An einem mehrtägigen Volontariat gaben drei Bäcker-Konditoren ihre Berufskenntnisse an motivierte Studierende der Sangira-Berufsschule in Nyamasheke (RWA) weiter und vermittelten ihnen Rezepte. Unterstützt wurden sie von SBC-Ambassadeur André Lüthi, der voll hinter diesem Projekt steht.

Initiiert wurde das Projekt der Realisierung einer Bäckerei-Fachschule von der Sozialunternehmerin Jackie Helfenberger, die mit viel Passion und Leidenschaft in Ruanda die Sangira-Hotelfachschule gegründet hat. An dieser sollen in Zukunft auch Bäcker-Konditor/innen ausgebildet werden, um ihnen im Land, dem es an Fachkräften mangelt, eine berufliche Zukunft zu ermöglichen.

Ausbildungsstätte für Bäckerinnen und Bäcker

Jackie Helfenberger ist überzeugt, dass die Realisierung der Bäckerei-Fachschule bald an die Hand genommen werden kann: «In den nächsten Tagen wird ein Container mit Bäckereimaschinen und Geräten aus der Schweiz eintreffen. Das Konzept für die Angliederung der neu zu bauenden Schulbäckerei mit entsprechender Infrastruktur nach Global Swiss Learning Vorgaben, einem Lehrprogramm, an welchem auch die Riche-mont Fachschule beteiligt ist, steht. Dank gebrauchter Laptops aus der Schweiz und digitalen Lehrgängen wird Wissen nach Schweizer Standard vermittelt. Der aktuelle Bäckereiraum ist nicht als Schulbetrieb geeignet, da er viel zu klein und technisch zu einfach ist. Sangira benötigt finanzielle Mittel für den Neubau. Es sollen bis zu 50 Ausbildungsplätze für angehende Bäcker und Konditoren geschaffen werden. Die Berufsausbildung dauert sechs Monate und umfasst sowohl theoretischen Unterricht als auch praktische Ausbildung in der Backstube.»

Diese Ausbildungsstätte wird die erste Schule für den Bäckerberuf in ganz Ruanda sein. Damit unterstützt Sangira die Einführung des dualen Berufsbildungssystems nach Schweizer Vorbild. Die Absolvierenden haben gute Chancen, eine Anstellung zu finden oder gar ein eigenes kleines Unternehmen zu gründen.


Mitarbeit vor Ort oder Spenden
Sangira ermöglicht nicht privilegierten Ruanderinnen und Ruandern eine solide, professionelle Ausbildung. Alle Berufsangehörigen der Branche können das Bäckerei-Projekt auf verschiedene Wege unterstützen. So sind temporäre Schulungseinsätze in Nyamasheke möglich und werden vom Verein der Sangira-Schule gerne mitorganisiert. Ebenfalls sind Sach- oder Geldspenden mit dem Vermerk «Schulbäckerei Ruanda» an den Verein Sangira (Konto 15-691464-5, IBAN CH 31 0900 0000 1569 1464 5) eine grosse Hilfe.

Mehr Infos: sangira.ch


Zurzeit steht die Bäckerbranche in Ruanda auf einem tiefen Niveau, Jackie Helfenberger ist jedoch überzeugt, dass die Nachfrage nach hochwertigen Backwaren vorhanden ist: «Die Rohstoffe sind vorhanden, die wachsende Mittelschicht liebt Süssigkeiten und kann sich diese leisten, auch der Bedarf der Hotellerie wird angesichts des zunehmenden Tourismus stark ansteigen.»

André Lüthi ist Botschafter der Sangira-Schule

André Lüthi, Verwaltungsratspräsident der Globetrotter Group und «Ambas-sadeur du pain et du Chocolat 2018», reiste eigens für die Diplomfeier nach Ruanda und hat sich bereit erklärt, als offizieller Botschafter der Sangira-Schule zu wirken und sich für die Errichtung der Schulbäckerei zu engagieren. Er schloss 1979 im Kanton Freiburg seine Bäcker-Konditor-Lehre mit der besten kantonalen Prüfung ab und absolvierte noch die Zusatzlehre als Konditor-Confiseur. «Das Hantieren mit 50 kg Mehlsäcken gehörte damals dazu», meint er schmunzelnd, «dann packte mich das Reisefieber und ich zog in die weite Welt hinaus. Obwohl ich seit über 40 Jahren in keiner Backstube mehr stand, bin ich im Herzen Beck geblieben.»

Dass er das Handwerk immer noch versteht, bewies André Lüthi an einem Zopf-Workshop, den er den Studierenden bot. Er bewundert Jackie Helfenberger, wie sie es dank dem Aufbau eines Netzwerks fertiggebracht hat, diese Schule zu errichten.

Reiseunternehmer und Ambassadeur du pain et du chocolat André Lüthi (rechts vorne) wurde zum Botschafter der Sangira-Schule ernannt.

Dominierende Handarbeit

Die Schweizer Bäcker-Konditoren Jörg Heierli, Lukas Imseng und Kurt Wüst besuchten vom 2. bis 7. Oktober die Sangira-Schule, um ihr langjähriges Fachwissen weiterzugeben. Zusammen mit den Lernenden haben sie Brote und Kuchen für mehrere Hundert Personen gebacken, die der Diplomfeier für die Studierenden, welche ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, beigewohnt haben. Dabei mussten zahlreiche Herausforderungen gemeistert werden. In den engen Räumlichkeiten standen nebst dem Backofen einzig eine Teigmaschine und ein Kühlschrank zur Verfügung, alles andere musste in Handarbeit erledigt werden.

Das Engagement der weit gereisten Bäcker war eine grosse Hilfe für die Studierenden, gehört doch Brotbacken zu den Grundlagen in der Gastronomie. Sie haben eifrig geknetet, geformt und gebacken und voller Freude am Handwerk und am gemeinsamen Lernen die entstandenen Köstlichkeiten degustiert. An der feierlichen, knapp vierstündigen Diplomfeier wurden die 216 erfolgreichen «Graduates» vor zahlreichen Ehrengästen, Angehörigen, Freund/innen, Lehrerinnen und Lehrern gebührend geehrt. Sie stehen nun am Beginn ihrer Berufskarriere und haben eine wichtige Funktion in der Gesellschaft bis hin zum Unternehmertum zu erfüllen. André Lüthi, der 2016 erstmals in Ruanda war und ob der grossen Gastfreundschaft in diesem wunderschönen Land beeindruckt ist, überbrachte die Grüsse von Nationalratspräsidentin Maja Riniker und von SBC-Präsident Silvan Hotz und zeigte sich gewillt, den Tourismus in Ruanda zu fördern.

Das Volontariat aus Sicht der Schweizer Bäcker

Jörg Heierli, Bäcker-Konditor mit Berufsprüfung und Koch (links im Bild), ist noch bis Anfang Dezember mit dem Fahrrad in ganz Afrika unterwegs: «Zeitpunkt und Ort haben für mich gepasst, sodass ich gerne mitgewirkt habe. Meine Aufgabe war es, das erforderliche Material wie Mehl, Eier, Margarine, Früchte und Gemüse zu organisieren, um Zöpfli, Kuchen, Vanillecreme, Apfelschwäne, Spitzbuben, Guetzli, Sablés, Canapés, Quiches usw. herzustellen. Für das Bananenbrot habe ich ein Rezept erarbeitet.»


Lukas Imseng, Ex-Inhaber eines Bäckereihotels in Saas-Fee: «Der Beginn verlief etwas harzig, weil wir lange auf wichtige Zutaten warten mussten und es an klaren Strukturen und Zuständigkeiten fehlte. Es gab weder eine Fritteuse noch eine Ausrollmaschine oder einen Thermostat. Wir mussten viel improvisieren mit ungewohnten Materialien, der braune Rohrzucker beispielsweise hat sich nicht gut aufgelöst und einen ganz anderen Geschmack. Während dem Backen fiel plötzlich der Strom aus, weil der Zähler abgelaufen war und wir nachzahlen mussten, um wieder Strom zu haben! Als starker Regen auf das Wellblech prasselte, verstand man das eigene Wort nicht mehr.

Dennoch war es eine Freude, unsere Fachkenntnisse an die sehr motivierten Lernenden weitergeben zu können. Sie zeigten eine gute Aufnahmefähigkeit und hatten eine Riesenfreude, als die Endprodukte aus dem Ofen kamen. Eine schöne Geste war, dass die Studierenden die Reste ihres Mittagessens an Kinder abgaben, welche sich sehr dankbar zeigten.»


Kurt Wüst, Ex-Inhaber einer Feinbäckerei in Gampel: «Es war für mich wie eine Zeitreise in die Vergangenheit, als ich 1981 meine Bäckerei mit einem Minimum an Maschinen und ohne Tiefkühler eröffnet habe. Wir mussten viel improvisieren und mit dem hier vorhandenen Angebot arbeiten. Als langjähriger Ausbildner von Lernenden und Gewerbeschullehrer konnte ich mein Wissen und meinen Erfahrungsschatz an die hoch motivierten Jugendlichen weitergeben. Mit grosser Freude und Energie haben sie meine Tipps aufgenommen und sofort ausprobiert. Obwohl nicht alles perfekt war, haben wir gemeinsam das Maximum herausgeholt.

Trotz engsten Platzverhältnissen gab es auch nie Streit unter den Lernenden, alle gaben ihr Bestes und zeigten sich dankbar. Wenn diese dank der Ausbildung an der Sangira-Schule eine Arbeitsstelle in Ruanda finden, ist unser Ziel erreicht.

Markus Tscherrig, ehemaliger Redaktionsleiter von Panissimo

Zum Autor
Markus Tscherrig (mitte) ist ehemaliger Panissimo-Chefredaktor sowie SBC-Vizedirektor und war insgesamt 37 Jahre beim Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verband angestellt. Obwohl er seit 2015 seinen Ruhestand geniesst, ist er der Welt der Schweizer Bäckerei-Confiserie weiterhin ein Begriff und berichtet von Zeit zu Zeit für Panissimo.


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