Was treibt einen Kunden dazu, regelmässig eine gewerbliche Bäckerei-Confiserie zu betreten? «panissimo» unterhielt sich mit einem von ihnen. Die Produktqualität scheint wichtig zu sein, doch die Antwort ist komplexer als gedacht – zumindest nach Auskunft des Neuenburger Kunden Benoît Basilidès.

Für Benoît Basilidès, Stammkunde einer Neuenburger Bäckerei, ist es entscheidend, dass das Verkaufspersonal aufmerksam gegenüber der Kundschaft ist.

Der 52-jährige Benoît Basilidès betreibt in Neuenburg eine Fein­mechanik-Werkstatt. «Meine Eltern waren ein bisschen avant­gardistisch. Sie haben mir von klein auf die biologische Landwirtschaft und den Respekt vor der Natur ­nahegebracht.» Während seines Literaturstudiums arbeitete Basilidès allerdings nachts in einer industriellen Bäckerei. Heute besucht der kinderlos Verheiratete täglich eine gewerbliche Bäckerei im Westen Neuenburgs. Diese ist etwa einen Kilometer von seiner Firma entfernt. «Das Inhaberpaar und Mit­arbeitenden achten darauf, mich mit einem Lächeln zu begrüssen. Ich finde dort daselbe Firmen­konzept, das mich selbst täglich antreibt.»

Benoît Basilidès, was ist Ihr Verhältnis zu Lebensmitteln?
Ich liebe Lebensmittel, die schön und gut sind. Ich habe einen gewissen Anspruch an mich selbst und an die Rohstoffe, mit denen sich etwas Feines zubereiten lässt, das Magie in unser Leben bringt und das wir gerne mit anderen teilen.

«Ich liebe Lebensmittel, die schön und gut sind.»


Woher kommt diese Beziehung zum Essen?
Das liegt an meiner Kindheit, meinen Ausbildungen und der Gelegenheit, bei Bauern zu leben und mit anzupacken. Ich konnte den Unterschied sehen zwischen industriell produzierten Lebensmitteln und jenen, die wir zu Hause essen. Er war offensichtlich. Wenn ich etwas esse, das nicht von sehr guter Qualität ist, leidet mein Körper sofort darunter.

Was heisst dies konkret?
Wenn ich einen schlechten Wein mit zu vielen Sulfaten trinke, bekomme ich sofort ein wenig Kopfschmerzen. Genauso ist es mit dem Essen. Mein Körper hat sich wahrscheinlich über viele Jahre daran gewöhnt, Produkte mit einem Minimum an Zusatzstoffen zu konsumieren. (…) Natürlich trinke ich auch Kaffee, und ich bin Raucher. Ich weiss, dass dies widersprüchlich ist. Wir alle haben jedoch die Pflicht, zu unserem Körper und Geist möglichst Sorge zu tragen, indem wir sie respektieren.

Wie würden Sie Ihr Konsumverhalten beschreiben?
Ich gehe so wenig wie möglich zum Grossverteiler, ausser für Non-Food-Artikel. Für Lebensmittel gehe ich zu gewerblichen An­bietern. Da wir als Paar mit zwei Einkommen zusammenleben, bevorzugen wir den lokalen Detailhandel.

War das schon immer so oder gab es mal einen Wechsel dazu?
Nein, ich gab der Qualität immer den Vorrang vor der Quantität oder dem Preis, so wie es schon meine

«Ich gab der Qualität immer den Vorrang vor der Quantität oder dem Preis, so wie es schon meine Eltern taten.»


Eltern taten. In meinem Beruf ist es das Gleiche. Ich muss Qualität produzieren, um sicher zu sein, dass meine Kunden mit meiner Arbeit zufrieden sind. Qualität wider­spiegelt das Engagement einer Person, besonderes im Lebensmittel­bereich.

Ist dies nicht auch mit einer halbindustriellen oder industriellen Produktion möglich?
Vielleicht, aber sobald man halb­industriell arbeitet, muss man ­finanziell denken. Wenn finanzielle Entscheidungen die Oberhand gewinnen, gehen der künstlerische Aspekt und das emotionale Engagement verloren. (…) Die Mechanisierung bestimmter Aufgaben wie das Kneten: ja. So weit zu automatisieren, dass man auf der einen Seite ein Silo hat und auf der anderen schon das Brot im Regal: nein.

Wie lange sind Sie schon Kunde Ihrer Bäckerei?
Sei die Tarterie du Littoral existiert. Ich kaufte schon beim Vorgänger von Marie und Nicolas Perriard ein – wegen der Nähe zu meinem Arbeitsplatz. Sobald ich vom Besitzerwechsel hörte (Anm. d. Red.: im Jahr 2003), schaute ich mich dort um, und seitdem habe ich nie mehr die Bäckerei gewechselt.

Wie oft gehen Sie dorthin?
Täglich. Da ich morgens zwischen 5 und 6 Uhr mit der Arbeit beginne und zwischen 17 und 19 Uhr fertig bin, habe ich nicht immer die Möglichkeit, selbst Sandwiches für den nächsten Tag zu machen. Deshalb vertraue ich einem guten Anbieter. Normalerweise gehe ich gegen 9 Uhr während der Pause dorthin. Das ist auch eine Frage des Sortiments. Einige Produkte verschwinden schneller als andere.

Was kaufen Sie dort?
Sandwiches und Brezeln für die 9-Uhr-Pause und andere Backwaren. Kuchen und Patisserie kaufe ich ebenfalls regelmässig.

«Diese Kombination aus menschlichen, technischen und ästehtischen Qualitäten berührt mich.»


Was motiviert Sie dazu?
Es geht darum, gute Produkte zu bekommen, aber nicht nur das. Es ist auch der emotionale Aspekt. Das Personal und die Inhaber sind sehr gastfreundlich. Es ist immer ein «Hallo, was kann ich Ihnen heute anbieten?»; und selbst unter der Maske kann man ein breites Lächeln wahrnehmen. Es gibt eine echte Willkommens-Philosophie. Diese Kombination aus menschlichen, technischen und ästhetischen Qualitäten berührt mich.

Wie sollte die Einstellung des Verkaufspersonals sein?
Ich bin sehr offen, vor allem in Geschäften, die ich regelmässig auf­suche. Das Personal weiss, was ich normalerweise kaufe, und ich freue mich sehr, wenn mir jemand sagt: «Wissen Sie, wir haben ein neues Sandwich gemacht, haben Sie es schon probiert?» Für mich ist dies kein Aufdrängen, sondern ein Ansporn zu Offenheit, Grosszügigkeit und Stolz, an einer Neukreation teilhaben zu können.

Ist es wichtig für Sie, dass man Sie persönlich kennt?
Nein. Ich freue mich, wenn es so ist. Es berührt mich. Es zeigt das Engagement der Person vor mir. Es ist sehr angenehm, aber ich erwarte es nicht.

Wie würden Sie eine gute Begrüssung definieren?
Die Person hinter der Theke muss dem Kunden Aufmerksamkeit schenken. In den meisten Geschäften ist das Verkaufspersonal dazu da, um da zu sein. Es findet keine echte Interaktion mit dem Kunden statt. In der Bäckerei, die ich besuche, spürt man wirklich, dass die Verkäuferinnen oder die Chefin es ernst meinen, wenn sie fragen: «Was kann ich für Sie tun?» Das berührt mich, denn ich versuche selbst mich so zu verhalten: echt und ehrlich. Übrigens, wenn mir etwas nicht gefällt, sage ich das auch.

Ist das in dieser Bäckerei schon einmal passiert?
Ja, das ist vor längerer Zeit passiert. Ich meine es nie in einem anklagenden Sinne, nur dass ich mich anders fühle als sonst. Ich würde gerne
wissen, warum dies so ist. Ich möchte der anderen Person immer die Möglichkeit geben, sich auszudrücken. Ich möchte anderen zuhören, aber ich mag es auch, wenn man mir zugehört.

Erwarten Sie in einem solchen Fall eine spezielle Reaktion?
Nein, überhaupt nicht. Das Ziel ist es, anderen eine andere Sicht zu vermitteln, ohne zu urteilen, friedlich und mit dem Ziel, etwas zu verbessern.

Was könnte Sie dazu bewegen, anderswo einzukaufen?
Der Mangel an Empathie. Als Unternehmer weiss ich, dass das Gespräch schwierig wird, wenn ich dem Kunden unfreundlich antworte. Mit einem Lächeln wird es viel

«Wenn jemand unangenehm, unaufmerksam und distanziert wird, gehe ich, selbst wenn die Produktqualität stimmt.»


einfacher sein; selbst wenn es Probleme zu lösen gilt. Es ist eine nötige Geisteshaltung, die man schwerlich ständig haben kann. Wenn jemand unangenehm, unaufmerksam und distanziert wird, gehe ich, selbst wenn die Produktqualität stimmt. Und wenn die Dienstleistung schlecht wird, ist im Allgemeinen die Qualität auch schon gesunken oder ist auf dem Weg dazu.

Hat Covid-19 Ihre Beziehung zum Verkaufspersonal verändert?
Nicht wirklich. Wenn ich längere Zeit nicht mehr in einem Geschäft war, nehme ich einfach die Maske kurz ab und sage «ja, ich bin es».

Was sagen Sie zu Menschen, die aus Gründen der Hygiene lieber im Supermarkt als im Handwerksbetrieb einkaufen?
Das ist absurd. Ich kenne einige Geschäfte, in denen man nichts anfasst. Nur das Verkaufspersonal ergreift die Artikel. Ich glaube ehrlich gesagt, dass in kleinen Geschäften die Hygiene viel mehr beachtet und von den kantonalen Behörden mehr

«Ich finde es dramatisch, dass wir im 21. Jahrhundert wieder lernen müssen, unsere Hände zu waschen!»


kontrolliert wird. Das Augenmerk müsste mehr auf den grossen Läden sein. Vom Verhalten der Menschen ganz zu schweigen! Ich finde es dramatisch, dass wir im 21. Jahrhundert wieder lernen müssen, unsere Hände zu waschen!

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