Nach über 42 Jahren an der Fachschule ging der einstige Richemont-Bäckereichef und -Berater Werner Hürlimann definitiv in Pension. Im Interview berichtet er über diese lange Zeit und seine berufliche Leidenschaft.

Sie wurden als «Teigflüsterer aus Luzern» betitelt. Wie kam es dazu?
Ab 1995 war ich oft für Seminare des Branchenzulieferers Bäko in Deutschland. Dort ging es mehrheitlich um langgeführte Teige, aber auch um weiche Teige, und ich zeigte, wie man diese herstellt. So kam ich zu diesem Titel.

Was fasziniert Sie an Teig und Brot?
Teig und Brot üben auf mich eine Faszination aus. Wenn ich wieder Deutschland betrachte: Dort hatten sie immer sehr feste Teige mit einer kompakten Krumenstruktur. Mit den weichen Teigen erzielte man eine etwas wattige und rösche Kruste sowie eine sehr grobe Porung. Die lange Triebführung führt zum Stärkeabbau und zu Veränderungen in der Eiweissstruktur. Das faszinierte die Deutschen. Die Bäckerei Fahland in Potsdam bei Berlin hat nun sogar ein Hürlimann-Brot.

Sie betonen stets: «Die wichtigste Person in der Backstube ist jene am Kneter.» Doch heute ist die Trieb­führung in aller Munde. Was braucht es nun wirklich für gutes Brot?
Für die Teigherstellung ist es sehr wichtig, die Mehleigenschaften zu kennen. Wenn der Teig richtig gemacht ist und die Struktur schön ausgebildet ist, kann man erwarten, dass es daraus ein gutes Brot gibt. Zentral ist, dass die Person am Kneter den Teig so herstellt, dass er gut gebunden wird und dass sich die Eiweiss- und die Stärkestruktur richtig entwickeln können. Wenn man die Mehleigenschaften kennt, kann man bei Bedarf Korrekturen vornehmen. Die Zugabe von Flüssigmalz ist dabei sehr wichtig und hilft auch die Frischhaltung zu verbessern.
Bei Betriebsberatungen stellte ich oft fest, dass man beim Kneten alle Zugaben schon am Anfang beigab. In den letzten Jahren lernte man was passiert, wenn Zutaten gestaffelt beigefügt werden. Das betrifft die Butter genauso wie das Salz. Bei der Butter kommt es zudem auf ihre Temperatur an. Es ist wichtig, den Bäckern immer wieder mitzuteilen, wie sich dies auf den Teig auswirkt und dass es Sinn macht, Butter und Salz etwas später beizugeben.

Was ist Ihr Lieblingsgebäck?
Ich möchte zwei nennen: Zum einen der Butterzopf. Er ist aromatisch, hat eine lange Struktur und eine lange Frischhaltung. Zum anderen bevorzuge ich das typische Basler Brot. Dieses hat eine schöne grosse Porung und ist genügend gebacken. Es ist wichtig, dass ein Brot auch gut gebacken ist.

Die letzten Jahre waren Sie als Berater in Bäckereien im In- und Ausland tätig. Wo stellten Sie vor Ort die grössten Mängel fest?
Der grösste Handlungsbedarf liegt bei der Teigherstellung und bei der Überprüfung der Rezepturen. Dabei ist abgestützt auf die Triebführungsmethoden und die Gegebenheiten der Rezeptur erstens darauf zu achten, dass man statt mehrere Backmittel nur noch eines einsetzt. Zweitens müssen die Betriebe die Langzeitführung umsetzen. Viele Firmen, die ich beraten habe, hatten noch keine Erfahrung darin. Für den Backprozess wichtig ist zudem die Schnitttechnik. Diese wurde vernachlässigt, weil man nicht wusste, was eine korrekte Schnitttechnik fürs Porenbild bringt. Heute ist es auch sehr wesentlich, dass man die Kühltechnologie effizient einsetzt. Sie ist ein sehr wichtiges Instrument und hilft, die Produktion auf den Tag zu verlagern. Im Kanton Zürich konnte ich einen Betrieb begleiten, der dies erfolgreich umsetzte.

Sind die Herausforderungen für Klein- und Grossbetriebe anders?
Alle haben etwa dieselben Probleme. Es spielt auch keine Rolle, ob ein Betrieb in Deutschland, Österreich oder der Schweiz ist. Man muss die Teige pflegen. Andreas Dossenbach (Hürlimanns Nachfolger bei den Beratungen; Anm. d. Red.) hat dies anlässlich meiner offiziellen Pensionierung im «panissimo» richtig geschrieben: Ich hätte ihm eingeimpft, dass der Posten am Kneter der wichtigste ist, und dies habe sich bewahrheitet. Wenn dort gepfuscht wird, gibt es aus diesem Teig kein gutes Brot mehr. Probleme, die im Knetprozess nicht gelöst werden konnten, lassen sich danach nicht mehr ausräumen.

Sie waren durch Richemont-Kurse und -Beratungen mit sehr vielen Bäckern in Kontakt. Sind die Schweizer Bäckereien auf dem richtigen Weg?
Ich glaube, dass es die Bäckereien, die bis heute überlebt haben, richtig gemacht haben. Die Herausforderung ist, dass sich die Kundenbedürfnisse verändert haben. Ich sehe es selbst, wenn ich in meine zwei, drei Lieblingsbäckereien gehe. Zwei davon sind kleine Betriebe. Sie stellen Qualitätsprodukte her und haben damit sehr grossen Erfolg. Eine Bäckerei muss kundenfreundlich sein und nicht eine grosse Auswahl anbieten, sondern sich klar auf Qualität konzentrieren. Nichts anderes.
Man muss dem Kunden heute sagen können, dass man Produkte hat, die aus der Region stammen und in einem natürlichen Prozess hergestellt wurden. Der richtige Weg ist, eher weniger Hefe und eine lange Triebführung zu verwenden.

Die Fortsetzung des Interviews gibt es im «panissimo» vom 7. Februar zu lesen.

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