Die Mitglieder der Internationalen Gastronautischen Gesellschaft haben die knapp 300-jährige Basler Traditionsbäckerei am Riehentor übernommen und daraus wortwörtlich Kult gemacht.

weitere Bilder in der Fotogalerie…»

Die Bäckerei Kult, wie sie heute ist, entstand eher zufällig. Während ihrem Studium am Institut HyperWerk der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel gründeten Felicia Schäfer und Leon Heinz vor rund fünf Jahren die Internationale Gastronautische Gesellschaft und machten sich nach dem Studium damit selbstständig. Damit huldigten sie ihren gemeinsamen Leidenschaften: Essen, Kommunikation und Gestaltung. Die beiden Design-Studenten kannten die ehemaligen Besitzer der Bäckerei am Riehntor. Ursprünglich sollten sie den Eigentümern nur beratend zur Seite stehen. Doch das Blatt wendete sich.

Not macht erfinderisch

Die Besitzer mussten den Betrieb kurzerhand aufgeben, da sie nicht mehr über genügend finanzielle Mittel verfügten. So wurde aus der Beratung eine Rettungsaktion.
Die Designstudenten entschieden sich, die Bäckerei in eigener Regie zu übernehmen. Die Philo­sophie entstand organisch. Im Zentrum standen qualitativ hochwertige, traditionelle und trotzdem innovative Produkte.
Die ehemalige Theater- und Literaturstudentin und heutige Mit­inhaberin Lea Gessler arbeitete zum Zeitpunkt des Geschehens in Paris als Köchin und Bäckerin. Als ihr langjähriger Freund Leon Heinz sie fragte, ob sie im Projekt eingestiegen möchte, sagte sie spontan zu.
«Um das Startkapital zusammenzukriegen, haben wir uns für Crowdfunding entschieden», so Lea Gessler. «Wir haben eine Medienmitteilung verfasst, eine Pressekonferenz organisiert und Medienschaffende eingeladen», fährt sie fort. Die Resonanz aufgrund der zahlreichen Zeitungsberichte war gross. Innerhalb kürzester Zeit waren mehr als die nötigen 30 000 CHF zusammen.

Eine abenteuerliche Zeit

«Da wir das Handwerk nicht beherrschten, wollten wir eine Fachperson einstellen. Es war eine Bäckerei im französischen Stil geplant. Deshalb schalteten wir eine Online-Anzeige und hängten im Elsass Plakate auf», erzählt die heutige Branchenfrau weiter. In einer ersten Testphase war die Bäckerei immer zwischen 16 und 20 Uhr geöffnet. Es wurden täglich zweierlei Sandwiches hergestellt, die jeden Tag variierten. Daneben gab es eine Auswahl an Broten, Croissants, Torten und vieles mehr. «Es war eine abenteuerliche Zeit und wir haben viel gearbeitet», so Lea Gessler rückblickend.
Zur Eröffnungsfeier im Januar 2016 verteilten die Jungunternehmer Teiglinge und Flyer mit einer Einladung zu einem Pizza-Abend in der Bäckerei. «Der Laden war voll und der Event ein Erfolg auf der ganzen Linie», erinnert sich Gessler. Ein paar Monate später kam die lukrative Anfrage: Backwaren für das Warenhaus Globus zu produzieren. Nun musste fast die doppelte Tagescharge hergestellt werden, «damit haben wir einen ‹zusätzlichen Standort› gewonnen», meint die Bäckersfrau mit einem Schmunzeln.

Alles hausgemacht

Die kleine Backstube platzte langsam aus allen Nähten. Denn bei Kult ist alles hausgemacht. Es wird konsequent auf zugekaufte Halbfabrikate verzichtet. Von der Konfitüre bis zum Antipasti-Gemüse. Dies stellte die Geschäftsleitung vor die Entscheidung: vergrössern oder verkleinern? Sie entschieden sich für Ersteres. 2017 wurde das «Elsi», ein Komplementär-Standort mit Restaurantbetrieb an der Elsässerstrasse, eröffnet und so zusätzliche Produktionsfläche geschaffen. Alle Viennoiseriegebäcke werden nun im «Gipfelizimmer» hergestellt, und die neue Küche bietet genug Platz, um täglich die warmen Speisen zuzubereiten.
Die Rohstoffe werden von regionalen Produzenten und Bauernhöfen bezogen. «Jeden Tag erhalten wir frisches Gemüse und frische Früchte. Daraus kreieren wir täglich neue Sandwiches, Quiches und Suppen», erklärt Lea Gessler. Die Qualität habe Priorität und sei wichtiger als günstige Rohstoffe – «die Produkte kosten, was sie kosten».

Kreativität im Vordergrund

Ziel sei es nun, die Prozesse zu professionalisieren und das Unternehmen zu stabilisieren. Denn seit vier Jahren befindet sich der Betrieb in einem konstanten Wandel. In der Bäckerei Kult arbeiten heute 40 Mitarbeitende. Für die Geschäftsleitung sei wichtig, die richtigen Leute zu finden, die auch in das Konzept passen. «Unsere Hie­rarchien sind flach und wir schauen unseren Mitarbeitenden nicht den ganzen Tag auf die Finger», unterstreicht die Mitinhaberin.
Ein weiteres Bestreben: Das Kreative soll wieder in den Vordergrund treten. Wir wollen vermehrt Events und Workshops organisieren und uns der Entwicklung unserer Produkte widmen.
Die Devise lautet: «Wir machen es so, wie wir es für richtig halten, und lassen uns nicht von traditionellen Ansichten abschrecken», stellt Gessler abschliessend klar. Etwas mehr «Experimentierfreudigkeit» würde sie sich auch im Bereich Berufsbildung wünschen.

Das könnte Sie auch interessieren

«Der Titel Pain d’or ist äusserst wertvoll …»

Rund 20 % Neukunden dank Swiss Bakery Trophy