Einmal jährlich übernehmen die Lernenden der Backmanufaktur Eichenberger im idyllischen Emmental die Verantwortung für ein eigenes Projekt – von der Planung über die Budgetierung und Umsetzung bis hin zur Auswertung. Dieses Jahr dreht sich alles um einen cleveren Bio-Brotsack, der Nachhaltigkeit mit Kundennähe verbindet.
Es ist gelebte Tradition: Die Lernenden aus Produktion und Detailhandel der Backmanufaktur Eichenberger in Langnau im Emmental setzen jährlich ein eigenständiges Projekt zur Kundenbindung um. Ins Leben gerufen haben dieses erfolgreiche Konzept Marion und Johann Eichenberger. Ihre Tochter Antonia Eichenberger führt dieses mit viel Engagement weiter.
Jedes Jahr wird ein anderer Schwerpunkt gesetzt. 2022 war das Thema «Syrien trifft Schweiz». Das Ziel der Lernenden war, die beiden Kulturen näherzubringen. Die Syrerin Nesrin Barmaja war Teil der Lernendenteams. 2023 stand ein selbst kreiertes, reines Bio-Dinkelbrot mit 48 Stunden Teigruhe im Fokus – gebacken im Holzofen in Trubschachen. Seither hat sich das Bionokio zu einem Leaderprodukt gemausert.
Umweltbewusstsein und Verantwortung
Letztes Jahr sorgte das Lernenden Projekt «Cicchetti und Vino» für Begeisterung. Verschiedene gefüllte Baguettes wurden auf Plättli angeboten an einem Abend verkauft. Dazu servierte eine Weinhandlung passenden Wein und die Gäste konnten die Backstube besichtigen. Heute dreht sich alles um einen Brotsack – nicht irgendeiner, sondern ein spezieller, eingebettet in diversen Aktionen rund um das Thema Umweltbewusstsein und Verantwortung.
Das Lernenden-Team

Vier Lernende sind aktuell daran beteiligt:
- Nora Hansen (20) befindet sich nach ihrer abgeschlossenen EBA-Lehre im Detailhandel im zweiten EFZ-Lehrjahr.
- Anika Schwarzentrub (17) absolviert ihr erstes Lehrjahr in der Fachrichtung Bäckerei-Konditorei.
- Nicole Stämpfli und Sandro Hodel (beide 18) stehen im dritten Lehrjahr Bäckerei-Konditorei – und damit mitten in den Lehrabschlussprüfungen.
«Wir Lernenden erleben einen intensiven Austausch untereinander und profitieren voneinander, auch über die verschiedenen Abteilungen hinweg. Gleichzeitig werden unsere Kommunikationsfähigkeiten gestärkt», schreiben alle vier Lernenden begeistert in ihrer ersten E-Mail an Panissimo.
Am Telefon berichten Nora Hansen und Anika Schwarzentrub mit spürbarer Freude über das Projekt. Die Ursprungsidee entstand bei einer betriebsinternen Weiterbildung im vergangenen Herbst. Nora Hansen brachte sie ins Spiel und erhielt von der Familie Eichenberger grünes Licht.
Die Lernenden legten los: Sie entwickelten ein durchdachtes Konzept mit Budget und verfassten ein umfangreiches Dossier. Im engen Austausch mit Marion und Antonia Eichenberger konnten sie von viel Erfahrung und wertvollen Tipps profitieren.
Es sollte nicht irgendein weiterer, gewöhnlicher Stoffsack werden, sondern ein hochwertiges Produkt mit echter Aussagekraft zum Thema Nachhaltigkeit. Damit sollte auch der Nachhaltigkeitsgedanke gefördert werden. Zusätzlich führten die Lernenden eine zweiwöchige Umfrage bei den Kundinnen und Kunden durch. Diese Fragen gab es unter anderem zu beantworten: Was machen Sie mit Ihren Brotresten? Wie lange lagern Sie Ihr Brot?

Dies habe spannende Gespräche mit den Kund/innen gegeben, erinnert sich Nora Hansen. Auch die Beschaffung übernahmen die Lernenden selbstständig. Die Jungmannschaft recherchierte Anbieter und legte grossen Wert darauf, wie bei früheren Projekten, möglichst Unternehmen aus Langnau und Umgebung zu berücksichtigen.
Ein eigenes Logo

Zudem konnten die Lernenden ein eigenes Logo entwickeln. Dies wurde mit einem lokalen Designbüro realisiert. Weil dafür kein Budget mehr zur Verfügung stand, wurde eine kreative Lösung gefunden: Die Lernenden von Tanner Druckdesign AG erarbeiteten gemeinsam mit denjenigen von der Bäckerei Eichenberger einen neuen Look. «Es war toll und hat mega Freude bereitet, über die Branche hinweg zusammenzuwirken», schwärmt Nora Hansen.
Diverse Aktionen
Zusätzlich gibt es einen Brotpass, der vom 10. Juni bis 8. Juli im Einsatz ist. Wer zehn Brote kauft, erhält einen Brotsack, hochwertig, aus Bio-Baumwolle gefertigt und stilvoll verpackt. Die Kund/innen erhalten dieses Dankeschön-Geschenk mit einer sympathischen Botschaft: «Viel Freude wünscht das Lehrlingsteam». Mit dieser Aktion sind weitere Events geplant, wie zum Beispiel ein Info-Stand über die Berufe und das Lernendenprojekt.
Auf Social Media
Anfang Juni gestalteten Nora Hansen und Anika Schwarzentrub das Schaufenster. «Das hat sehr viel Spass gemacht», erzählen die beiden. Zudem erfolgt die Information nicht nur im Laden, sondern auch in den Social Media. So hat Anika Schwarzentrub gemeinsam mit Nicole Stämpfli ein «cooles» Video gedreht, das auf Instagram zu sehen ist.
instagram.com/eichibeck_langnau/
Kundenbindung
Mit diesem Projekt schlagen die Lernenden gleich zwei Fliegen auf einen Streich: Kundenbindung und Nachhaltigkeit. «Für uns ist dies eine Riesenbereicherung», betont Anika Schwarzentrub. «In der heutigen Zeit ist es wichtig, dass wir Jungen uns weiterentwickeln können und kreativ sein dürfen. Wir sind überzeugt, dass unsere Branche auch weiterhin attraktiver bleibt und wir denken, dass wir mit solchen Projekten etwas dazu beitragen können», halten die vier Lernenden in ihrer E-Mail fest.
«Wir konnten aus dem Vollen schöpfen»
Was war das Herausforderndste? «Die Koordination war nicht ganz einfach», erklären Nora Hansen und Anika Schwarzentrub im Gespräch. Da die Schultage unterschiedlich lagen und auch die Arbeitszeiten variierten, sei es oft schwierig gewesen, gemeinsame Termine zu finden. Auch das Budget im Blick zu behalten, stellte sich als anspruchsvoll heraus – zumal im Projekt auch die eingesetzten Arbeitszeiten mitberücksichtigt wurden. Nora Hansen war überrascht, «wie schnell die Kosten angestiegen sind. Ich darf aber sagen, dass wir aus dem Vollen schöpfen konnten.»
«Andere Lehrbetriebe sollten solche Projekte für ihren Nachwuchs ebenfalls anreissen. Es ist ein Gewinn für alle.»
Nora Hansen und Anika Schwarzentrub
Ein Gewinn für alle
Die beiden sind des Lobes voll: «Es ist toll, dürfen wir dieses Projekt durchführen und wir haben Chefs und Arbeitskolleg/innen, die uns unterstützen, die wir immer fragen können. Und wir dürfen das Projekt so umsetzen, wie wir es wünschen.» Und beide sind sich einig: Andere Lehrbetriebe sollten solche Projekte für ihren Nachwuchs ebenfalls anreissen. «Es ist ein Gewinn für alle.»
Claudia Vernocchi