Getreideknappheit und eine Verteuerung auf dem Weltmarkt sind die Folgen des verheeren-den Krieges in der Ukraine. Welches sind die Folgen für die Schweizer Bäckerei-Confiserie? «Panissimo» unterhielt sich mit dem Geschäftsführer des Dachverbandes Schweizerischer Müller DSM, Lorenz Hirt.
Haben die Getreideknappheit und die Verteuerung auf dem internationalen Markt kurzfristig Folgen für die gewerblichen Bäckereien-Confiserien in der Schweiz?
Lorenz Hirt: Nein, kurzfristig sollte dies aus Müllersicht keine branchenspezifischen und unmittelbaren Auswirkungen haben, welche über die allgemeinen Auswirkungen (höhere Energiekosten, Logistik etc.) hinausgehen. Die kurzfristigen Kontrakte sind abgeschlossen. Die Gebiete der beiden Konfliktparteien machen nur einen verschwindend kleinen Anteil dieser Kontrakte aus.
Wie lauten Ihre mittelfristigen Prognosen?
Aktuell ist es sehr schwierig, irgendwelche Prognosen für den weiteren Fortgang und die Dauer des Krieges in der Ukraine zu machen. Da weniger als 0.5% unseres Brotgetreides aus Russland oder der Ukraine stammen, sind die Schweizer Mühlen nur indirekt durch die allgemeine Verteuerung und Verknappung von Brotgetreide betroffen (im Rahmen der rund 15% Importe). Für die Schweiz mit geringem Importbedarf (in absoluten Zahlen), wird es aber in fast allen denkbaren Szenarien möglich sein, sich auf dem Weltmarkt einzudecken. Aus unserer Warte sollte es also nicht zu einem Mehl- oder Brotmangel in der Schweiz kommen.
Einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Versorgung in der Schweiz wird die Qualität und Quantität der Ernte 2022 haben. Zur Erinnerung: 2021 hatten wir eine Minderernte von 30% bei zusätzlich bescheidener Qualität, das entspricht einem Wegfall der normalen Importmenge von zwei Jahren.
Welches ist das Worstcase-Szenario?
Für die Brotgetreideversorgung wäre das Worst Case Szenario eine schlechte Schweizer Ernte 2022 verbunden mit Beschaffungsproblemen im Ausland aufgrund von Handelsbeschränkungen. Diesfalls könnte die Schweiz allerdings auf die Brotgetreidepflichtlager zurückgreifen.
Was unternimmt der DSM, um dieses zu verhindern?
Unser Verband setzt sich für gute Rahmenbedingungen der Mühlenbranche ein. Wir haben keinen Einfluss auf die Weltpolitik. Wir müssen uns daher darauf beschränken, die Situation in engem Kontakt mit unseren Partnern aus der Wertschöpfungskette und den Bundesbehörden gut zu beobachten, um auf allfällige Änderungen frühzeitig reagieren zu können.
Auch das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) beobachtet die Situation aktuell: «Vorkehrungen der wirtschaftlichen Landesversorgung sind bei einer schweren Mangellage zu treffen, jedoch nicht bei steigenden Preisen. Diese weisen zwar auf eine Verknappung der Güter hin, verlangen aber noch keine Intervention» (Evelyn Kobelt, BWL, «Der Bund» vom 17.03.2022).
Was raten Sie unseren Mitgliedern?
Ich rate Ihren Mitgliedern, sich nicht durch die Meldungen in der internationalen Presse verunsichern zu lassen. Wir haben im Bereich Brotweizen keine gravierenden Probleme aufgrund des aktuellen Krieges. Dies im Gegensatz zu anderen Branchen, wie zum Beispiel den Verarbeitern von Sonnenblumenöl, welches in Europa zu 90 % aus der Ukraine stammt und aktuell effektiv Mangelware ist.
So gesehen sind wir in der Wertschöpfungskette Brotgetreide gut aufgestellt und müssen uns nicht zusätzliche Sorgen machen, welche über die Sorgen der allgemeinen schweizerischen Bevölkerung hinausgehen. Dauert der Krieg an, werden die Preise für sämtliche Güter ansteigen. Wie stark dieser Anstieg sein wird, lässt sich zurzeit nicht abschätzen und wir hoffen für uns alle, vor allem aber für die Menschen im Kriegsgebiet, auf ein rasches Ende des Krieges.