Im April hat der 41-jährige Betriebsökonom Patrick Lobsiger bei Pistor AG das Zepter von Markus Lötscher übernommen. Mit «Panissimo» zog er eine erste Bilanz und berichtete über die Zukunftspläne des Unternehmens.
Seit rund einem halben Jahr sind Sie an der Pistor-Spitze. Welche Note geben Sie dem Unternehmen auf einer Skala von 1 bis 10?
Eine 8. Pistor ist bereits heute ausgezeichnet aufgestellt, gut geführt, hat kompetente Mitarbeitende und starke Dienstleistungen. Um die 10 zu erreichen, müssen wir ein paar Themen anpacken, wir wollen für die Zukunft noch besser aufgestellt sein und uns optimaler an den Kundenbedürfnissen orientieren.
Ihr Start erfolgte praktisch mit Ende der Pandemie-Massnahmen. Wie waren Ihre ersten Eindrücke?
Mein Eindruck: Unser Unternehmen ist sehr erfolgreich durch diese Pandemie gekommen, weil es mit viel Fingerspitzengefühl geführt wurde. Dies ist sicher die Leistung aller Mitarbeitenden, des Führungsteams und von meinem Vorgänger Markus Lötscher. Gleichzeitig hat Pistor in dieser Krise auch ihre genossenschaftliche Verantwortung wahrgenommen: Wir haben unsere Genossenschafter mit einem finanziellen Hilfspaket unterstützt. Das kam sehr gut an.
Wie sieht die aktuelle Nach-Pandemie-Situation aus?
Positiv. Unser Umsatz ist sogar höher als vor der Pandemie und wir gewinnen laufend Kunden hinzu. Natürlich gibt es das eine oder andere Projekt, das wir damals auf Eis gelegt haben und nun wieder anschieben.
Um welche Projekte handelt es sich?
Investitions- und IT-Projekte, zum Beispiel die Planung und der Bau eines Mehrzweckgebäudes oder die Umstellung auf das Datenverarbeitungsprogramm SAP.
Eine Verschnaufpause gab es keine. Mit den Folgen des Ukraine-Kriegs standen, stehen wir in der nächsten Krise. Wie sieht die Situation bei der Pistor aktuell aus, vor allem was den im Energiebereich betrifft?
Im Moment kommt vieles zusammen: Die Inflation, dieunsichere Versorgungssicherheit in der Schweiz – insbesondere im Bereich Energie – und die militärischen Auseinandersetzungen in der Ukraine, aber auch das Säbelrasseln zwischen China und Taiwan. Dies fordert unsere ganze Logistikkette. Deshalb sind das Dauerthemen in unserer Geschäftsleitung. Bezüglich Strommangellage haben wir einen Notfallkonzept erarbeitet.
Wie würde das Worst-Case-Szenario aussehen?
Wenn es Stromabschaltungen über mehrere Stunden geben würde. Momentan gibt es viele Unsicherheiten. Es ist unklar, wie sich der Bundesrat entscheiden und welche Auswirkungen dies auf uns als Unternehmen haben wird. Was wir wissen: Wir stehen vor einer grossen Herausforderung, läuft unser Logistikbetrieb doch rund um die Uhr auf Strom. Unser Ziel ist es, auch in dieser Situation den Service für unsere Kund*innen in der der gewohnten Qualität aufrecht zu erhalten.
Die Inflationsspirale dreht sich munter weiter und die Versorgungssicherheit ist bedroht. Was empfehlen Sie unseren Mitgliedern?
Einerseits die Lage ernst nehmen und nicht nach dem «Prinzip Hoffnung» handeln – also nur denken, «es kommt schon gut». Es gilt, sich auf verschiedene Szenarien vorzubereiten. Hierfür sind zum Beispiel die Handlungsempfehlungen des SBC wertvoll, ein ausgezeichnetes Dokument, an dem man sich orientieren kann. Eine andere Option wäre, dass sich Mitglieder gegenseitig unterstützen. Selbstverständlich macht sich auch Pistor Überlegungen, wie wir unsere Kund*innen unter die Arme greifen könnten.
Gehen wir weg von den Krisen. Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Ich denke, meine Mitarbeitenden nehmen mich als gradlinig wahr und als teamorientiert. Mir ist wichtig, dass wir gemeinsam Lösungen finden und dass Diskussionen stattfinden. Es darf dabei auch Reibungen geben. Meine drei wichtigsten Führungsprinzipien sind: Positiv und lösungsorientiert an Aufgaben rangehen. Im Team die besten Lösungen finden und diese auch fördern. Und offen sein für Veränderung, denn das einzig Stetige ist der Wandel. Man darf immer stolz sein auf das, was man erreicht hat, doch wenn man glaubt, etwas zu sein, hört man auf, etwas zu werden.
Ihr letzter Arbeitgeber war Transgourmet, einer der direkten grossen Konkurrenten im hart umkämpften Markt. Bringen Sie Insiderwissen mit?
Natürlich bringe ich kein Insiderwissen ein und halte mich an die entsprechenden Vorschriften. Was ich aber mitbringe, ist 20 Jahre Erfahrung im Detail- und Grosshandel im In- und Ausland. Damit will ich Pistor vorwärtsbringen.
Welches sind aus Ihrer Sicht die USPs von Pistor?
Pistor ist eine Lösungsanbieterin – das ist unser wichtigster USP. Heisst: Wir zeigen unseren Kund*innen Lösungen auf, mit denen sie ihre Herausforderungen bewältigen können. Dazu braucht man gute Mitarbeitende. Der zweite USP ist unsere wertschätzende Unternehmenskultur. Wir setzen auf Vertrauen und Partnerschaft mit unseren Kunden, Partnern, damit wir gemeinsam Lösungen entwickeln können. Da differenzieren wir uns ganz klar von den Mitbewerbern. Ein weiterer Punkt ist die Innovation. Ich möchte da unser Zukunftsprojekt Mercanto herausheben.
Was ist Mercanto und welchen Mehrwert bietet es Ihren Kund*innen?
Wir wollen unseren Kund*innen nicht nur einen einzigen Verkaufskanal bieten, sondern ein Online-Einkaufszentrum, das ihren individuellen Bedürfnissen entspricht. Mercanto-Besucher*innen müssen ergo nicht mehr auf verschiedenen Webshops ihre Einkäufe tätigen, sondern können alles unter einem digitalen Dach erledigen. Auf dieser Plattform werden deshalb nicht nur Pistor-Produkte angeboten, sondern beispielsweise auch Verpackungsmaterialien. Wir sind der Hauptanbieter, es können aber auch Mitbewerber auf Mercanto mitmachen. Nächsten Sommer sollten sämtliche Pistor-Kund*innen integriert sein.
Als ehemaliger Bäcker-Konditor hat Markus Lötscher das Bäcker-Gen sozusagen im Blut. Er hat sich stark für seine Eigentümer (Bäcker-Confiseure) eingesetzt. Wie wichtig ist Ihnen die gewerbliche Bäcker-Confiseur-Branche?
Also «Guetzli» backen kann ich auch … (lacht). Ich bin zwar kein gelernter Beck, aber das muss ich auch nicht sein. Ich identifiziere mich nämlich stark mit den Bäckern-Confiseuren und verstehe ihre Herausforderungen. Deshalb wird Bäckerei-Confiserie auch in Zukunft das wichtigste Segment bei Pistor bleiben, das ist in unserer Strategie verankert.
Pistor wird eine Genossenschaft bleiben …
Ja. Wir werden weiterhin alles dafür tun, die beste Partnerin für unsere Genossenschafter zu sein.
Die Tochterfirma von Pistor AG, die Proback, hat im letzten Jahr einen Strukturwandel vollzogen. Wo sehen Sie den Aufgabenbereich der Proback in Zukunft?
In erster Linie wird Proback für Pistor der verlängerte Arm in die Branche bilden. Bei Proback können sich unsere Mitglieder Beratungen und Ratschläge abholen, um ihr Geschäft voranzutreiben. Vor allem drei Bereiche decken wir ab: die Unterstützung von Jungunternehmenden mit Know-how und Lösungen, Optimierungen für bestehende Betriebe sowie Übergaben und Nachfolgeregelungen.
Ein wichtiger Pfeiler in der Pistor-Unternehmensstrategie ist die Nachhaltigkeit. Wie wird diese künftig gelebt werden?
Pistor lebt die Nachhaltigkeit in drei Bereichen: Die soziale Nachhaltigkeit mit unserer wertschätzenden Unternehmenskultur, der ökonomische Aspekt, um langfristig einen Mehrwert schaffen zu können, und die Ökologie. Hier setzen wir beispielsweise Elektro LKWs ein.
Wo sehen Sie Pistor in zehn Jahren?
Ein Ziel ist es, Pistor für die nächste Generation fit zu halten. Das heisst finanzielle Unabhängigkeit und Service- und Dienstleistungen auf die Bedürfnisse unserer Kund*innen auszurichten. Unser zweites Ziel ist, die grösste, unabhängige Grosshandels-Plattform der Schweiz werden. Das ist nicht komplett neu, sondern eine Weiterentwicklung von dem, was wir heute bereits machen – mit den digitalen Lösungen und Mercanto als Pfeiler.
Welches sind Ihre Wünsche an unsere Mitglieder?
Da habe ich zwei Wünsche: Dass uns die Mitglieder weiter so fordern, wie sie es in der Vergangenheit bereits getan haben. Denn wir wollen uns weiterhin verbessern. Und der zweite: Dass die Mitglieder weiterhin Vertrauen in Pistor und in deren Führung haben. Das heisst auch, dass wir weiterhin genügend finanziellen Spielraum erhalten, um unsere Kundendienstleistungen weiterzuentwickeln und zur Verfügung zu stellen.
Welche Erwartungen haben Sie an den Verband der Schweizer Bäcker-Confiseure?
Der Verband sollte seine bisherige Arbeit fortführen. Er macht einen sehr guten Job. Der SBC ist in der Branche ein wichtiger Partner, vor allem im Bereich Politik, andererseits aber auch in der Kommunikation nach aussen. Er wird in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Ich hoffe, dass das weiter Früchte trägt.
Kurze Fragen
Schlager? Stärken? Das Lieblingsprodukt?
«Panissimo» hat dem neuen CEO von Pistor, Patrick Lobsiger, zusätzlich noch ein paar nicht alltägliche Interviewfragen gestellt …
Welches sind Ihre Stärken?
Lösungsorientiert Strategien zu entwickeln.
Sie sind Ausdauersportler …
… ja, ich treibe gerne Sport. Ausdauer ist sicher auch eine meiner Stärken.
Wo würden Sie sich gerne verbessern?
(spontan) Mein Französisch.
Meer oder Berge?
Meer.
Schlager oder Rockmusik?
Eigentlich keines von beiden. Eher Jazz- oder Weltmusik.
Salziges oder Süsses?
Salziges
Schwimmen oder Joggen?
Joggen
Virtuelle oder physische Sitzung?
Hier hätte ich früher sicher anders geantwortet. Heute sage ich beides, aber in der richtigen Balance.
Kaffee oder Tee?
Kaffee
Bier oder Wein?
Da kommt es auf den Durst an. Bei heissem Wetter lieber ein Bier. An einem schönen Abend gerne ein Glas Wein.
Dunkle oder weisse Schokolade?
Dunkle
Helles oder dunkles Brot?
Helles Brot, obwohl mir bewusst ist, dass es nicht ganz so gesund ist wie das Dunkle.
Die drei Lieblingsprodukte in unserer Branche?
Antwort: Nussgipfel, Laugebretzel, Schokolagenosterhasen
Interview: Claudia Vernocchi
Patrick Lobsiger
Patrick Lobsiger verfügt über mehrjährige Berufserfahrung im Lebensmittelgrosshandel. Nach Abschluss der Berufslehre studierte er Betriebswirtschaft und absolvierte ein internationales MBA-Programm an der IE Business School in Madrid.
Der neue Pistor-CEO war bis zum vergangenen Frühjahr als Chief Marketing & Procurement Officer bei Transgourmet tätig. Davor war er CEO bei der Office World Gruppe. In den vorangehenden Jahren hatte Patrick Lobsiger verschiedene Führungspositionen, unter anderem bei Amazon, inne. Der gebürtige Schaffhauser lebt mit seiner Familie in Staufen AG.