An der Delegiertenversammlung des Dachverbandes Schweizerischer Müller (DSM) in Luzern standen die neue Deklarationspflicht für Brot- und Backwaren sowie die Pflichtlagerhaltung neben dem statutarischen Teil im Zentrum. «Wir müssen nochmals über die Bücher», meinte Ines Heer, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesamtes für wirtschaftliche Landesversorgung, in ihrem Referat.

«Rund um uns spielt die Welt verrückt und wir kriegen dies ebenfalls zu spüren», stellte DSM-Präsident Thomas Helbling in seiner Begrüssungsrede fest. Die Herausforderungen für die Branche seien mannigfaltig. Mit Blick auf das vergangene Jahr lobte er das Teamwork in der Wertschöpfungskette Getreide und nannte dabei ein paar Beispiele, so u.a. der Grenzschutz und die Absenkpfade der Nährstoffüberschüsse, «die auf ein vernünftiges Mass angepasst wurden – ein teilweiser Erfolg».

von links: Der frisch gewählte Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, Urs Furrer, DSM-Präsident Thomas Helbling, Ines Heer, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesamtes für wirtschaftliche Landesversorgung und Leiterin Geschäftsstelle Ernährung, Alt-Ständerat Hansjörg Knecht, DSM-Geschäftsführer Lorenz Hirt. Foto: cv

Richtpreise 2023

Mit Blick auf die Richtpreise 2023 habe sich die Zusammenarbeit für alle Beteiligten gelohnt. Man habe aus den Turbulenzen des Vorjahres gelernt, frühzeitig das Gespräch aufgenommen und gemeinsam die Rahmenbedingungen evaluiert. Der Entscheid, den Herbstrichtpreis 2022 auch als Richtpreis 2023 zu bestätigen, sei ein Kompromiss, hinter dem alle Branchenakteure stehen. «Was für die Richtpreise gilt, gilt auch für das Teamwork in der Wertschöpfungskette», erklärte Thomas Helbling. Das Verhältnis unter den Partnern sei sehr konstruktiv und stabil. Darauf gelte es aufzubauen.

Deklaration darf kein Papiertiger werden

Die nächste Chance sei bereits da: Die neue Deklarationspflicht von Brot und Backwaren. Vor vier Jahren hätten sie diesen politischen Vorstoss lanciert, um sich gegen die fast zollfreien importierten Fertigprodukte zu wehren. «Jetzt, am 1. Februar 2024, wird die Verordnungsrevision mit der Deklarationspflicht für Brot- und Backwaren (Stretto 4) tatsächlich zur Geltung kommen», verkündete Thomas Helbling die Neuigkeit und ergänzte: «Das ist gut so, es reicht aber nicht!» Nun gelte es dafür zu sorgen, dass dies kein reiner Papiertiger werde.

«Wir müssen die Konsument/innen so weit bringen, dass sie von sich aus im Laden oder im Restaurant nachschauen, woher das Brot kommt. Was mittlerweile für das Fleisch gang und gäbe ist, soll für Brot- und Backwaren zur Gewohnheit werden.»

Thomas Helbling, Präsident DSM

Diese Deklarationspflicht müsse in den Verkaufsstellen und in der breiten Bevölkerung bekannt werden. «Wir Partner der Wertschöpfungskette haben es in der Hand», mahnte Helbling. Das Ziel der Kampagne sei ganz simpel: «Wir müssen die Konsument/innen so weit bringen, dass sie von sich aus im Laden oder im Restaurant nachschauen, woher das Brot kommt. Was mittlerweile für das Fleisch gang und gäbe ist, soll für Brot- und Backwaren zur Gewohnheit werden.»

Kein Worst-Case-Szenario

Der DSM-Präsident erwähnte in seinem Eröffnungsreferat ebenfalls die Pflichtlagerhaltung. «Wir verlangen, dass die geplante Verordnungsrevision auch aus Haltersicht einen Sinn macht.» Wenig zweckmässig sei es, wenn neu ein Worst-Case-Szenario als Basis diene. Weiter verlangt der DSM eine Flexibilisierung der Pflichtlagermenge.

«Wir Müller stemmen uns nicht gegen ein neues Pflichtlagerregime. Die Lagerhaltung muss jedoch für die Mühlen wirtschaftlich und finanziell tragbar sein. Sonst lassen wir es lieber sein.»

Thomas Helbling, Präsident DSM

Es sei wirtschaftlich und versorgungstechnisch unsinnig, in Zeiten der Ernte die volle Pflichtlagermenge einzulagern, seien doch zu diesem Zeitpunkt auch die Freilager gefüllt, so Helbling. Zudem wehrt sich der DSM dagegen, sämtliches Futtergetreide durch duales Getreide zu ersetzen, unter anderem könne eine Bäckerei aus dualem Weizen alleine kein Brot backen. «Wir Müller stemmen uns nicht gegen ein neues Pflichtlagerregime. Die Lagerhaltung muss jedoch für die Mühlen wirtschaftlich und finanziell tragbar sein. Sonst lassen wir es lieber sein», unterstrich Thomas Helbling.

Brotqualität

Als weiteres Thema, das die Müllerinnen und Müller stark beschäftigt, nannte er die Brotgetreidequalität: Er sei der Ansicht, dass die unter dem Druck ökologischer Kreise stets komplexer und extensiver werdenden Agrarpolitik der Aspekt der Qualität noch grössere Bedeutung erhalten werde. Die Frage nach der Qualität fordere alle heraus und zwinge zum Umdenken, es sei aber auch eine Chance für die Branche.

Gute Versorgungslage

«Die Versorgungslage ist dieses Jahr gut», lautete die erfreuliche Nachricht von DSM-Geschäftsführer Lorenz Hirt an der DV. Die Lagermengen wurden dieses Jahr wieder von swiss granum erhoben, sie betragen 103‘000 Tonnen.

Rückgang Vermahlung

Einen Rückgang von geschätzt 20‘000 Tonnen gegenüber dem Vorjahr verzeichnet der DSM beim Vermahlen. Ein Prozent davon geht nach Einschätzung der Müller auf die höhere Ausbeute zurück. Aber es bleibe ein Rückgang von rund 4 %, stellte Hirt fest. Der Blick in die Zukunft sei nicht rosig. Lorenz Hirt spricht von einem Rückgang aufgrund der Verlagerung der Produktion ins Ausland. Er plädierte für die Erhaltung der Ausmahlung in der Schweiz und warnte vor den negativen Folgen wie Preiserhöhungen.  

Pflichtlager

Seit 2016 beschäftigt man sich auf Bundesebene mit der Erhöhung des Pflichtlagers. Nach einer Vernehmlassung, der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg wisse man heute, dass man nochmals über die Bücher gehen und die Lehren aus diesen Krisen ziehen müsse, lautete das Fazit von Ines Heer, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesamtes für wirtschaftliche Landesversorgung und Leiterin der Geschäftsstelle Ernährung an der Müller-DV. Für sie ist klar: «Wir müssen beim Pflichtlager Anpassungen vornehmen.» Man werde Kompromisse machen und die Erfahrungen der vergangenen Jahre einbeziehen. Diese Auswertung gehe anschliessend an den Bundesrat. «Die Zeichen der Zeit sind erkannt. Der Zug geht in die richtige Richtung», stellte Thomas Helbling zufrieden fest. Die zweite Vernehmlassung wird kommen.

Hansjürg Knecht geehrt

Der zurückgetretene Aargauer Ständerat und Müller Hans-Jürg Knecht wurde an der Delegiertenversammlung für seine langjährige politische Tätigkeit geehrt. Er verkörpere die Werte der Bauern und des Gewerbes, betonte Thomas Helbing. Er habe stets aus dem Gesichtswinkel eines KMUs gewirkt und habe als Politiker «sackstarke» Arbeit geleistet.

Claudia Vernocchi

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