Immer mehr Firmeninhaber/innen unserer Branche setzen sich aktiv gegen die Verschwendung von Lebensmitteln ein. «panissimo» unterhielt sich mit Paola Guillaume von der Bäckerei-Konditorei Guillaume Sàrl in Sugiez (FR), die dafür seit 2020 die App einer Bewegung gegen Food Waste nutzt.

Gilles und Paola Guillaume betreiben in Sugiez am Murtensee eine Bäckerei-Konditorei. Im Bild zeigen sie das Beispiel eines Korbes mit TGTG-Produkten.

In der Freiburger Region am Mont Vully bietet die Bäckerei von Paola und Gilles Guillaume über Too Good to Go jeden Abend unverkaufte Produkte in Körben an. Nutzer/innen der App reservieren diese, holen die Ware bei Ladenschluss ab und lassen sich vom Korbinhalt überraschen. Dank dieser 2020 eingeführten Lösung werden Salate, Sandwichs und andere Snacks vor dem Mülleimer gerettet.

Paola Guillaume, warum haben Sie sich für TGTG entschieden?
Eines Abends war ich es leid, all diese Nahrung wegzuwerfen, und bekam ein echtes Bewusstsein dafür. Ich sprach mit meinem Mann darüber. Er schlug vor, die nicht verkauften Lebensmittel einer Wohltätigkeitsorganisation zu geben. Am nächsten Tag kam ich mit diesem Gedanken zur Arbeit, und es war magisch: Eine Verkäuferin sagte mir, jemand von TGTG habe wegen unverkaufter Ware angerufen. Für mich war dies kein Zufall; ich rief zurück. Man hat mir das Prinzip erklärt, und so haben wir angefangen.

Wie gross ist der Anteil Ihrer unverkauften Waren?
Das kommt ein bisschen auf den Tag an. Es ist schweirig zu sagen, wie viel, aber ich würde sagen, es sind Waren für ein paar hundert Franken. Obwohl sich unsere Mitarbeitenden immer nehmen können, was sie wollen, bleibt manchmal viel übrig: immer grosse Mengen an Brot, dazu Kleingebäck und Snacks, bei denen es besonders schwerfällt sie wegzuwerfen. Es wäre schade, wenn niemandem von diesen profitieren könnte.

Wie wurde das System eingerichtet?
Die Mitarbeitenden von TGTG kümmerten sich um die Installation der Software. Wir haben den Grundwert eines Korbinhalts auf 21 CHF festgelegt. Dies ist der Gesamtwert der Waren. Nutzer/innen zahlen CHF 6,90 an TGTG, die diesen Preis festgelegt hat, und wir erhalten CHF 4,90. Wir machen das überhaupt nicht wegen des Geldes. Die Produkte würden im Abfall landen. Es profitieren alle, und wir decken damit wenigstens die Kosten für das Rohmaterial!

Wie viele Körbe mit unverkauften Produkten bieten Sie jeweils an?
Im der Regel stellen wir von Montag bis Freitag vier Körbe online. Sie werden automatisch am Vortag gegen 18.50 Uhr online gestellt. Wenn an einem Tag viele Waren übrig sind, stellen wir weitere Körbe auf. Dies können bis zu zehn sein. Wir haben aufgehört, das Angebot am Wochenende anzubieten, weil die Leute am Vully spazieren gehen und unsere Bäckerei stürmen, wenn sie gegen 16.30 Uhr von ihrem Spaziergang zurückkommen.


Aus welchen Produkten setzen sich die Körbe zusammen?
Es ist immer eine kleine Über­raschung für die Käufer/innen. Wir offerieren zum Beispiel zwei Sandwichs, einen Vully-Kuchen, ein Pfund Brot, zwei oder drei Brötchen … Das Problem war, dass wir dazu neigten, mehr als den tatsächlichen Wert hineinzulegen. Die Käufer/innen waren immer sehr zufrieden. Aber an dem Tag, an dem es etwas weniger war, haben sie gemeckert, obwohl die Produkte immer noch einen Wert von mindestens 25 CHF hatten. Diese Haltung ärgerte mich ein wenig. Daher habe ich es vorgezogen, die Anzahl der Körbe zu erhöhen statt deren Wert zu steigern.

Wann bereiten Sie diese zu?
Bei Ladenschluss um 18.30 Uhr verteilen die Verkäuferinnen die Produkte in Körbe, die sie auf die Theke stellen. Die Kunden holen die Produkte in ihren eigenen Behältern ab und bestätigen die Transaktion auf ihrem Smartphone. Die Bezahlung erfolgt über die App, wir ziehen kein Geld ein.

Werden die Produkte aus allen reservierten Körbe abgeholt?
Es ist vorgekommen, dass es jemand vergessen hat. Wir stellen die Ware dann vor die Tür und gehen davon aus, dass sie später vorbeikommen. Man hat auch die Möglichkeit, eine Bestellung zu stornieren. Wenn dies geschieht, werden die Produkte in der Regel sofort von anderen reserviert.

Wie reagieren die Nutzer der App?
Sie können das Angebot in der App mit Sternen bewerten. Wir schneiden überdurchschnittlich gut ab. Natürlich gibt es immer ein paar negative Bewertungen, aber insgesamt sind sie positiv.

Wie würden Sie die TGTG-Kundschaft charakterisieren, die Sie aufsucht?
Es geht ebenso um «bedürftige» Menschen – ich setze dies in Anführungszeichen, denn vielleicht sind sie einfach sparsamer als an­dere – wie um Nachtarbeiter, die ihr Abendessen abholen, oder um Menschen aus der Region, hauptsächlich Personen mittleren Alters mit Familie. Einige reservieren mehrere Körbe, um noch ihre Eltern damit zu versorgen.

Konnten Sie mit TGTG einen neuen Kundenkreis gewinnen?
Nein, und das war auch gar nicht die Idee.

Können Sie heute alle unverkauften Produkte so abzusetzen?
Ja, fast, aber wir sind immer noch an den Wert des Produkts gebunden. Wenn hundert Brötchen übrig bleiben, können wir nicht für den Wert von 21 CHF Brötchen abgeben. Die Nutzer/innen der App möchten überrascht werden.

Nutzen Sie noch andere Methoden gegen Food Waste?
Ja, mein Mann hebt alle Weissbrote zum Panieren auf. Wir füllen auch Säcke mit Brot für die Tiere.

Wäre es nicht sinnvoller, vorab die Produktion zu optimieren?
Leider ist dies immer eine Lotterie, bei uns vielleicht noch mehr als anderswo. Wir haben im März eröffnet, weil wir es nicht mitten im Ansturm des Sommers machen wollten. Sofort wurde alles aufgekauft, vielleicht weil unser Laden neu war und zudem an einem neuen Standort mit mehr Menschen in der Umgebung und mehr Parkplätzen … Nun sollten wir in einer etwas ruhigeren Jahreszeit sein und die Produktion normalerweise etwas zurückfahren können. Aber das ist nicht der Fall … Vielleicht weil der Sommer etwas später kam als erwartet.

Verwenden Sie die App selbst auch?
Ich habe sie installiert, aber noch nie benutzt. Andere Menschen haben dieses Angebot sicher nötiger als ich.


Gestaffelte Öffnung
Gilles Guillaume, der seit 2001 in Sugiez (FR) ansässig ist, hat am 10. März seine Backstube und seinen Laden verlegt. Zu den neuen Räumlichkeiten gehört auch ein Tearoom mit einer Terrasse für total 110 Personen: Innen hat es 66, aussen 44 Sitzplätze. «Die Eröffnung inmitten der Corona-Einschränkungen hat uns ermöglicht, es ruhig anzugehen. (…) Es wäre kompliziert gewesen, Laden, Tearoom und Terrasse gleichzeitig zu eröffnen», erzählt Paola Guillaume.

Das Unternehmen mit 15 Vollzeitstellen kann auf eine Kundschaft zählen, die vor allem aus Leuten der Region und aus Ausflugsgästen besteht. Besonders bekannt ist das Fachgeschäft für seinen Vully-Kuchen – ob süss oder salzig.

boulangerie-guillaume.ch

toogoodtogo.ch

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