Die Branche der Schweizer Bäcker-Confiseure war und ist von den sich stetig ändernden Vorschriften im Zusammenhang mit Covid-19 besonders stark betroffen. Leitender Ausschuss und SBC-Geschäftsstelle sowie die Geschäftsleitung arbeiten noch enger und intensiver zusammen als bisher. Das Wohl unserer Mitglieder, unserer gewerblichen Branche, ist dabei absolut zentral.

Seit Mitte März, dem Shutdown, hat sich die Welt um 180 Grad gedreht, fast nichts mehr ist so wie zuvor – auch für die Schweizer Bäcker-Confiseure. Sie standen und stehen immer noch vor grossen Herausforderungen (siehe «panissimo» Nr. 9 und diese Ausgabe Seite 4). Der Leitende Ausschuss, die Geschäftsleitung und die Geschäftsstelle des Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verbandes (SBC) informierten und unterstützten ihre Mitglieder in dieser aussergewöhnlichen Krisensituation – und tun es immer noch. «Seit neun Wochen sind wir praktisch 7 × 24 Stunden für unsere Mitglieder im Einsatz», betonen Präsident Silvan Hotz und Direktor Urs Wellauer in einem Interview mit «panissimo».

Neun Wochen Höchsteinsatz liegen hinter Ihnen. Wie geht es Ihnen?
Urs Wellauer:
Ich kann nicht sagen, dass ich vor Frische strotze, aber das geht wohl allen in unserer Branche ähnlich. Wir mussten und müssen uns immer noch voll auf die aktuelle Situation fokussieren, da hat der sogenannte «Röhrenblick» das absolute Primat. Es gilt, scharf Prioritäten zu setzen und mit den eigenen Energien haushälterisch umzugehen.
Sicher gibt es deshalb da und dort Punkte, die man hätte anders machen können. Aber als kleiner Verband haben wir das Optimum erreicht und für die Mitglieder Höchsteinsatz geliefert. Das war nur möglich dank der engen Zusammenarbeit mit dem Präsidenten, dem Vertrauen des Leitenden Ausschusses und des Zentralvorstandes sowie dem grossen Engagement
der Mitarbeitenden der SBC-Geschäftsstelle und des Rechtsdienstes, die Ausserordentliches leisteten, und weil wir uns auf das Wesentlichste konzentrierten.

«Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts passiert, und dann gibt es Wochen, in denen Jahrzehnte geschehen.»
Silvan Hotz:
Die Krise hat uns gestärkt, als Verband aber auch in den Gremien. Das ist nicht selbstverständlich, gilt es doch zu bedenken, dass sich der Leitende Ausschuss wie auch der Zentralvorstand vor weniger als einem Jahr neu formiert haben. Mein Dank geht an meine Kolleginnen und Kollegen für das Mitziehen, aber und vor allem auch an die Mitarbeitenden der SBC-Geschäftsstelle wie auch an jene der SBC-Institutionen Richemont Fachschule, panvica und SBC Treuhand, die einen Rieseneinsatz geleistet haben.

Herr Hotz, Sie haben nicht nur eine Ausnahme-Situation auf Verbandsebene, sondern auch im eigenen Geschäft. Wie gehen Sie damit um?
S. H.:
Ich konnte — wie im Verband auch — in unserem Unternehmen auf ein starkes Team zählen, allen voran meine Ehefrau Andrea, die mich bei meinem Verbandseinsatz unterstützt und mir den Rücken freihält. Klar, sind wir phasenweise an unsere Grenzen gestossen, da auch zwei unserer Kinder im Homeschooling waren und der Dritte als FAGE besonders in seinem Lehrbetrieb gefordert wurde.

Sie mussten auf verschiedenen Ebenen aktiv sein, politisch, juristisch, kommunikativ … Als kleiner Verband eine Herkulesaufgabe …
S. H.: … ja, es ist eine Challenge. Aber dem sind in dieser Zeit praktisch all unsere Mitglieder ausgesetzt. Urs Wellauer und ich stehen in ständigem Kontakt, wir telefonieren fast täglich miteinander und sprechen uns ab, teilen uns die Aufgabe auf, schreiten ein, wo’s brennt.
U. W.: Mit unserem kleinen Team und der Herausforderung, dass ein Teil der Mitarbeitenden im Homeoffice ist — das ist tatsächlich keine leichte Aufgabe. Es galt gegen aussen, gegenüber unseren Mitgliedern, aber auch gegenüber unseren Mitarbeitenden offen und klar zu kommunizieren und zu informieren – und das zeitnah auf Deutsch und Französisch.

Sie konnten gleich zu Beginn einen ersten Erfolg verbuchen …
U. W.:
… ja, unsere Mitglieder durften auch nach dem Shutdown ihre Bäckerei-, Konditorei- und Confiserie-Produkte verkaufen, dank der Bestätigung der Versorgungsrelevanz unserer Branche, die wir über das erste Wochenende des Lockdowns erreichen konnten. Dies war in anderen Branchen und in einigen anderen Ländern nicht der Fall.

Einige Mitglieder haben den Eindruck, dass der SBC zu wenig aktiv gewesen ist (siehe Artikel Umfrage) …
S. H.: … der Leitende Ausschuss – bestehend aus Mitgliedern mit eigenem Geschäft und ebenfalls in extremer Krisensituation – hat sich einmal wöchentlich in einer Videokonferenz getroffen und weg­weisende Entscheide gefällt. Die Mitglieder des Zentralvorstandes wurden anschliessend durch Urs Wellauer einmal pro Woche über die aktuelle Lage informiert. Zudem stand Urs Wellauer in ständigem Kontakt mit anderen Verbänden und mit dem Schweizerischen Gewerbeverband und durch diesen mit den Vertretern der Bundes­behörden. Ausserdem ist Urs Wellauer im Milizkader der wirtschaftlichen Landesversorgung, die sich regelmässig austauschte. Vieles geschah im Hintergrund, ohne grosse Schlagzeilen, aber mit Effizienz und Erfolg. Zum Teil mussten auch Kompromisse eingegangen werden.

U. W.: Die Information und die Unterstützung unserer Mitglieder standen bei unserer Tätigkeit absolut im Vordergrund. Nach praktisch jeder Medienkonferenz des Bundesrates oder eines Points de presse gab es Änderungen. Für uns hiess es, dass gemeinsam mit unserer Verbandsjuristin Harisa Reiz die Merkblätter im Intranet zu Kurzarbeit, Schutz für Arbeitnehmenden und Kunden, Epidemie-Versicherung und so weiter laufend angepasst werden mussten.
Auf der Online-Plattform ASA /GVP gab es zur Arbeitssicherheit und Hygiene raschmöglichst Anpassungen zu machen, alles auf Französisch zu übersetzen und online zu schalten sowie per Spezial-Newsletter zu informieren. Wir haben mindestens einmal wöchentlich einen solchen Covid-19-Spezial-Newsletter verschickt. Zudem standen Harisa Reiz, unser ASA-Verantwortlicher Daniel Jakob und ich praktisch rund um die Uhr für unsere Mitglieder mit Rat und Tat zur Verfügung, per E-Mail oder telefonisch. Gleichzeitig galt es, politischen Einfluss zu nehmen um für eine kontrollierte und vertretbare Lockerung des Lockdowns zu lobbyieren.

Die Grossverteiler warteten zu Beginn der Krise mit breit abgestützten Werbekampagnen auf. Einige Mitglieder wünschten sich eine ähnliche Unterstützung von Seiten des Verbandes.
S. H.: 1. Verfügt der SBC leider nicht über ein Millionenbudget in der Werbung, um eine solche Werbekampagne durchzuführen. Und 2. gilt es zu bedenken, dass sich unsere 1400 Mitglieder in ihrem Auftritt, mit ihrem Sortiment und mit ihren Bedürfnissen gewaltig unterscheiden. Hier einen gemeinsamen Nenner zu finden, ist ein Ding der Unmöglichkeit.
U. W.: Wir waren in der Kommunikation auf verschiedenen Ebenen aktiv: Unmittelbar nach dem Shutdown und vor Ostern haben wir zwei Medienmitteilungen verschickt. Das Medienecho war erfreulich gross – und positiv. Zudem verzeichnen wir eine starke Präsenz in den sozialen Medien (Instagram, Facebook, Twitter, LinkedIn). Wir informieren, werben und bieten da unseren Mitgliedern Kommunikationsvorlagen, die sie auf ihren Seiten teilen können. Ebenso erfolgt eine umfassende Kommunikation im SBC /Richemont-Newsletter, der wöchentlich an rund 16 000 Adressen verschickt wird, und in der Print-Ausgabe des «panissimo» sowie auf swissbaker.ch.

Der SBC hat virtuelle Anlässe durchgeführt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
U. W.:Ja, wir haben zusammen mit SBC-Juristin Harisa Reiz ein Webinar zum Thema Arbeitsvertrag, Erwerbsersatzordnung und Kurzarbeit durchgeführt. Die Rückmeldungen waren positiv.
S. H.: Zudem haben wir je einen Online-Stammtisch in der Deutschschweiz und in der Romandie organisiert. Das Feedback war praktisch durchwegs positiv. Es gilt nun zu entscheiden, ob künftig weitere solche Anlässe durchgeführt werden sollen und in welchem Rahmen.

2019 hat der Kongress den Reorganisationsprozess «Reload» gutgeheissen. Welche Erfahrungen haben Sie mit den schlankeren SBC-Strukturen in dieser Krise gemacht?
S. H.: Dank den aktuellen Struk­turen konnten wir flexibel, rasch, gleichzeitig transparent und klar kommunizieren und entscheiden. Dies wäre vor «Reload» nicht möglich gewesen, oder nur sehr schwerfällig. Beispielsweise den Entscheid, den Kongress 2020 nicht durchzuführen, fällte zuerst der Leitende Ausschuss nach eingehender Analyse und Diskussion, dann in einem Zoom-Meeting der Zentralvorstand, der die umfassenden Informationen vorgängig zugestellt erhalten hat.

Wie war die Zusammenarbeit mit den SBC-Institutionen?
U. W.: Mit panvica stand ich in engem, regelmässigem Kontakt, ebenso mit der SBC Treuhand. Richemont-Direktor Reto Fries ist Mitglied der SBC-Geschäftsleitung. Wir haben einmal wöchentlich eine Videokonferenz. Der Austausch ist vertiefter, die Zusammenarbeit enger, vor allem im Zusammenhang mit den QV und SwissSkills.

Wie geht es weiter?
S. H.:
Wir hoffen, dass nun etwas Ruhe eintreten wird und wir uns wieder um die ebenfalls wichtigen Dinge kümmern können: Der Strategieprozess ist noch in vollem Gang. Daran müssen wir weiterarbeiten.
U. W.: Die wirtschaftlichen Restriktionen wurden jetzt gelockert, das Virus ist aber nicht verschwunden, und nun geht es um eine Optimierungsaufgabe, das von den politischen, wissenschaftlichen, sozialen und ökonomischen Präferenzen abhängt. Dies immer unter Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln. Ein weiterer Lockdown wäre eine Katastrophe. Zudem stehen auch wieder Tagesgeschäfte und wichtige politische Themen auf dem Tapet. Dazu gehören die Deklaration von Brot- und Backwaren, die Re­duktion von Zucker und Salz, Vaterschafts­urlaub, CO2-Gesetz usw. Diese werden in Kürze sicher wieder in der Agenda erscheinen. Und da sind die FBKplus, die SwissSkills …

Gibt es etwas, das noch erwähnt werden sollte?
U. W.:
Ja, dass wir einer der ersten Verbände sind, der mit Ausbruch des Coronavirus einen aktuellen Pandemieplan vorzeigen konnte, und wir wurden in kürzester Zeit ins digitale Zeitalter katapultiert. Um mit einem Zitat zu schliessen, dass ich dazu passend finde: Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts passiert, und dann gibt es Wochen, in denen Jahrzehnte geschehen.
S. H.: Ich finde es wichtig, dass man trotz allem Negativen und dem ewigen Hin und Her für sich selbst auch Chancen sehen kann. In den letzten Wochen war es durch die stets wiederkehrenden Veränderungen hektisch für uns alle, vor allem, weil wir uns von heute auf morgen immer wieder neu einstellen mussten. Hier ist es wichtig, die nötige Gelassenheit zu finden und das nicht Änderbare anzunehmen. Gerade wir als Unternehmer können mit unseren Dienstleistungen, innovativen Geschäftsmodellen und Produkten die Wertschätzung unserer Kundinnen und Kunden steigern. Dies hat auch einen positiven Einfluss auf unser Branchenimage.

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