John Baker ist eine junge, innovative Bäckerei mitten in Zürich. Sie lebt Nachhaltigkeit und bezieht alle ihre Hauptrohstoffe in Bio-Qualität aus dem Kanton Zürich. Zudem wird das Brot vor den Augen der Kunden im Laden gebacken. Das Erfolgsgeheimnis? Wir haben beim Inhaber Jens Jung nachgefragt.
Jens Jung, Sie stammen aus einer Zürcher Bäckerfamilie, setzen die Tradition mit dem eigenen Betrieb «John Baker» fort. Was fasziniert Sie am Brotbacken?
Für mich sind es zwei Komponenten: Handwerk und Kundenkontakt. Mich fasziniert die gesamte Fertigung mit den diversen Techniken, die damit verbunden sind und die man voll ausschöpfen kann. Brotbacken ist eine spannende Herausforderung, denn Fermentieren braucht Zeit – und Platz. Das heisst, wir müssen stets drei bis vier Tage vorausplanen. Dazu kommt der echte, direkte Kontakt mit dem Kunden am Verkaufspunkt.
Warum sind regionale Produkte entscheidend für Sie?
Von klein auf ist mir das grosse Ganze wichtig. Das heisst, ich schaue nicht nur auf mich, sondern auch darauf, welche Auswirkung mein Handeln auf die Umwelt hat. Ich bin so aufgewachsen und auch meine frühere Arbeit auf Bauernhöfen hat mich so geprägt. Ich denke, es ist die Aufgabe von uns Produzenten, der oft gedankenlosen Zeit entgegenzuwirken, im eigenen Bereich das Beste für die Umwelt herauszuholen und dem Kunden etwas von dieser Botschaft mitzugeben.
Sie leben den Nachhaltigkeitstrend?
Für mich ist Nachhaltigkeit kein Trend, sondern eine Notwendigkeit. Alles andere ist ein grosses Übel. Leider gibt es Menschen, die – anstatt zu essen – einfach nur Nahrung zu sich nehmen. Es gibt aber zum Glück immer mehr Menschen, die besser leben wollen und daher genauer wissen wollen, was in einem Lebensmittel steckt. Da ich für mich selbst nach dieser Philosophie lebe, kann ich meinen Kunden die Gewissheit geben: hier kann ich mit gutem Gewissen einkaufen, ohne lange nach Labels etc. suchen zu müssen. Ich schaffe damit ein Vertrauen, was zu einer engen Kundenbindung führt.
Ist Ernährung ein Religionsersatz?
Soweit würde ich nicht gehen. Der Hype um Superfoods, Smoothies etc. ist ein vorübergehender Trend. Hingegen befinden wir uns langfristig im Wandel von einer Industriegesellschaft hin zu einer Wissensgesellschaft. Dazu gehört auch, dass man über seine Nahrung nachdenkt. Ob man nun sein Essen selbst kocht, Rezepte so lange ausprobiert, bis sie gelingen oder dann eben trotz vieler Kochbücher ins Restaurant geht. Wichtig ist einzig, dass man sich generell mit seinem Konsum auseinandersetzt und nicht einfach gedankenlos irgendeinen Kinderwagen aus China kauft oder eben künstliche Industrieprodukte in sich hineinstopft. Nebst dem, dass wir eigentlich alle viel weniger konsumieren sollten.
Haben Sie Rituale beim Brotbacken?
Ritual nicht wirklich. Aber ich probiere jeden einzelnen Teig. Mal mehr, mal weniger (lacht). Und am schönsten ist für mich, wenn ich dem Knistern des Brotes zuhören kann, wenn es frisch gebacken aus dem Ofen auf dem Holz auskühlt. Gerade wenn ich alleine in der Backstube bin und alles um mich herum noch ruhig ist – dieses Knistern ist einfach grandios.
Welchen Stellenwert hat Brot in Ihrer Ernährung?
Brot ist natürlich omnipräsent. Eine ausgewogene und vielseitige Ernährung ist mir aber sehr wichtig, weshalb ich versuche, auch genug Obst, Gemüse und Fleisch zu essen. Ich habe also keine spezielle Richtung, bei mir muss es auch Platz für Schokolade und Käse haben.
Entwickeln Sie Ihre Brote weiter?
Ja, es ist ein ständiges Ausprobieren. Und zwar von Anfang an. Beim Start im Jahr 2013, hatte ich keine fixen Rezepte, sondern zahlreiche Ideen, wie ich meine Brote machen will. Und heute haben wir ein rundes Programm, das sehr gut funktioniert und bei den Kunden ankommt. Aber natürlich ist die Weiterentwicklung ein ständiges Thema. Sei es mit Sauerteig, Vollkorn oder das luftige Weisse, mein Lieblingsbrot. Wir testen auch gerne immer wieder Neues aus, wie aktuell beispielsweise mit dem Urgetreide Emmer. Das passiert aber alles nach Lust und Laune. Nicht zuletzt, da unsere Kunden eher zurückhaltend auf Innovationen reagieren.
Wir sind hier in der «Bank», dem Gastrobetrieb am Helvetiaplatz. Hier betreiben Sie sozusagen als Untermieter Ihre zweite Bäckerei. Eine Annäherung zur Gastronomie?
Wir betreiben hier eine Art Shop-in-Shop-Konzept. Wie bei unserem Betrieb am Bahnhof Stadelhofen gewährt unser Bereich hier ebenfalls Einblick in die Backstube, in der unsere Teige geknetet werden. Auch wenn wir Getränke wie Kaffee anbieten und ein paar gut ausgewählte Zusatzprodukte wie Olivenöl oder Salz verkaufen, sehe ich mich nach wie vor als Bäcker und nicht als Gastronomen. Es handelt sich dabei ja auch mehr um Liebhaberstücke, für die ich eine gewisse Leidenschaft entwickelt habe. Mein Hauptaugenmerk ist und bleibt auf Brot und Gebäck.
Zeit ist nicht nur beim Brotbacken wertvoll. Wie setzten Sie Ihre Zeit ein?
Ich versuche immer, vorwärts zu denken und wende daher sehr viel Zeit für die Weiterentwicklung meiner Betriebe auf. Dies betrifft sowohl Prozesse und Abläufe, beinhaltet aber auch Coaching und Teamentwicklung. Des Weiteren setze mich auch intensiv mit unseren Produkten auseinander, suche neue Getreidesorten, spreche mit Züchtern, Müllern oder anderen Bäckern. Zeit fehlt natürlich an allen Ecken und Enden. Aber da ich bin kein «Workaholic» bin, nehme ich mir auch genug Zeit für mich und meine Familie.
Worauf achten Sie, wenn Sie in einem Restaurant essen?
Die Herkunft der Lebensmittel ist mir auch als Gast in einem Restaurant wichtig. Ich achte also bewusst darauf, ob und welche Herkunftsangaben gemacht werden. Fehlen diese Angaben ganz oder stammt das Poulet beispielsweise aus Thailand, wird es schon schwierig. Darüber hinaus mag ich Restaurants, die vom langweiligen Standard wie Spaghetti Napoli, Jägerschnitzel oder Rindsfilet abweichen. Es gibt so viele Möglichkeiten für unkonventionelle Menükreationen! Dabei geht es gar nicht darum, besonders abgehoben zu sein. Warum nicht mal eine Bratwurst mit Bürli im Restaurant essen?
Und beim Brot?
Das wird natürlich immer probiert und auch kommentiert. Schon klar: déformation professionnelle. Aber es gibt einfach sehr viele Gastronomen, die in Brot nur einen Kostenfaktor sehen und möglichst wenig dafür ausgeben wollen. Dabei zeigt sich das sofort und ist für mich auch ein Zeichen für mangelhaftes Management. Zum Glück gibt es auch jene, die Wert auf gutes Brot legen oder, wie zuletzt in Tel Aviv sehr eindrücklich erlebt, es regelrecht zelebrieren.
Haben Sie spezielle Anforderungen an einen Gastronomen, wenn er John Baker-Brot anbieten will?
Anforderungen nicht, unser Brot ist für alle da. Mir ist einfach eine gewisse Sensibilität im Umgang mit Lebensmitteln wichtig. Das heisst, der Koch sollte all seine kulinarischen Möglichkeiten ausschöpfen, bevor er daran denkt, Reste wegzuwerfen – Stichwort Foodwaste.
Ist das Beliefern von Restaurants denn lukrativ?
Nein, dafür ist es zu aufwändig – unter dem Strich lohnt es sich nicht. Das Brot muss geliefert werden, der Gastronom erwartet Mengenrabatt und bezahlt wird per Rechnung. Hinzu kommt das Qualitätsmanagement vor der Auslieferung. Beim Verkauf im Laden passiert das ganz automatisch und natürlich durch den Kunden. Bei Auslieferungen an Restaurants muss diese Qualitätskontrolle vorab bei uns erfolgen. Bei täglich rund 40 Lieferungen ist das nicht immer einfach.
Sie machen es aber trotzdem?
Ja, ich habe die Kapazitäten dafür. Es wäre aber einfacher und betriebswirtschaftlich sinnvoller, mehr über den Laden zu verkaufen. Für mich ist klar: Gastronomen, die zu uns finden, teilen ganz einfach unsere Freude zum Besonderen. Und da ist es natürlich umso schöner, wenn wir – ähnlich wie beim Fleisch oder Gemüse – als Brotlieferant genannt werden.»