das Preisgefälle zu den Nachbarländern zu nivellieren. Er ist überzeugt, dass Betriebe, die sich der Herausforderung stellen, ihr Sortiment und die betriebliche Struktur den Begebenheiten anpassen, weiterhin erfolgreich sein werden. «Es braucht persönlichen Einsatz, Ideenreichtum und Optimismus, um die Zukunft zu meistern.» Strukturwandel habe es schon immer gegeben und werde es immer geben.

Der SBC könne die Betriebe mit Dienstleistungen unterstützen und beraten, die tägliche Knochenarbeit müsse aber in jedem einzelnen Unternehmen vollbracht werden, egal ob gross oder klein.

Panello in Eglisau profitiert

Positiv tönt es aus Eglisau. Hier profitiert die Backwerkstatt Panello vom starken Durchgangsverkehr durch «Aldi-Touris», so Markus Schneider. Der Grund: «Wir heben uns mit unserer Top-Qualität stark von den Anbietern in Deutschland – und in der Schweiz – ab.» Panello hat sogar viele Kunden aus Deutschland, welche die Produkte schätzen und ebenfalls bereit sind, den höheren Preis zu bezahlen.

Sich abheben

Auch Markus Kunz, kunz ag art of sweets in Frick, sieht die Chance bei den Produkten: «Zum Glück sind wir nicht so verwechselbar wie andere Branchen, beispielsweise Kleider oder Schuhe. Wenn wir uns mit Qualität im Premium-Segement, mit Kreativität, Regionalität und Frische abheben, so wird es wenige geben, welche den Bäcker-Konditor im Ausland bevorzugen.» Vielen Kunden sei gar nicht bewusst, dass zahlreiche Dörfer und Städte an Attraktivität verlieren, einen kulturellen Verlust erleiden und viel die Identität in der Gemeinschaft im Allgemeinen verschwindet.

Kunden aus Deutschland

Die Bäckerei Maier in Laufenburg (AG) hat am Wochenende einige deutsche Kunden, die sich etwas Gutes gönnen wollen, was beweise, dass Qualität solange zahlbar sich immer noch durchsetzt, stellt Roman Maier fest. «Wir sind in der Region verankert.» Indirekt spürt er eher Druck aufgrund der sinkenden Löhne. «Für die Produktegruppen Snacks, Kleingebäcke und Ausserhausverpflegung sehe ich die grösste Gefahr.»

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