Welchen Stellenwert hat das Brot in der Haute Cuisine? Dieser Frage ist Alfred Bau, der frisch gebackene Brotsommelier, in seiner Diplomarbeit nachgegangen und hat dabei das Potenzial für die gewerblichen Bäckereien-Confiserien erforscht.
«Brot ist viel mehr als einfach Brot. Brot ist emotional, Genuss, Erlebnis, Geschichte, Geschmack!» Alfred Bau will das Brot vom Nebendarsteller in der Spitzengastronomie zum wichtigen Akteur führen. Schafft es das Brot mit der richtigen Inszenierung auf Augenhöhe mit dem Fleisch? Welcher Weg führt zum Ziel? Ist es das Brotparing? Gutes Marketing? Den Einbezug des Brotes in die Basisausbildung der Köche? Oder ist es ein Mix von allem?
«Es wird schnell mal zu industriell hergestellten, billigen Tiefkühlbrötchen gegriffen, statt auf Qualität und Handwerk zu setzen.»
Nicht nur Brot-Wüsten
Bei seiner Recherche stellte Alfred Bau fest, «dass vielen Gastronomen schlicht das Wissen fehlt, um gutes Brot herzustellen», und ihnen so auch der Bezug zum Brot fehlt. Die Folge: Es wird schnell mal zu industriell hergestellten, billigen Tiefkühlbrötchen gegriffen statt auf Qualität und Handwerk zu setzen.
Nicht überall in der Spitzengastronomie herrscht allerdings eine Brot-Wüste. Bei seiner Recherche sei er auf spannende Brotkonzepte in der Gastronomie gestossen, stellt Alfred Bau in seiner Diplomarbeit fest. So beispielsweise Andreas Caminada vom Schloss Schauenstein, der gleich eine ganze Bäckerei in sein Restaurant integriert hat. Oder das Restaurant Scalottas Terroir auf der Lenzerheide. Dort wird ein Brotbooklet geführt. Darin sind nicht nur die Brote und deren Geschichte ein Thema, es wird auch die Bäckerin vorgestellt. «Das Brot wird als Bestandteil eines Gerichts sehr schön präsentiert», lobt Alfred Bau.
Als weiteres Beispiel nennt er das Grand Resort Bad Ragaz. Bemerkenswert findet er, wie die Entwicklung des Sauerteigs und das Rezept in das Marketingkonzept einfliesse und auf eine emotionale und packende Art vermittelt werde.
Preis spielt eine sekundäre Rolle
Alfred Bau hörte sich nicht nur in der Spitzengastronomie um, sondern auch in unserer Branche. So sprach er u. a. mit Fabian Füger, Geschäftsführer von Handmade in Mörschwil, und mit Edgar Ehrbar, Inhaber der Rössli Beck AG in Sulgen. Beide Fachleute sind sich einig: Das Brotkonzept muss in die Abläufe einer Gastronomieküche passen. Ein grosser Laib Brot, von dem immerzu eine Scheibe abgeschnitten und die Frischhaltung über eine längere Zeit gewährleistet werden könne, sei besser zu handhaben als kleine Brötchen, die schneller auszutrocknen drohen. Dabei spiele der Preis nur eine sekundäre Rolle. «Die Schwierigkeiten der Bäcker mit der Gastronomie sind oft hausgemacht.» Es fehle den Bäckern der Mut, sich hinzustellen und zu sagen: Ich habe ein tolles Produkt und jetzt macht etwas daraus!
«Die Schwierigkeitender Bäcker mit der Gastronomie sind oft hausgemacht.»
Koch-Grundausbildung – stiefmütterlich
Ein stiefmütterliches Dasein friste das Brot in der Grundausbildung der Köche. «Dabei wären genau die Überbetrieblichen Kurse prädestiniert, da ausschliesslich das Handwerk im Vordergrund steht», hält Alfred Bau im Gespräch mit «panissimo» fest. Zur Projektarbeit zählte deshalb ebenfalls eine Gastlektion in den Abschlussklassen Köchin/Koch EFZ.
Der engagierte Branchenmann entwickelte für die Spitzengastronomie unter anderem Brotvariationen, die auf die Menüs abgestimmt waren. «Die Brote werden in einem 2-Stufen-Sauerteig hergestellt. Die erste Stufe dient der Aromabildung, die zweite dem Trieb. Die Teige enthalten keine Backhefe, weil diese Aromen diejenigen des Sauerteigs verdrängen.»
Brot-Vernissage
Um seine Recherche zu vertiefen, führte Alfred Bau im Gasthof zum goldenen Kreuz in Frauenfeld (TG) eine Brot-Vernissage durch und entwickelte extra dazu die Webseite brotvernissage.ch. «Mit der Durchführung einer Brot-Vernissage wollte ich herausfinden, ob das Thema Brotkultur in der Spitzengastronomie bei den Gästen ankommt und Aufmerksamkeit generiert.» Den Teilnehmenden wurde zum Menü, das er mit dem Koch und Wirt Christoph Komarnicki zusammengestellt hatte, Pfefferkruste-Roggenbrot, Haselnuss-Cranberry-Twister, Cranberry-Baguette und Halbweisssauerteigbrot serviert. Die Gäste degustierten die Brotvariationen und kommentierten.
«Das Brot ist der Star – dies muss das Ziel eines jeden Bäckers sein.»
Es gibt kein Richtig oder Falsch
Die Feedbacks der Gäste hätten deutlich gezeigt, so Bau, dass Brot viel mehr als ein Nebendarsteller in der Spitzengastronomie sein kann. Auch fand eine Gästebefragung statt. Einer der Rückschlüsse von Alfred Bau: «Es gibt beim Brotparing kein Richtig oder Falsch.»
«Gute Sache», lautete das Fazit von Wirt Christoph Komarnicki, Die Rückmeldungen seien durchwegs positiv gewesen. Der Zeitaufwand beim Service aufgrund der zusätzlichen Beratung sei etwas grösser, aber vertretbar. Es habe sich gezeigt, dass gutes, handwerklich hergestelltes Brot in der Spitzengastronomie erwartet werde. Das Brot dürfe zum Gericht nicht abfallen. Was bei den Gästen auf grossen Zuspruch gestossen sei, waren die Brotbeschriebe. Gemäss Bau ein wichtiger Schritt, um die Brotkultur in der Gastronomie zu etablieren. Der frisch gebackene Brotsommelier ist überzeugt: «Die Gastronomen sind offen, sind sie doch auf der Suche nach immer neuen Produkten, um ihre Gäste täglich von neuem zu begeistern.»
Dem Ideenreichtum seien praktisch keine Grenzen gesetzt. Vom Brotbacken am Tisch bis zur Präsentation von 30 Brotsorten in einem Wagen, analog dem Käse – es gebe alles. Sauerteig sei in der Spitzengastronomie ein Muss, ebenso wie Natürlichkeit, Emotionen und Geschichten rund ums Brot.
Der Ball liegt beim Bäcker
«Das Brot ist der Star» – dies müsse das Ziel eines jeden Bäckers sein. In der Corona-Krise habe das Brot einen Gratisschub erhalten. «Jetzt liegt der Ball beim Bäcker, dass diese Wertschätzung nicht im Sand verläuft. Wir müssen für Qualität und Regionalität einstehen, uns präsentieren, mit Bäckerbluse hinstehen und stolz von unserem Beruf erzählen!»Claudia Vernocchi
Erster Ostschweizer Brotsommelier
Ein geprüfter Brotsommelier ist Experte in den Bereichen Brotkultur, Sensorik, Sortenvielfalt, Brotpairing (Genussbeschreibungen) und Brotgeschichte. Die Ausbildung zum Brotsommelier können Branchenleute seit 2015 an der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim absolvieren.
Der Ostschweizer Branchenmann Alfred Bau ist der vierte Schweizer Brotsommelier – und der erste in der Ostschweiz. Er ist in Obergösgen (SO) aufgewachsen und hat in Trimbach in der damaligen Bäckerei Kalt seine Lehre als Bäcker-Konditor absolviert. Danach hat er in verschiedenen Bäckereien und Gastronomiebetrieben im In- und Ausland gearbeitet und sich stets weitergebildet: die Höhere Fachprüfung Bäcker-Konditor, Marketing-Verkaufsfachmann, Projektmanagement IMPA, Level D, Zertifikat für nebenberufliche Lehrperson an Berufsschulen, berufspädagogische Bildung für den Unterricht an Berufsschulen und dieses Jahr hat er das Diplom als Brotsommelier erworben.
Jahrelang hat Alfred Bau an der Berufsschule Weinfelden unterrichtet. Heute ist er nur noch sporadisch im Einsatz, «wenn es mich braucht». Seit 2002 ist er zudem im Vorstand der Thurgauer Bäcker-Confiseure und seit rund drei Jahren als Chefexperte im Einsatz. Seit 2004 arbeitet er im Verkauf bei der Groupe Minoteries SA.