Innovation und Nachhaltigkeit waren die Schwerpunkte am Jahrestreffen der Bäckermitglieder von United Against Waste in den Merz-Produktionsräumen auf dem Rossboden in Chur.

Wie packt das Unternehmen Merz das Thema Innovation an? Wie werden die Ideen umgesetzt? Wie wird Food Waste integriert? Gastgeber und Firmenmitinhaber Roni Merz lieferte anhand von Beispielen die Antworten unter dem Titel Innovationsmanagement by Merz. Das Thema Innovation sei nicht nur im Leitbild erwähnt. Diese Philosophie ist seit den Anfängen gross geschrieben worden. Bereits seine Grosseltern hätten die Innovation vorgelebt. «Die Innovation ist Teil der Merz-DNA.»

Roni Merz nannte ein aktuelles Beispiel: Seine Mitarbeitenden würden unaufgefordert innovative Produkte in den Betrieb bringen, so dass er jeweils nach den Sommerferien eine Menge neuer Produkte auf seinem Tisch habe. Die Vision von Roni Merz: Alle zwei Monate eine Innovation.

Automatischer Brotkasten

Mit dem Bau der «Merz»-Backstube auf dem Churer Rossboden habe man 2010 einen wahren innovativen und nachhaltigen Quantensprung vollzogen: Das erste Minergiehaus mit Tagesbäckerei. «Es ist ein transparentes Haus. Wir zeigen alles, wollen nichts verstecken», betonte der Jungunternehmer vor den über 50 Teilnehmenden. Im Hause Merz werden die Verbundenheit zur Region und die Nachhaltigkeit gelebt. Dies spürt man im Produktionsgebäude Rossboden in allen Bereichen.

Die Früchte tragende Zusammenarbeit mit regionalen Betrieben und Institutionen ist ein bedeutender Pfeiler in der Unternehmensstrategie. Aber auch das Gesundheitsthema, die Kommunikation mit den Mitarbeitenden, die Qualität und Natürlichkeit der Produkte sowie auch die Digitalisierung sind wichtige Punkte. Im Zusammenhang mit letzterem erwähnte Roni Merz in seinem Vortrag als Vision unter anderem den automatischen Brotkasten, der, wenn er leer ist, eine neue Bestellung auslöst.

Massnahmen gegen Food Waste

Die Verhinderung von Food Waste ist ein grosses Anliegen von Roni Merz und seinem Team. Folgende Massnahmen hat man in diesem Zusammenhang getroffen:

– 48-Stunden-Bestellfrist

– tägliche Anpassung der Finalbestellungen dank Digitalisierung

– schmales Sortiment

– maximale Menge Retouren pro Standort angeben (6 – 10 %)

– Produkte mit langer Haltbarkeit herstellen

«Merz vom Vortag»

Da es keine Äss-Bar in Chur und Umgebung gibt, werden die schnell verderblichen Waren der Caritas abgegeben oder in Biogas-Sammeltanks entsorgt. Die länger haltbaren Produkte werden zu Paniermehl verarbeitet, einer wohltätigen Institution übergeben oder in der Filiale «Merz Giacometti», die sich in einem Gebiet mit relativ geringer Einkaufskraft befindet, unter dem Namen «Merz vom Vortag» verkauft. Die angeschriebenen Preise dieser Waren decken einzig die Rohstoff- und die Personalkosten. Mit einem Teil des übrig gebliebenen Brotes wird Tauschhandel betrieben, beispielsweise Brot gegen Milch.

Privilegiert

Die grösste Challange bei der Umsetzung sei, dass alle am Projekt mitziehen und dass die Innovation und die Nachhaltigkeit tatsächlich gelebt werden. Dazu brauche es Geld, Zeit, Energie und Geduld, aber auch die Gabe, selektionieren zu können. Roni Merz erwähnte in seinem Referat einen anderen wichtigen Baustein für ein erfolgreiches Gelingen: Offenheit und Weiter­bildung. Sätze wie «Das haben wir immer so gemacht» sind absolute Bremser. Sein persönlicher Treiber ist die Freude am Beruf, am Handwerk und am Produkt. Er erinnerte die Anwesenden daran, dass sie als Selbstständigerwerbende privilegiert seien, weil sie ihre Ideen direkt umsetzen können.

«Ich lebe meinen Bubentraum»

Ein weiterer «Leuchtturm» an der Veranstaltung war der ehemalige Käser und Bobfahrer Andi Lieberherr. Heute ist er Leiter des Burgrain-Bauernhofs, wo er Bio-Produkte nachhaltig produziert und vermarktet. Auf dem Hof hat es selbstständige Pächter wie unter anderem zwei Käser, Bauern und einen Bäckermeister. Mit seinem Feuerwerk an Statements und Beispielen aus seiner Tätigkeit entfachte er im Publikum Funken der Begeisterung. «Ich lebe meinen Bubentraum!» verriet er den Gästen.

Keinen Lidl, Aldi, Coop oder Migros

Bei ihm gebe es keinen Lidl, Aldi, Coop und keine Migros. «Sie haben den kleinen Betrieben, die im Bio-Bereich harte Pionierarbeit geleistet haben, das Terrain abgegrast.»

Aber nicht nur die Produktion liegt ihm am Herzen. Er will den Jungen und künftigen Konsumentinnen und Konsumenten den Produktionsprozess aufzeigen. So können die kleinen, aber auch grossen Besucher einen Blick in den Stall werfen. «Die Menschen sind ein ganz wesentlicher Faktor», erklärte Andi Lieberherr. Gibt man einer Person das Gefühl, sie sei wichtig, kann sie Bäume ausreissen. «Egoisten haben in unserer Familie keinen Platz!»

Von 3000 auf 10 Mio. CHF Umsatz

Mit der Tochterfirma RegioFair Zentralschweiz vermarktet Lieberherr Waren von 60 Bauern aus der Region. Neu werden die Egli Müller Reformhäuser beliefert. Der Umsatz hat sich von 3000 CHF im Jahr 2010 auf rund 10 Mio. CHF erhöht.

Food Waste gibt es auf dem Burgrain-Bauernhof praktisch nicht. Was im Handel übrig bleibt, wird in der Restaurantküche verarbeitet oder dem Personal abgegeben.

Die anschliessende Degustation an der Food-Waste-Veranstaltung – Trockenfleisch, Cervelat und Käse vom Burgrain-Bauernhof, kombiniert mit einer Auswahl von auserwählten Broten aus dem Hause Merz – war für die Teilnehmenden Beweis für die vorzügliche Qualität der Ware.

Heinz Nussbaumer, Vizepräsident United Against Waste , der sich selber als Foodaktivist bezeichnet, wies die Teilnehmenden mit Herzblut auf die bedrohliche Umweltsituation hin, sprach über die nach wie vor grossen Herausforderungen in unserer Branche und zeigte in seiner PowerPoint-Präsentation und in einer kleinen informativen Ausstellung verschiedene innovative und nachhaltige Produkte und präsentierte eine Auswahl von Fachbüchern.

«Dieser Anlass hat wieder mal aufgezeigt, dass sich eine Mitgliedschaft bei United Against Waste für jedes Bäcker-Confiseur-Unternehmen lohnt», unterstrich Heinz Nussbaumer gegenüber «panissimo».

Das könnte Sie auch interessieren