Wie sah es in den gewerblichen Bäckereien-Confiserien nach dem Lockdown aus? Wie nach der Grenzöffnung? «panissimo» fragte in den Grenzorten der Deutschschweiz, der Romandie und im Tessin nach.

Die Wiedereröffnung der Grenzen nach dem Corona-Lockdown hatte Auswirkungen auf die Betriebe unsere Branche.

Der Sutter Begg im Raum Basel, der Müller Beck in Schaffhausen, die Stadtbäckerei Bürgin in Kreuzlingen (TG) und die Bäckerei Künzler GmbH, St. Margrethen (SG) gehören zu den Bäckereien-Confise­rien, welche die Schliessung und Wiederöffnung der Landesgrenzen wegen Covid-19 zu spüren bekamen. Nicht alle erlebten es gleich. Mehrheitlich blicken die befragten Verantwortlichen der vier Betriebe aber eher zuversichtlich nach vorne.

Im und nach dem Lockdown

In der Region Basel arbeiten viele Grenzgänger. Diese seien wichtige Kunden des Sutter Begg, erklärt dessen CEO Katharina Barmettler-Sutter. «Deshalb haben wir die Grenzschliessung deutlich gespürt.» Doch die Schweizer Stammkundschaft «hat uns während dieser Zeit so gut es geht die Stange gehalten». Mit der Öffnung der Grenzen hätten sich die Umsätze wieder etwas erholt, sie seien aber immer noch unter dem Vorjahresniveau, so Barmettler-Sutter. «Wir merken vor allem in unseren Filialen in der Innenstadt, dass nach wie vor viele Menschen im Homeoffice arbeiten.»

«Die Grenze war wirklich dicht. Eine gespenstische Situation», schildert Manuela Roost Müller vom Müller Beck in Schaffhausen den Lockdown. «Bei uns war der Umsatz, gemessen an den reduzierten Öffnungszeiten, erfreulich», erklärt die Geschäftsfrau. «Viele Kaffees to go wurden gewünscht, da die Cafés geschlossen waren. Das auch von älteren Personen. Leider haben wir sie nach dem Lockdown nicht mehr gesehen.» Nach der Öffnung der Grenzen sank der Umsatz des Müller Beck auf etwa 60 % der Vor-
Corona-Zeit, erklärt Roost Müller. Negative Folgen hatte die Reduktion der Sitzplätze im Café.

In der Stadtbäckerei Bürgin in Kreuzlingen sank der Umsatz gemäss Inhaber Daniel Bürgin während des Lockdowns um einen Drittel – hauptsächlich wegen wegfallender Lieferungen an Schulen, Restaurants und Events sowie der Schliessung der eigenen Cafés. «Wir hatten bei der Grenzschliessung etwas mehr andere Kundschaft (wohl solche, die vorher in Konstanz ihr Brot kauften), dafür blieben alle Schüler aus», erklärt Bürgin. «Mit der Grenzöffnung gingen gleichzeitig die Schulen wieder auf. Wir hatten die Schüler wieder, dafür eine gewisse Kundschaft nicht mehr.»

«Durch den Lockdown und die Grenzschliessung haben wir von einem Tag auf den anderen unsere Kundschaft aus dem benachbarten Vorarlberg verloren», sagt Werner Künzler von der Bäckerei Künzler GmbH in St. Margrethen. Dazu kam die Schliessung der eigenen Cafés. Da Grenzgänger weiter einreisen durften, relativierte sich der Verlust: «Manch ein Grenzgänger

«Die Leute merkten plötzlich, wie wichtig die Nahversorgung durch den Bäcker um die Ecke eigentlich ist.»
Werner Künzler

wurde zum Brotkurier für den Nachbarn, der nicht auf das feine Schweizer Brot verzichten wollte. Doch wir verzeichneten bei der Vor­arlberger Kundschaft einen Rückgang von 50 %. Dieser wurde allerdings durch die Schweizer, die nicht mehr nach Vorarlberg zum Einkaufen fahren konnten, mehr als wett gemacht.» Seit die Grenzen wieder offen sind, hat sich die Situation gemäss Künzler rasch normalisiert: «Alle unsere Stammkunden sind gerne wieder in unsere Geschäfte zurück­gekehrt.» Weil Einkaufszentren anfangs eher gemieden wurden, konnte die Bäckerei Künzler ihren Umsatz vorerst sogar steigern.

Erwartungen an die Zukunft

Die Zeit nach Corona wird recht unterschiedlich beurteilt: «Es wird nie mehr so sein wie vorher», sagt Manuela Roost Müller, währenddem Daniel Bürgin erklärt: «Wir sind nicht pessimistisch und denken, dass es keine langfristigen Folgen aus der Krise gibt.» Doch für ihn ist klar: «Wir müssen wachsam sein und lernen, mit speziellen Situationen umgehen zu können.»

Werner Künzler hat erlebt, dass die Bevölkerung die Einkaufsmöglichkeit in der Nähe und seinen Hauslieferdienst gerne nutzte: « Die Leute merkten plötzlich, wie wichtig die Nahversorgung durch den Bäcker um die Ecke eigentlich ist.» Künzler erwartet, dass sich die Bran­che nach der Corona-Pandemie nicht viel verändert: «Die Menschen wollen täglich frisches, schmackhaftes Brot vom Bäcker kaufen. Der feine Geschmack im Fachgeschäft zieht viele Kunden an.»

«Die Kunden und Gäste sind vorsichtiger und auch zurückhaltender geworden», stellt Manuela Roost Müller fest. Sie erwartet, dass die Vorsicht und die Abstandsregeln bleiben werden, freut sich aber, vermehrt Gäste aus der Schweiz empfangen zu dürfen, z. B. Familien, Camper und Velofahrer.

«Einerseits gehen wir davon aus, dass auch nach Corona häufiger im Homeoffice gearbeitet wird und deshalb bestimmte Filialen weniger Umsatz generieren werden», erklärt Katharina Barmettler-Sutter, «andererseits beobachten wir ein zunehmendes Bedürfnis, Einkäufe lokal, rasch und unkompliziert sowie in eher kleineren Läden zu tätigen. Das würde uns sehr entgegenkommen.»

Die Situation in der Romandie

Genf: «Es war ein Schock»
In Genf gab es in den ersten zwei Wochen des Lockdowns einen starken Rückgang der Kundschaft. «Die Kunden zogen es vor, zuhause zu bleiben. Danach nahmen die Verkäufe im Laden und generell beim Brot stark zu», fasst Eric Emery, Kantonalpräsident der Bäcker-Confiseure, zusammen. Ähnlich hat es Walter Ruckstuhl in seinem Geschäft erlebt: «Es war ein Schock. Doch dann haben die Leute ihre Quartierbäckerei neu entdeckt. In einem unserer Geschäfte nahm der Brotverkauf um einen Drittel zu. Auch Patisserie und Schokolade ging gut weg. Die Menschen hatten sonst kein Vergnügen und gönnten sich darum mal ein Rum-Baba, mal eine Cremeschnitte.»

Mitglieder, die Hotels, Restaurants und die internationalen Organisationen belieferten, konnten dies wegen geschlossener Gastrobetriebe oder Homeworking von einem Tag auf den andern nicht mehr. «Eine Katastrophe», erklärt Emery. Nach der Wiederöffnung der Grenzen nahm der Einkaufstourismus rasch wieder das gewohnte Ausmass an, sind sich Ruckstuhl und Emery einig. Geschlossene Cafés bzw. weniger Sitzplätze führten zu etwa 40 % Umsatzverlust. Einige Betriebsinhaber hätten keine andere Wahl, als sich von Mitarbeitenden zu trennen, so auch Ruckstuhl. «Wir haben schon viel erlebt. Aber dies Periode ist die schwierigste, die ich je hatte.»

Waadt: schwieriges Jahresende
Claude-Alain Collaud aus Le Sentier (VD) bemerkt, dass «das Wegbleiben des Einkaufstourismus die Verluste durch geschlossene Firmen kompensiert hat». Gleich nach der Öffnung der Grenzen hätten die Konsumenten aber ihre früheren Gewohnheiten wieder angenommen. «Dies liess unsere Verkäufe an Milchprodukten und Fleisch sinken», erklärt der Bäckermeister mit Kolonialwarensortiment. Seine Lieferungen an Firmen seien immer noch reduziert. «Es kündigt sich ein schwieriges Jahresende an, aber wir werden es schaffen. Wir sind Kämpfer, wir werden Lösungen finden.»

Die Situation auf dem Land hat sich nach der Erfahrung von Yves Girard, Generalsekretär der Waadtländer Bäcker-Confiseure, normalisiert. In den Stadtzentren litten die Verbandsmitglieder aber weiterhin, weil Veranstaltungen wegfallen und viele zu Hause arbeiten würden. Ein Lausanner Betrieb kann wegen der jüngsten Massnahmen der Kantonsregierung acht Events nicht beliefern.

Neuenburg: keine Klagen gehört
Nicolas Perriard, Präsident des Neuenburger Kantonalverbands, erhielt keine Klagen von den Mitgliedern. Von der Grenzschliessung betroffene Confiserien seien in dieser Zeit aber geschlossen gewesen.

Jura: neues Einkaufsverhalten
Roger Veya von der Confiserie Werth in Delémont (JU) erfuhr im Lockdown einen Umsatzrückgang von 40 %. Die Situation hat sich nach der Öffnung der Grenzen kaum verbessert. Veya befürchtet eine Wiederholung der Lage im nächsten Jahr. Er rechnet damit, dass sich die Einkaufsgewohnheiten 2022 deutlich verändern werden.

Die Situation im Tessin

Billigkonkurrenz im Inland als Hauptproblem
Die Wiedereröffnung der Grenzen nach dem Corona-Lockdown wirkte sich bei den Tessiner Bäcker-Confiseuren anders aus als im Rest der Schweiz.

Die «panissimo»-Umfrage im Kanton Tessin zeigt ein anderes Bild als in den Grenzorten der restlichen Schweiz. Zwar gibt es auch hier Aussagen von Mitgliedern, welche die Folgen der Wiedereröffnung der Grenze negativ zu spüren kriegen. Doch bei der Mehrheit ist es nicht das Nachbarland Italien, das ihr zu schaffen macht, sondern die regelmässigen Aktionen der Grossverteiler und Discounter, «wenn sie Michette (Anm. Redaktion: spezielle Brötchen aus Weissmehl) oder Croissants für 29 Rappen das Stück verkaufen», betont Giuseppe Piffaretti, beratendes Mitglied des Tessiner Kanontalverbandes (SMPPC). Er äussert zudem die Vermutung, dass «wenn die Covid-Aufmerksamkeit im Tessin nachlässt, die Kundenfrequenz wieder auf Vorjahresniveau steigen wird».

Von Inlandtouristen profitiert
Einige Mitglieder konnten im Juli aufgrund der zahlreichen Schweizer Touristen im Kanton Tessin mehr Kundinnen und Kunden registrieren als im 2019.

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