Der ehemalige Bäcker-Confiseur André Lüthi und heutige VR-Präsident und CEO der Globetrotter Group erhielt letzte Woche den Berner Kommunikationspreis, der jährlich von der Berner Public Relations Gesellschaft (BPRG) an eine Persönlichkeit verliehen wird, die ohne entsprechende Fachausbildung aussergewöhnliches kommunikative Leistungen erbringt.

Der heute erfolgreiche Reiseunternehmer André Lüthi ist für seine «kontinuierliche, authentische und überzeugende Kommunikation» ausgezeichnet worden, so BPRG-Präsident Cla Martin Caflisch. «panissimo» war an der Preisverleihung in Bern dabei und unterhielt sich im Anschluss daran mit dem ehemaligen Branchenfachmann.

Herzliche Gratulation, Herr Lüthi! Sie haben in Ihrer beruflichen Karriere bereits viele Preise gewonnen. Was bedeutet dieser für Sie?

Für mich ist es ein spezieller Preis. Ich bin für etwas ausgezeichnet worden, das ich immer getan habe, nämlich Kommunzieren und auf Menschen zugehe. Das tue ich unheimlich gerne …

Sie sind seit Jahren erfolgreich in der Reisebürobranche tätig. Gibt es in der Kommunikation Gemeinsamkeiten mit derjenigen der Bäcker-Confiseure?

Klar! Ich muss die Mitarbeitenden in meinem Entscheiden miteinbeziehen, egal, ob ich eine kleine Bäckerei-Konditorei oder ein grosses Reiseunternehmen führe.

Als Bäckerlehrling habe ich mir oft etwas mehr Kommunikation gewünscht und beispielsweise nicht erst morgens um 3 Uhr zu erfahren, dass man 50 Kilogramm Brot mehr produzieren muss.

Sie haben es erwähnt. Sie haben eine Bäckerlehre gemacht …

… und eine Zusatzlehre als Confiseur …

… oh, weshalb haben Sie sich damals für diese Lehren entschieden?

Mein Vater war Eierhändler und ich begleitete ihn jeweils während den Schulferien. So hatte ich in viele Backstuben Einblick. Zudem betrieb ich als Ringer intensiv Sport. Ich fand es cool, morgens zu arbeiten und am Nachmittag frei zu haben und trainieren zu können. Während meiner Lehre habe ich aber sehr viel Spass an der Arbeit gekriegt und die beste Prüfungsarbeit im Kanton Bern abgeliefert. Ich konnte anschliessend an die Schweizer Meisterschaften in der Richemont-Schule in Luzern – gibt es diese Schule noch?

Ja, die Richemont Fachschule gibt es noch. Nur der Standort hat gewechselt.

Zuerst war die Lehre eine Notlösung. Mit der Zeit ein Beruf, der mir viel Freude bereitete. Aber ich wusste, dass ich weitergehen, weiter entdecken will. Aber heute träume ich ab und zu davon, Besitzer eines schönen Holzofens zu sein.

Was hat Ihnen während Ihren Lehren am besten gefallen?

Dass ich, wenn ich um 11 Uhr «Fürabe gemacht habe», das Resultat meiner Arbeit sehen konnte: 70 Kilo Halbweiss, «ds Ruche», die Crèmeschnitten, Diplomat, gefüllte Cornets. Als Confiseur liebte ich es, Schaustücke herzustellen. Ein Formel-1-Fahrzeug aus Schokolade zu kreieren oder die Kirche von Schwarzenburg, das war ein Highlight.

Haben Sie Zeit für solche Arbeiten oder würden Sie dies gerne Mal wieder machen?

Manchmal schon. Wenn ich im Ausland bin, backe ich. In Nepal werde ich eine Züpfe herstellen.

Was hat Ihnen während der Lehre nicht so sehr gefallen?

Das Aufstehen war es nicht. Daran hat man sich gewöhnen können. Die Arbeit gefiel mir. Es war viel mehr die fehlende Perspektive. Es gab auch niemanden in meinem Umfeld, der mir mögliche Wege des Weiterkommens aufzeigen konnte. Noch heute sagen mir nahe stehende Personen: Du hättest es auch als Bäcker weit gebracht.

Wenn Sie Besitzer eines Betriebs in unserer Branche wären, worauf würden Sie achten?

Auf ein absolutes USP (unique selling proposition – Alleinstellungsmerkmal). Ich würde die bestehenden und potenziellen Kunden ständig überraschen. Zudem würde ich jeden Morgen mindestens zwei Stunden im Laden stehen. Näher an die Menschen rangehen!

Und ich besässe einen Ofen, mit welchem ich jeden Mittwochnachmittag mit Kindern backen würde. Denn: Wenn du die Kinder hast, hast du die Eltern.

Was wäre ein absolutes Nogo?

Die industrielle Produktion. Ich erinnere mich an die Weiterbildungskurse in Volketswil. In einer Industrie-Bäckerei ist die ganze Kreativität tot. Da waren ein gelernter Bäcker und 30 Hilfsarbeiter in der Backstube.

Unsere Branche hat sich verändert. Welche Veränderungen nehmen Sie als Kunde und ehemaliger Bäcker-Confiseur wahr?

(André Lüthi überlegt.)

Ehrlich gesagt keine grossen. Ich habe das Gefühl, sie sei eingeschlafen. Wenn ich jeweils meine frühere Stamm-Bäckerei, die mittlerweile den Betrieb aufgegeben hat, betrat, hatte ich den Eindruck, in meinem damaligen Lehrbetrieb in Schwarzenburg zu stehen. Es hat sich in den letzten 30 Jahren nicht viel geändert. Da ist der Ladentisch, die Kühlanlage, das Brot im Gestell und die Mitarbeiterin, die fragt: «Was darf ig Öich gä?».

Fehlt der von Ihnen angesprochene USP?

Ja, und auch das Interagieren. Braucht es tatsächlich ein Gestell und einen Ladentisch, hinter welchem die Mitarbeiterin steht? Weshalb kann ich nicht herumlaufen und mich beraten lassen? Weshalb werde ich nicht angesprochen mit beispielsweise: «Wäre dies nicht ein Brot für Sie?»

Nein, ich stelle keine grossen Veränderungen fest, ausser dass man jetzt ein Super-Kassensystem hat und eventuell noch eine Lagerbewirtschaftung.

Wir haben Unternehmen in unserer Branche, die sehr innovativ sind. Klar, es gibt auch die anderen Betriebe, und diese haben grosse Mühe auf dem aktuellen Markt.

In der Reisebranche herrscht die gleiche Situation.

Sie sind Vater von zwei Kindern. Würden Sie ihnen zu einer Bäckerlehre raten?

Nein, nicht empfehlen. Unsere Kinder haben selbstständig entschieden, was sie erlernen möchten. Hätte mein Sohn Levin aber gesagt, ich will Konditor werden, hätte ich als Vater geantwortet: Aber sicher! Ich unterstütze die Lehre voll und ganz.

Die Ursache für den Nachwuchsmangel sind nicht die Jungen, das sind die Eltern. Sehr viele Eltern machen heute grossen Druck, weil sie ihr Kind im Gymer haben wollen. Das Image der Lehre, egal ob Bäcker oder Spengler, muss wieder aufgewertet werden. Es darf nicht sein, dass wenn ein Kind, das entscheidet, eine Velomechanikerlehre zu machen, die Eltern eine Lebenskrise kriegen. Das habe ich in meinem Bekanntenkreis selber erfahren müssen.

An meinem Berufsweg sieht man: Es geht ebenfalls als Bäcker. Auch eine Lehre hat ihren Weg.

Auch die Reisebranche steht enorm unter Druck. Meine ketzerische Frage zum Abschluss: Wie lange gibt es noch die Reisebüros? Eine Frage, die unser Verband übrigens auch zu hören kriegt?

Noch bis 2020, hat ein Professor in Kalifornien prophezeit. Ich widerspreche ihm. Solange es das Digitale gibt, werden auch die Reisebüros existieren. Aber nur dasjenige, das es versteht, dem Digitalen auf Augenhöhe zu begegnen. Bekämpfen und Jammern bringt nichts, sondern das anbieten, was das Internet nicht kann, nämlich den Kontakt zu den Menschen, die Kommunikation, die individuelle Beratung. Deshalb wird es in meinen Augen Reisebüros immer geben – nur nicht mehr so viele.

Es gibt Reisebüros, die stellen Prospekte auf, die Berater sitzen hinter ihren Tischen und warten, bis ein Kunde kommt und sagt, ich will nach Mallorca. Der Kunde kriegt den Katalog, geht nach Hause, bespricht dies mit der Familie und kommt am nächsten Tag buchen und das Reisebüro kriegt 10 %. Das ist tot.

Es ist wie bei den Bäckern.

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