Mit den Schlussabstimmungen haben die eidgenössischen Räte die Sommersession abgeschlossen. 21 Vorlagen kamen parlamentarisch unter Dach und Fach. Ein Schelm, der Böses denkt und glaubt, dass einige Entscheide im Nachgang zum Frauenstreik und im Zusammenhang mit den nationalen Wahlen im Herbst gefällt wurden …

Mit den Schlussabstimmungen haben die eidgenössischen Räte die Sommersession abgeschlossen. 21 Vorlagen kamen parlamentarisch unter Dach und Fach. Ein Schelm, der Böses denkt und glaubt, dass einige Entscheide im Nachgang zum Frauenstreik und im Zusammenhang mit den nationalen Wahlen im Herbst gefällt wurden …Das Wichtigste aus der Sommersession:

  • Landwirtschaft: Im Nationalrat herrscht weitgehende Einigkeit, dass die Schweizer Bauern den Pestizid- und Antibiotikaverbrauch reduzieren müssen. Umstritten ist, wie das geschehen soll. Fortschritte versprechen sich die Initiativgegner vom Aktionsplan Pflanzenschutzmittel, von der Strategie Antibiotikaresistenzen und den vom Bundesrat mit der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) angekündigten Massnahmen. Die Trinkwasser- und die Pestizidverbots-Initiative sind für die Mehrheit des Parlamentes der falsche Weg. Die Initiativen sind wirtschaftsfeindlich. Ernteausfälle und steigende Preise können sich sehr negativ auswirken. Es müssten mehr Lebensmittel aus dem Ausland importiert werden. Weil kaum mehr Kakao und Kaffee eingeführt werden könnten, drohen in der verarbeitenden Industrie Tausende Arbeitsplätze verloren zu gehen. Auch unsere Branche, der Detailhandel, die Gastronomie und Hotellerie würden getroffen. Zudem wurden die Konsumentinnen und Konsumenten in ihrer Wahlfreiheit radikal eingeschränkt. Der Bundesrat lehnt Initiativen und Gegenvorschläge ebenfalls ab. Diese gingen zu weit und würden wegen der Importverbote auch gegen internationale Verpflichtungen der Schweiz verstossen, sagte Landwirtschaftsminister Guy Parmelin. Der Bundesrat habe aber die Hände nicht in den Schoss gelegt. Parmelin erinnerte unter anderem an die geplanten Massnahmen im Rahmen der AP22+. Die Botschaft dazu will er gegen Ende 2019 vorlegen. Der SBC wird die Vorlage beraten und im Herbst/Winter dazu die Abstimmungsparole fassen.
  • Mehrwertsteuer: Alle Unternehmen sollen die Mehrwertsteuer künftig halbjährlich abrechnen können. Das fordert der Nationalrat vom Bundesrat mit einer Motion. Unternehmen, welche die effektive Methode anwenden, müssen heute vierteljährlich eine Abrechnung einreichen. Motionär Lorenz Hess (BDP/BE) verspricht sich vom neuen Rhythmus weniger Aufwand für rund zwei Drittel der Unternehmen. Der Vorstoss geht nun an den Ständerat. Der SBC unterstützt diesen Vorstoss aktiv.
  • Berufliche Vorsorge: Der Bundesrat soll die Benachteiligungen der älteren Generation in der beruflichen Vorsorge (BVG) abschaffen und bei den Altersgutschriften einen Einheitssatz einführen. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion gutgeheissen. Arbeitnehmende ab fünfzig Jahren hätten im Arbeitsmarkt keine fairen Chancen mehr. Ein wesentlicher Grund liege in den steigenden Altersgutschriften, welche je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen würden. Diese führe zu einer ständig steigenden «Verteuerung» der betroffenen Arbeitskräfte. Daher brauche es einen Einheitssatz bei den Altersgutschriften. Der Bundesrat lehnte das Ansinnen ab. Zur Motion wird sich noch der Ständerat äussern.
  • Unternehmen: Inhaberaktien werden abgeschafft. National- und Ständerat haben sich auf die Regeln dazu geeinigt. Damit dürften sie verhindert haben, dass die Schweiz auf einer schwarzen Liste der EU landet. Beide Räte stimmten dem Antrag der Einigungskonferenz zu. In diese musste das Geschäft wegen einer einzigen Differenz. Diese betraf die Frage, wie mit ungültig gewordenen Inhaberaktien umgegangen wird. Im Gesetz steht nun, dass die Aktionäre ihre mit den Rechten verbundenen Aktien verlieren. Die nichtigen Aktien werden durch eigene Aktien ersetzt. Die Einigungskonferenz hält in einer Notiz zuhanden der Materialien fest, dass durch die Umwandlung keine direkten Steuern und auch keine Register­abgaben fällig werden. Die genauen steuerlichen Konsequenzen sollen in einem Leitfaden ausgeführt werden.
  • Betreibungen: Betreibungsämter sollen prüfen müssen, ob Personen, für die ein Betreibungsregisterauszug ausgestellt werden soll, im betreffenden Betreibungskreis Wohnsitz haben. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat eine entsprechende Motion unterstützt. Nun muss der Bundesrat handeln. Um einen sauberen Registerauszug zu erhalten, kann in einem beliebigen Betreibungskreis nach einer Betreibungsauskunft nachgefragt werden. Säumige Zahler tun dies bewusst und können so Gläubiger oder Vermieter in die Irre führen.
  • Internet: Grosse kommerzielle Internetplattformen sollen verpflichtet werden, ein Zustelldomizil in der Schweiz zu bezeichnen. Das fordert das Parlament. Damit soll die Rechtsdurchsetzung im Internet gestärkt werden. Der Vorstoss wurde damit an den Bundesrat überwiesen. Mit einem obligatorischen Zustelldomizil könnten allfällige Rechtsansprüche, z. B. bei Persönlichkeits- oder Datenschutzverletzungen im Internet, leichter geltend gemacht werden.
  • Deregulierung: Der Bundesrat muss das Bundesrecht nicht «entrümpeln». Der Nationalrat hat eine Motion von Hansjörg Knecht (SVP/AG) abgelehnt. Diese hätte den Bundesrat mit einer umfassenden Überprüfung und Bereinigung beauftragt. Der Gesetzesdschungel wachse ständig, argumentierte der Motionär. Der Bundesrat hielt fest, er teile das Grundanliegen, wolle dieses jedoch nicht in einem neuen, aufwändigen Projekt umsetzen. Stattdessen wolle er die laufenden Arbeiten zur Verbesserung der Regulierungsfolgenabschätzung und zur administrativen Entlastung weiterführen. Auch von der Digitalisierung verspricht sich der Bundesrat mehr Effizienz.
  • Vaterschaftsurlaub: Kurz nach dem Frauenstreik und im Wahljahr hat der Ständerat über eine vieldiskutierte gleichstellungspolitische Forderung entschieden: den Vaterschaftsurlaub. Der Ständerat hat über die Initiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub» sowie einen indirekten Gegenvorschlag dazu beraten und entschieden. Die Parlamentarier haben dem Gegenvorschlag mit 26 zu 16 Stimmen zugestimmt. Gleichzeitig empfiehlt eine Mehrheit die Ablehnung der Initiative. Vier Wochen Papi-Zeit würden rund 420 Millionen Franken kosten, zwei Wochen rund 230 Millionen, schätzt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV). Dabei handelt es sich um direkte Kosten. Die indirekten Kosten sind derweil umstritten. Offizielle Zahlen gibt es keine, doch kürzlich haben Schätzungen des KMU-Forums für Aufmerksamkeit gesorgt. Das KMU-Forum, in dem auch SBC-Präsident Silvan Hotz Einsitz hat, beziffert die indirekten Kosten eines zweiwöchigen bezahlten Urlaubs auf bis zu 900 Millionen Franken. Dies, weil Arbeitgeber einen Ersatz organisieren oder andere Angestellte bezahlte Überstunden leisten müssten, um die Abwesenheit des frischgebackenen Vaters zu kompensieren. Der SBC wird sich mit dieser Vorlage ebenfalls noch auseinandersetzen und eine Abstimmungsempfehlung veröffentlichen.
  • Weiterbildung: Ein Fonds auf Branchenebene für Weiterbildungen spielt in der Weiterbildungspolitik in der Schweizer Wirtschaft eine zentrale Rolle. Dieser Ansicht ist der Ständerat. Allerdings unternehme der Bund bereits einiges, um die Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden bei der Entwicklung einer gezielten Weiterbildungspolitik zu unterstützen, meint die Wirtschaftskommission des Ständerats – etwa im entsprechenden Artikel des Berufsbildungsgesetzes. Der Bund verfüge zudem über die rechtliche Grundlage, um Branchen-Weiterbildungsfonds zu fördern. Der Ständerat lehnte daher eine entsprechende Motion ab. Sie ist damit erledigt.
  • Konzernverantwortungsinitiative: Schweizer Unternehmen sollen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden von Tochtergesellschaften im Ausland geradestehen. Das will der Nationalrat. Er hat sich für einen indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungs­initiative ausgesprochen, die Sorgfaltspflichten und Haftungsregeln fordert. Dagegen stellten sich die Mehrheit der SVP- und der FDP-Fraktion. Nun ist wieder der Ständerat am Zug, der einen Gegenvorschlag abgelehnt hatte. Ob sich das Parlament am Ende auf Regeln einigen kann, ist ungewiss: Über die Initiative wird der Nationalrat erst entscheiden, wenn der Gegenvorschlag steht oder gescheitert ist.
  • Lebensmittel: Der Nationalrat will etwas gegen Lebensmittelverschwendung unternehmen. Geschäften soll die Abgabe von unverkäuflichen Lebensmitteln an gemeinnützige Organisationen erleichtert werden. Eine entsprechende Motion ist stillschweigend angenommen worden. Der Anti-Food-Waste-Vorstoss von SP-Nationalrätin Martina Munz (SH) geht nun an den Ständerat. Stimmt auch dieser zu, sollen Lebensmittelgeschäfte künftig noch geniessbare Lebensmittel bei Ladenschluss zertifizierten Organisationen oder Einzelpersonen überlassen können. Unsere Branche ist bereits proaktiv tätig, und auch hier will der SBC keine gesetzlichen Regulierungen. Ein Argumentarium ist auf www.swissbaker.ch aufgeschaltet.

Plastikmüll: Parlament wird aktiv

Das Parlament sagt dem Plastikmüll den Kampf an. Der Ständerat hat sich oppositionslos für eine vom Nationalrat angenommene Motion ausgesprochen. Dadurch soll die Plastikverschmutzung in Gewässern und Böden reduziert werden. Konkret will das Parlament den Bundesrat verpflichten, gemeinsam mit den betroffenen Branchen Massnahmen zu prüfen und zu ergreifen, um die Verwendung von Plastikverpackungen und Einwegkunststoffprodukten innert nützlicher Frist erheblich zu reduzieren. Weil der Ständerat den Vorstoss noch leicht abgeändert hat, geht dieser noch einmal an den Nationalrat.
Das EU-Parlament ist in diesem Thema vorausgegangen: Womöglich sind in EU-Ländern Plastikwegwerfartikel wie Röhrli, Teller und Besteck schon ab 2021 verboten. Schweizer Städte ziehen nach, so planen etwa Neuenburg und Genf die Einführung eines Röhrli-Verbots.
Bundesrat und Parlament ringen seit Monaten mit der Frage, wie auf Bundesebene mit dem Plastikproblem umzugehen sei. Eine Einschränkung der Plastikproduktion oder gar ein Verbot, wie es die EU plant, ist zu eng gefasst und daher wirkungslos. Denn zu den wich­tigsten Plastikimmissionsquellen gehören Abrieb von Reifen, Schuhsohlen, Asphalt und Fahrbahnmarkierungen, Kunststoff in Kompost oder Deponien, Verwehungen von Plastikabfall auf Sportplätzen sowie der Faserabrieb bei der Textilwäsche. Ein Verbot oder eine Einschränkung des Plastikverbrauchs ist deshalb wirkungsloser Aktionismus. Gut für die Volksseele, aber im Sinne der Problemlösung ineffizient. Der Grund: Die Umwelt wird mitunter dort am meisten belastet, wo man es am wenigsten vermutet. So gelten neben Littering und ins Ausland transportierte Plastikabfälle, die dort unsachgemäss endgelagert werden, zwei weitere Punkte als grösste Gefahrenquelle: Erstens Grünabfälle, in denen mehr Plastik zu finden ist, als man sich vorstellen kann. Zweitens der Abrieb von Autoreifen und Schuhsohlen auf der Strasse. In vielen Punkten sind die Handlungsmöglichkeiten der Konsumenten und des Gewerbes deshalb sehr beschränkt.

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