Rekord-Jahresabschluss, Spatenstich für die neue Verteilzentrale in Sennwald (SG) und erfolgreich durchgeführte Generalversammlung – Pistor AG ist weiterhin auf Erfolgskurs. Wir befragten CEO Patrick Lobsiger unter anderem über die Zukunft und über die Bäckerei-Confiserie-Branche.
Die Gastronomie avancierte 2023 erstmals zum grössten Geschäftsbereich von Pistor und löste damit die Bäckerei-Confiserie ab. Was bedeutet das für unsere Branche?
Wir werden an unserer Geschäftstätigkeit und an unserer strategischen Ausrichtung deswegen nichts ändern. Wir wissen nämlich genau, wer wir sind und welchen Auftrag wir als Pistor Genossenschaft haben: durch unsere unternehmerische Tätigkeit Mehrwert für unsere Genossenschafter zu schaffen. Daran arbeiten wir kontinuierlich, und das wird heute und in Zukunft so bleiben. Das Bäckerei-Confiserie-Segment langfristig zu sichern, ist als Ziel in unserer Unternehmensstrategie verankert.
Wie will Pistor diese Sicherung des Bäckerei-Confiseriesegments erreichen?
Indem wir uns langfristig und stabil aufstellen. Wir wollen den Qualitätsstandard unserer Dienstleistungen für unsere Genossenschafterinnen und Genossenschafter hochhalten und stetig weiterentwickeln. Hierfür benötigen wir ein solides finanzielles Fundament und ein langfristig orientiertes, profitables Wachstum. Aufgrund des Strukturwandels im Bäckerei-Confiserie-Segment werden wir hauptsächlich in der Gastronomie wachsen: Der Schweizer Gastromarkt hat ein Volumen von über zehn Milliarden Schweizer Franken und ist damit attraktiv.
«Wir wollen Mercanto zum grössten unabhängigen Schweizer B2B-Marktplatz im Bereich ‹Food und Non-Food› aufbauen.»
Patrick Lobsiger
Ist Pistors Wachstum ein Selbstläufer?
Nein, es ist das Resultat einer soliden Unternehmensstrategie und von der harten Arbeit all unserer Mitarbeitenden. Als Unternehmen hat Pistor mit denselben Herausforderungen am Markt zu kämpfen wie jede andere Firma auch: Wir müssen uns erfolgreich gegen Mitbewerber durchsetzen und wir müssen mit Inflation, hohen Energiepreisen und Lohnkosten umgehen. Deshalb ist es nicht selbstverständlich, erfolgreich unterwegs zu sein.
Welchen Stellenwert wird die Branche für Pistor in Zukunft haben?
Einen enorm hohen. Wir wollen unseren Bäckerei-Confiserie-Kunden zwei Dinge bieten: Erstens eine starke Produkt- und Dienstleistungspalette, die den Geschäftsalltag einfacher und effizienter macht. Diese Palette wollen wir langfristig, nachhaltig und innovativ weiterentwickeln. Und zweitens finanzielle Vorzüge und Beratungsleistungen. Dazu gehören unter anderem die jährliche Rückvergütung, Finanzierungslösungen bei Investitionen, Proback-Beratungen, die Verzinsung von Einlagekonti oder Genossenschafteranteilen.
In Sennwald fand der Spatenstich für die neue Verteilzentrale statt. Weshalb hat sich Pistor zu dieser Investition entschieden?
Für uns ist die Verteilzentrale Ostschweiz ein Meilenstein. Indem wir näher bei unseren Ostschweizer Kundinnen und Kunden sind, können wir ihnen künftig mehr Liefertage, schnellere Wege und eine nachhaltige Belieferung bieten. Ausserdem erhoffen wir uns durch die regionale Verankerung, potenzielle Kunden besser ansprechen zu können.
Auch punkto Mobilität macht der neue Standort Sinn: Wir umgehen nicht nur Staus, sondern federn Verkehrskosten, wie beispielsweise die Schwerverkehrsabgabe oder Kraftstoffpreise, ab. Die Produkte gelangen nämlich nachts per Bahn von Rothenburg nach Sennwald, von wo aus wir sie morgens mit Lastwagen an die Kunden ausliefern.
Auch beim Hauptsitz in Rothenburg wird gebaut …
Richtig, wir investieren auf breiter Ebene in die Zukunft. Unser Ziel ist es, die kundenorientierteste, zuverlässigste und effizienteste Partnerin zu sein. Um dies zu schaffen, müssen wir in unsere Infrastruktur investieren. Ausserdem wachsen wir kontinuierlich und müssen dieses Wachstum auch stemmen können. Deshalb investieren wir in Gebäude, Logistikanlagen, unsere Lastwagenflotte sowie in IT-Softwarelösungen. In Rothenburg entstehen bis ins Jahr 2030 etappenweise neue Büro-, Lager-, Warenumschlags- und Distributionsflächen.
Sind weitere bauliche Vorhaben in der Pipeline?
Wir planen unsere Verteilzentrale in Chavornay (VD) zu modernisieren, von wo aus wir die Westschweiz beliefern. Zudem investieren wir kontinuierlich in unsere Elektrolastwagen-Flotte, welche inzwischen elf Fahrzeuge umfasst. Sie ist für uns ein wichtiger Faktor, um Waren möglichst umweltschonend auszuliefern.
Wie weit steht es mit dem Projekt Mercanto?
Mercanto ist ein digitales Shoppingcenter, in dem unsere Kundschaft alles finden soll, was ihr Herz begehrt. Also Produkte von Pistor, aber auch von anderen Anbietern. Inzwischen haben wir alle bestehenden Kunden auf Mercanto überführt. In den nächsten drei Jahren geht es darum, möglichst viele weitere Anbieter an die Plattform anzubinden. Unser Ziel ist klar: Wir wollen Mercanto zum grössten unabhängigen Schweizer B2B-Marktplatz im Bereich «Food und Non-Food» aufbauen.
Pistor rüstet sich, gemäss Ihren Aussagen an der GV, für die digitale Zukunft. Wie sieht diese aus?
Mercanto ist das grösste und wichtigste Puzzleteil im digitalen Bereich. Ein weiteres ist die Umstellung unserer internen Betriebssysteme auf SAP. Das ist eine Software, die uns erlauben wird, noch effizienter zu arbeiten und Geschäftsprozesse noch besser zu steuern. Ausserdem kümmern wir uns laufend um die Cyber-Security in unserem Unternehmen. All unsere Anstrengungen rund um die Digitalisierung haben zum Ziel, entweder unsere Dienstleistung für die Kundschaft zu verbessern oder unsere internen Prozesse zu optimieren. Die Effizienzgewinne können wir dann über das Konditionenmodell oder die Genossenschaftervorteile zurück an die Kundschaft geben.
Was freut Sie besonders, wenn Sie auf das vergangene Geschäftsjahr zurückblicken?
Dass wir es geschafft haben, profitabel und in allen Kundensegmenten zu wachsen – insbesondere in unserem Eigentümer-Segment der Bäckerei-Confiserien, das sich um 2,5 % steigerte. Unser Gewinn wuchs parallel zum Umsatzwachstum: Das zeigt, dass wir die Unternehmensentwicklung auf Stabilität ausrichten und sie überlegt angehen – also immer im Sinne unseres genossenschaftlichen Gedankenguts.
Was ist weniger erfreulich?
Was mich beunruhigt, ist die allgemein steigende Bürokratie, die stetig wachsenden gesetzlichen Vorgaben und das steigende Risiko von Cyber-Attacken. Hier müssen wir jedes Jahr mehr Ressourcen investieren, um die Versorgungssicherheit unserer Kundinnen und Kunden sicherzustellen.
«Ebenso dürften wir aus meiner Sicht als Unternehmen noch innovativer
und mutiger sein.»
Patrick Lobsiger
Wo gilt es Optimierungen vorzunehmen?
Man kann sich immer verbessern. Ich stelle fest, dass wir als Organisation noch nicht viel Erfahrung mit unternehmensweiten Grossprojekten wie beispielsweise der Einführung von SAP haben. Hier haben wir viel dazu gelernt und müssen unsere Arbeitsmethodik verbessern. Ebenso dürften wir aus meiner Sicht als Unternehmen noch innovativer und mutiger sein. Die besten Dienstleistungen für unsere Kundschaft entstehen oft nicht nur durch die Verbesserung existierender Lösungen, sondern durch neue Ansätze und Ideen, wie wir den Kunden Mehrwert bieten können.
Wo sehen Sie Pistor in zehn Jahren?
Erstens hat Pistor mit ihren Individuallösungen einen erfolgreichen Beitrag zur Weiterentwicklung der Bäckerei-Confiserie-Branche geleistet und als Genossenschaft dafür gesorgt, dass das Unternehmen in guten wie in Krisenzeiten ein stabiler Anker für die Genossenschafterinnen und Genossenschafter ist. Zweitens ist Mercanto der führende digitale B2B-Marktplatz für Food & Non-Food und unsere physische Infrastruktur in Rothenburg für die nächste Generation ausgebaut. Und drittens gehört Pistor zu den beliebtesten Arbeitgebern schweizweit.
Interview: Claudia Vernocchi