Anfang Jahr ist die Geschichte des Luzerner Traditionsunternehmens Bachmann in Buchform erschienen: Die Bachmanns – eine Familie von Gründern. Auf unterhaltsame Weise blickt Autor Bernhard Ruetz auf beeindruckende 130 Jahre zurück. Die Zeitreise mit zahlreichen Bildern gewährt auch einen spannenden Einblick in die Historie unserer Branche.

«Panissimo» traf den 88-jährigen Raymond Bachmann für ein Interview in Luzern. Anfang der 1970er-Jahre übernahm er den Betrieb in dritter Generation von seinem Vater Hans. Das war der Startschuss für eine unglaubliche Erfolgsstory: von einer Luzerner Quartierbäckerei zu einem schweizweit führenden Unternehmen in der Bäckerei-Confiserie-Branche.

Gemeinsam mit dem renommierten Historiker und Firmenbiografen Bernhard Ruetz recherchierte Raymond Bachmann während zwei Jahren, durchforstete Fotokisten und besuchte Bibliotheken und Archive.

Bevor wir mit dem Gespräch in einem der Sitzungszimmer im Bachmann-Hauptsitz in Luzern beginnen, führt der erfolgreiche Branchenpionier durch die Räumlichkeiten im Bahnhof Luzern und durch einen Teil der Bachmann-Produktion. Obwohl er seit Kurzem nicht mehr im Verwaltungsrat ist, bleibt er über das Geschehen im Betrieb informiert. Und immer wieder schimmert dabei sein Stolz auf seine beiden Söhne Matthias und Raphael sowie die Schwiegertochter Juliane durch, die 1999 als erste Frau zur Konditoren-Weltmeisterin gekürt wurde.

Die Du-Kultur im Unternehmen wird auch von Raymond Bachmann selbst gelebt. Dennoch reagieren einige Mitarbeitende unsicher und greifen auf ein höfliches Sie oder ein einfaches Hallo zurück. «Ich sage ihnen jeweils: Der Herr ist im Himmel – duze mich!», meint der Luzerner lachend und zeigt damit einmal mehr seinen charmanten und bodenständigen Umgang mit Menschen.

Raymond, das Buch enthält viele Bilder und Hintergrundinformationen über Bachmann, aber auch über die Branche. Wie gestaltete sich die Recherche?
Ich habe nie etwas aufgeschrieben. Aber ich habe immer Zeitungsartikel und viele weitere Dokumente über Bachmann archiviert. Diese Informationen waren für unsere Nachforschungen nützlich. Es dauerte zwei Jahre, bis wir alles zusammen hatten.


Auszug aus dem Buch
Auf Wunsch der Mutter tauft der junge Vikar Raymund Erni das zweite Kind von Hans und Lina Bachmann in der Hofkirche von Luzern. Der Geistliche schlägt vor, dass der Täufling seinen Namen tragen solle. Diesem Wunsch kommen die Eltern gerne nach.


Dein Name war ursprünglich Raimund Anton Bruno Joseph Bachmann. Ein Grafiker hat dir geraten, dich künftig nur noch Raymond zu nennen. Weshalb?
Er meinte, mein Name passe nicht zu Pralinés. Es müsse französischer klingen. Auch wurde die Firmenfarbe geändert. Von braun zu rosa.

Raymond Bachmann 1973

Was hat dich bei der Recherchearbeit besonders beeindruckt?
Ich habe Achtung vor dem grossen Branchenwissen des Historikers Bernhard Ruetz. Er hat unsere Erwartungen übertroffen. Dr. Bernhard Ruetz hatte ein gutes Gespür, und er hat nur Informationen verwendet, die vollumfänglich belegt werden konnten.

Gibt es Inhalte, die du bewusst nicht publiziert hast?
Das Buch fokussiert sich bewusst auf unsere unternehmerischen Leistungen und Innovationen. Familiäre Informationen haben wir nur insoweit berücksichtigt, wie sie für die Entwicklung des Unternehmens wichtig waren.


Auszug aus dem Buch (Zweiter Weltkrieg)
Besonders einschneidend sind für die Bäckerschaft der verordnete hohe Ausmahlungsgrad des Mehls sowie das erneute Verkaufsverbot von Frischbrot. (…) Regelmässig kommt der Lebensmittelkontrolleur im Betrieb von Hans Bachmann vorbei. Er zählt jedes Brötchen und vergleicht es mit dem Backzettel, dann wiegt er die Brote ab, um am Wassergehalt festzustellen, wie frisch diese sind und ob die Verkaufsfrist von 48 Stunden nach dem Backen eingehalten wurde. «Wenn der Kontrolleur nahte, nahmen wir schnell das frische Gebäck aus der Vitrine und dem Schaufenster», erzählt Hanni Bachmann (die Schwester von Raymond Bachmann).


Im Buch sind auch die Jahre des Zweiten Weltkriegs beschrieben. Für dich eine einschneidende Zeit …
Wir Bachmann-Kinder fuhren mit unserem Vater mit dem Velo zu unseren Verwandten auf einen 35 Kilometer entfernten Bauernhof in Ettiswil (LU). Dort holten wir Eier fürs Backen. Damit umging mein Vater die rigorose behördliche Kontingentierungspolitik. Aber wir mussten achtgeben, nicht erwischt zu werden. Unser Vater legte deshalb immer einige Zwetschgen über die Eier. Ich habe in dieser Zeit aber auch einige Streiche gespielt.

Hast du ein Beispiel für unsere Leserinnen und Leser?
Während der Kriegszeit gab es fast keine Autos oder Busse. Wir konnten unbehindert auf der Strasse spielen. Oft störten sich allerdings die Anwohner am Kinderlärm. Wenn die Bälle in den Garten des Nachbarn flogen, nahm er sie weg. Aus Rache schoss ich mit dem Luftgewehr auf dessen Tulpen.


Auszug aus dem Buch
Mit dem Fortgang des Krieges bedrängen immer neue staatliche Vorschriften die Bäcker. Zur Stabilisierung der Bundeseinnahmen wird 1941 die Verbrauchssteuer für entgeltliche Waren eingeführt, die sogenannte Warenumsatzsteuer (Wust). Sie beträgt 2 Rappen auf einem Franken. Hanni Bachmann (die Schwester) ist damals noch nicht in der Primarschule, kann aber gut Kopfrechnen und hilft ihrer Mutter bereits beim Festlegen der Preise für Backwaren.


Im Buch steht geschrieben, dass du einen Eignungstest machen musstest. Weshalb?
Es wurden sogar zwei Tests gemacht. Obwohl mir der Bäckerberuf gefiel und ich oft in der Bäckerei mithalf, stand für meine Eltern keineswegs fest, dass ich den Betrieb später übernehmen werde. Zum Ende der Primarzeit lässt mein Vater am Praktisch-Psychologischen Institut Zürich ein Eignungsgutachten erstellen. Darin steht, dass ich ein kluger, aufgeweckter und eher überdurchschnittlich begabter Junge sei, der gutwillig, erzogen und gesittet sei und es scheine, dass ich mich naturwissenschaftlich-technisch entwickeln würde. Meine grössere Schwester meinte allerdings bereits, als ich ein kleiner Bube war: «Du bist ein Weggli-Beck!»

Du konntest den Betrieb deines Vaters dann trotzdem nicht sofort übernehmen, da er von dir verlangte, dass du zuerst heiraten müsstest. Im Endeffekt ein Glücksfall …
… Ja, ja, ich hätte damals noch gar keine Frau gehabt, die ich hätte heiraten wollen (lacht). Ich habe erst mit 34 Jahren geheiratet.

Anstelle der Bäckerei deines Vaters hast du im altehrwürdigen Hotel Monopol – gerade neben dem Bahnhof in Luzern – eine Confiserie übernommen …
Ich war überzeugt, dass die Lage ausgezeichnet sei. Ich habe das Geschäft von Wendelin Baumann übernommen, der damals eine Koryphäe in der Confiserie war.

Es brauchte viel Mut, als 25-Jähriger diesen Schritt zu wagen …
… Ja, stimmt schon. Zwei Jahre nach der Übernahme wurde ich unsicher. Mäuse rannten im Schaufenster herum. Ich hatte von der Firma Cailler ein Angebot, als Chocolatier dort einzusteigen. «Soll ich umsteigen?», fragte ich mich. Doch das Handwerk lag mir mehr am Herzen. Dann kam die Krankheit meines Vaters, und ich musste kurzfristig entscheiden – ich übernahm die Bäckerei Bachmann.


Auszug aus dem Buch
Die 1970er-Jahre gehen als Jahrzehnt der Wirtschaftskrise in die Geschichte ein. Die Schweiz wird von der Rezession als Folge der Erdölkrise besonders hart getroffen, vor allem die personalintensive Bauwirtschaft gerät in Nöte. (…) In der Bäckereibranche verdreifacht sich zwischen 1960 und 1980 der festgelegte Preis für ein Kilogramm Ruchbrot. Doch gleichzeitig sinkt die Gesamtzahl der Bäckereien in der Schweiz massiv,
von etwa 6000 auf 4000. In der Stadt Luzern ist der Rückgang noch drastischer. Die Zahl der Bäckereien-Konditoreien halbiert sich auf 30, diejenige der Konditoreien-Confiserien sinkt sogar um mehr als zwei Drittel auf sieben Betriebe. Derweil rüsten die Grossverteiler weiter auf: Sie locken mit günstigeren Brotpreisen und erweitern ihr Sortiment um süsse Backwaren, Patisserie und Markenschokolade.


Voller Tatendrang: Raymond Bachmann (Mitte) mit seinen Söhnen Matthias (l.) und Raphael.

In den 1970er-Jahren herrschte in der Schweiz eine grosse Wirtschaftskrise. Auch in unserer Branche sah es nicht rosig aus. Wie hast du diese Zeit gemeistert?
Wir hatten das Glück, dass wir Besitzer der Liegenschaft waren. Ich bezahlte damals keine Miete, und wir waren ausgezeichnet vernetzt.

In den Krisenjahren hast du investiert. 1975 eröffnete Bachmann seine erste Filiale in einem Shoppingcenter …
… Das hat auch Dr. Bernhard Ruetz geschrieben – wir hätten selten so reagiert wie die meisten anderen. Ich habe immer einen Weg gefunden. Wir waren die Ersten, die in einem Shoppingcenter eine Filiale eröffneten.

Dahinter standen Glück, doch vor allem auch Mut und ein ausgezeichneter Geschäftssinn, oder?
(lacht) Ich habe spezielle Aktionen durchgeführt. Ich wusste, wann die Redaktionssitzungen in den Medien in unserer Region stattfanden. War ein Thema aktuell, sandte ich ein Gebäck oder sonstige Produkte aus dem Laden, die mit dem Thema zu tun hatten. Im Buch des Luzerner Tagblatts ist mir eine ganze Seite gewidmet …

Einer meiner Enkel will die Lehre in unserer Branche machen. Er ist vom Buch hell begeistert und hat es sogar zweimal gelesen. Er war beeindruckt, was ich alles erlebt und bewirkt habe.


Auszug aus dem Buch
Raymond Bachmann ist ein Meister der Selbstinszenierung. Früh verinnerlicht er den Marketingspruch: «Tue Gutes und sprich darüber.» Er weiss, dass eine mediale Dauerpräsenz seinem Geschäft hilft und ihm weitere Kundschaft zuführt. Seine spontane, offene und kreative Wesensart kommt ihm dabei zugute. Scheinbar unerschöpflich sind seine Ideen für Spezialitäten, Torten und Aktionen. Bei öffentlichen Anlässen lässt sich Raymond Bachmann oft als fröhlich dreinblickender Confiseur in Berufskleidung und mit einer Grosstorte ins rechte Bild setzen. Ein Beispiel für seine medienwirksamen Auftritte ist die Einweihung des Europa-Platzes beim heutigen Kultur- und Kongresszentrum KKL im Jahr 1983. Für den Festakt mit Luzerner Politprominenz überreicht Raymond Bachmann den Organisatoren eine 45 Kilogramm schwere Europatorte.


Worauf bist du besonders stolz?
Auf das, was meine Söhne zusammen mit meiner Schwiegertochter Juliane verändert und entwickelt haben! Matthias und Raphael haben viele Länder bereist und wertvolle Berufserfahrungen als Bäcker und Confiseure gesammelt. Vor zwanzig Jahren sind sie heimgekommen und haben das Unternehmen übernommen.

Bachmann hat 2018 den Schritt nach Zürich an die renommierte Bahnhofstrasse gewagt. Ist dies der Höhepunkt oder geht es noch weiter?
Wir bleiben nicht stehen. Ein grosses Projekt ist der Bau einer neuen Produktionsstätte.

Hast du noch einen Wunsch an die Branche oder den Verband?
Die Verbandsspitze sollte unbedingt verjüngt werden. Aber mir ist bewusst, dass dies nicht einfach ist. Die jungen Mitglieder benötigen ihre Energie, um ihr Unternehmen aufzubauen.

Interview: Claudia Vernocchi


Herausgepickt – Wichtige Meilensteine der Familie Bachmann

1897: Johann und Anton Bachmann übernehmen die Bäckerei Stadtmühle in Sursee (LU) von Josef Hügi.

1900: Sursee zählt 2597 Einwohnende, 7 Bäckereien, 2 Konditoreien.

1917: 1. Weltkrieg – Verbot des Verkaufs von frischem Brot.

1920: Anton Bachmann übernimmt einen neuen Betrieb in Sursee

1931/33: Verkauf der Bäckerei in Sursee und Neugründung in Sarnen

1934: Übernahme und Neugründung der Bäckerei Bachmann im Luzerner Wesemlin-Quartier.

1936: Geburt von Raimund Anton Bruno Joseph Bachmann.

1938/39: Umsatz 71’000 Franken, Reingwinn 4500 Franken.

Juli 1943: in Luzern: 52’800 Einwohner/innen, 54 Bäckereien, 20 Konditoreien

1950er-Jahre: Raymond Bachmann macht die Bäcker-Lehre bei Aschinger in Schaffhausen und anschliessend die Confiseur-Lehre in der Confiserie Rohr in Genf.

1962: Neugründung der Confiserie Raymond Bachmann im Hotel Monopol beim Bahnhof Luzern.

1963: Erste Filiale der Confiserie Bachmann im Hotel Sankt Gotthard-Terminus in Luzern

1964: Übernahme der Bäckerei-Konditorei Bachmann im Wesemlin in Luzern und Integration in das Confiserie-Unternehmen von Raymond Bachmann.

1968: Eröffnung des ersten Fachgeschäfts in der Luzerner Altstadt

1969: Heirat mit Magrit Bieri

1972: Eröffnung der Confiserie Bonbonnière im Bahnhof Luzern.

1976: Eröffnung des Fachgeschäfts mit Café im Einkaufszentrum Emmen

1997: Bachmann geht mit einem E-Shop online.

2013: Eröffnung des ersten Fachgeschäfts in Zürich, im Einkaufszentrum Shilcity

2018: Eröffnung eines Fachgeschäfts mit Café an der Zürcher Bahnhofstrasse


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Wer mehr über das Traditionsunternehmen Bachmann erfahren will, beispielsweise über das Kalmar-Auto, die Bonbonnière im Bahnhof Luzern, die berühmten Schutzengeli, den Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde oder über den Brückenbauer in der Bäckerei-Confiserie, liest am besten das Buch:

Bernhard Ruetz: Die Bachmanns – eine Familie von Gründern
Verlag Ars Biographica, 156 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-9525289-8-3

Bestellung: bei der Confiserie Bachmann: www.confiserie.ch/buch oder beim Verlag Ars Biographica: www.arsbiographica.ch

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