Anderthalb Jahre war der Thurgauer Bäcker-Konditor-Patissier und Koch Jörg Heierli mit seinem Fahrrad durch Afrika unterwegs. Covid-19 zwang ihn sein Abenteuer abzubrechen und die Rückreise anzutreten. «panissimo» wollte den Abenteurer besser kennenlernen.

Jörg Heierli sollte den meisten Leserinnen und Lesern ein Begriff sein. Der Bäcker-Konditor-Patissier und Koch aus Bischofszell (TG) startete seine Reise im September 2018 in Schweizersholz (TG) mit dem Fahrrad. Sein Ziel: Kapstadt (Südafrika) und retour. Im «panissimo» berichtete er regelmässig über seine Erlebnisse. An Weihnachten erreichte er Kapstadt. Im vergangenen März musste er jedoch die Velotour zurück nach Schweizersholz abbrechen und in die Schweiz zurückkehren – mit dem Flugzeug. Denn Corona machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Aber von Anfang an …

Einen Bezug zum Handwerk

«Mir gefiel es, etwas mit Lebensmitteln zu machen. Schon meine Mutter war Bäcker-Konditorin. So hatte ich von Zuhause aus einen Bezug zum Handwerk», antwortet Jörg Heierli auf die Frage, weshalb er den Bäcker-Beruf erlernte. Eigentlich wollte er zuerst die Ausbildung als Koch absolvieren, um dann auf Reisen gehen zu können, fand aber keine Lehrstelle. Im Bereich Bäcker-Konditor war er erfolgreich und begann seine Lehre in einer kleinen Dorfbäckerei, Willi Beck in Sulgen (TG). Mit der Zeit wuchs die Leidenschaft für den Beruf.

Das Handwerk und die Tatsache, dass mit wenigen Zutaten so viel hergestellt werden kann, faszinieren ihn am meisten. «Die Möglichkeiten sind unendlich, und am Ende des Tages kann ich stolz sagen «das habe ich heute gemacht», unterstreicht der gelernte Bäcker-Konditor. Nach erfolgreichem Lehrabschluss hängte Jörg Heierli eine Zusatzlehre als Koch an.

Eine anstrengende, aber lehrreiche Zeit

Ein paar Jahre später und endlich aus dem Militärdienst entlassen, machte er sich auf nach Hamburg. Dort arbeitete er eineinhalb Jahre als Bäcker-Konditor und Koch in einem Catering-Grossunternehmen. «Mein damaliger Küchenchef verschaffte mir dann eine Stelle als

Patissier auf der «Mein Schiff 4», erzählt Heierli weiter. Das Kreuzfahrtschiff war nigelnagelneu. Er half beim Aufbau der Abläufe, entwickelte Rezepte und wirkte nebenbei als stellvertretender Chef-Patissier. «Nach sechs Monaten pausenlosem Arbeiten kam ich an meine Grenzen. Aber ich habe noch nie so viel gelernt wie dort», betont er.

Seine Leidenschaft fürs Kochen ging dadurch verloren. «Ich sah einfach keine Zukunft mehr in dem Beruf, und die Reise war eine Flucht vor einem Leben im Hamsterrad», begründet er den Verlust seiner Freude am Beruf. Heute würde er es anders machen: «Ich würde sofort aufhören zu arbeiten, wenn der Lohn nicht stimmt oder irgendwas an den Überstunden gedreht wird. Nur weitermachen, damit ich sagen kann, durch­gehalten zu haben, mache ich nicht mehr. Die Rechnung muss am Schluss aufgehen.» Mittlerweile habe er seine Leidenschaft für die Lebensmittel wieder zurückgewonnen.

Es folgte eine Saisonstelle in Arosa. Und als er nach einer Kanada-Reise mit seinem Vater «pleite» war, ging er – «obwohl ich mir geschworen hatte ‹nie wieder›» – auf das nächste Schiff. Die Fahrt führte von Kanada bis nach New Orleans, durch die Karibik und Panama, von Polynesien bis nach Tasmanien und von da an nordwärts bis Hongkong.

Danach beschloss Jörg Heierli mit dem Kochen aufzuhören. Er arbeitete in der kleinen Dorfbäckerei Königsbeck in Zihlschlacht (TG) und bereitete sich auf die grosse Reise vor.

Das Land, das noch Abenteuer bot

Eineinhalb Jahre benötigte er für die Vorbereitung: Informationen sammeln, die Route planen, das Equipment, Versicherungen, Finanzen, Arabisch lernen, Visa beantragen und so weiter und so fort.

Warum Afrika? will «panissimo» von Jörg Heierli wissen. «Der Kontinent ist grösstenteils noch unbekannt. Die ganzen Rucksacktouristen gehen lieber nach Südostasien, Australien oder Südamerika. Afrika bietet noch abenteuerliche Gegenden, die von den Touristenströmen verschont geblieben sind», erklärte er seine Wahl. Und: Er wollte wissen, wie Afrika wirklich ist. Der Hobby-Fahrradfahrer war sich sicher: «Die überwiegend negativen Berichte in den Medien und die allgemeine Meinung über den Kontinent können so nicht stimmen.»

Der reiche weisse Mann

Am meisten erstaunte ihn die Lebensweise der Afrikaner: «Kein Wunder, dass die Menschen in Afrika oft so missverstanden werden.»
Es gab auch einige Herausforderungen zu meistern: «Die Wüsten Namibias im Sommer haben mir alles abverlangt. Westafrika und Kamerun waren mental sehr herausfordernd, da ich immer als reicher weisser Mann angesehen wurde. Das kann sehr nerven.» Auch sei es schwierig gewesen, Gespräche zu führen, die über den normalen Smalltalk hinausgehen. Zudem sei er auf seiner Tour praktisch nie allein gewesen, da Westafrika überbevölkert ist. Das führte allerdings dazu, dass er sich trotzdem einsam fühlte.

«Kein Wunder, dass die Menschen in Afrika oft so missverstanden werden.»

Wilde Schimpansen beobachten

«Da könnte ich eine Riesen-Liste aufführen», meinte er auf die Frage, nach seinem absoluten Highlight der Reise. «Als ich nach einem Rahmenbruch ein paar Tage in einem Dorf in Guinea zu Gast war und dort nicht nur beim Bau einer traditionellen Hütte helfen durfte, sondern auch noch wilde Schimpansen beobachten konnte. Oder mein Besuch bei den Pygmäen – ein afrikanisches Urvolk – in Kamerun», schwärmt Heierli.

Vermisst habe er banale Dinge wie Biberli, den Möhl-Saft, Würste, Käse, Esswaren, die es in der Schweiz im Kühlschrank gibt. «Ich erhielt in Ghana ein Paket, wo unter anderem Biberli drin waren. Eines davon habe ich mir bis Gabun aufgespart, weil es für mich so etwas Besonderes war», erzählt Heierli weiter. Neben dem Essen habe der Abenteurer aber auch die Gespräche mit seiner Familie oder Freunden sehr vermisst.

«Ein Biberli habe ich mir bis Gabun aufgespart, weil es für mich so etwas Besonderes war.»

Bücher, Vorträge, Bilder

Zurzeit arbeitet Jörg Heierli in einem Bergasthof – Berghaus Palfries bei Wartau (SG) – als Koch. Da er seine Tour wohl erst übernächstes Jahr fortsetzen kann, nutzt er die Zeit, um «ein Buch über die Reise zu schreiben, mein Kochbuch für Abenteurer fertig zu stellen und Fotos zu verkaufen. Zudem werde ich nächstes Jahr mit Vorträgen auf Tournee sein.» Nach der Sommersaison im Berggasthof werde er vermutlich wieder als Bäcker-Konditor arbeiten.

Genug Abenteuer erlebt, hat er noch lange nicht. Seine nächsten Ziele hat er bereits vor Augen: «Mit dem Husky-Schlitten durch Kanada, mit dem 4×4 nach Nepal über die Seidenstrasse, durch Argentinien auf dem Pferderücken und als Matrose auf einem Segelschiff arbeiten.»Nathalie Güntert

www.irgendwoinafrika.ch

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