Falk, der fremde freireisende Bäcker- und Konditorgeselle aus Deutschland, arbeitete zweieinhalb Monate in der Produktion vom Berner Ängelibeck. «panissimo» gibt er einen Einblick in die Tradition der Wanderschaft und erzählt von seinen Erlebnissen.

Von Mitte November bis Ende Januar arbeitete der Wandergeselle in der Produktion des Ängelibeck in Köniz (BE) – seinen Nachnamen durfte er im Gespräch mit «panissimo» nicht nennen, da dieser für die Zeit der Wanderschaft abgelegt wird und die Berufsbezeichnung an dessen Stelle tritt. Er war 27 Jahre alt, als er im deutschen Wettesingen 2013 startete. Die Wanderschaft eines Gesellen dauert mindestens drei Jahre und einen Tag. Aus diesen drei, sind unterdessen sechseinhalb Jahre geworden.

Das Benutzen von Bus, Tram oder Zug ist für Gesellen zwar gestattet, jedoch darf kein Geld dafür aus­gegeben werden.

Falk wohnte in der Kolping-Genossenschaft im Berner Monbijou-Quartier und ging von dort jeden Morgen zu Fuss zur Arbeit. Denn: Das Benutzen von Bus, Tram oder Zug ist für Gesellen zwar gestattet, jedoch darf kein Geld dafür aus­gegeben werden. Lange Strecken dürfen notfalls per Anhalter gefahren werden. «Bei meiner Ankunft in der Unterkunft erhielt ich eine Tageskarte für den öffentlichen Verkehr in der Stadt Bern geschenkt», erzählte Falk. «Diese Gelegenheit packte ich am Schopf und fuhr jede Strecke einmal von Anfang bis Ende» – Sightseeing mal anders.
Zuhause in Wettesingen war er während seiner Wanderzeit bisher nie, denn: «Wir dürfen uns unserem Wohnort nicht mehr als 50 Kilometer nähern», erklärte Falk. In der Schweiz befinde er sich bereits zum dritten Mal. Gesehen habe er noch lange nicht alles.

Eine alte Tradition

Die Walz hat ihren Ursprung im Mittelalter. Junge Handwerksgesellen verlassen ihre Heimat, um die Welt zu entdecken. Sie arbeiten in vielen verschiedenen Betrieben und lernen so neue Handwerks­techniken und andere Traditionen kennen.

Das Wort Schlitzohr kommt vom Herausreissen des Ohrrings, wenn ein Geselle in der Vergangenheit eine Straftat beging.

Um auf Wanderschaft gehen zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Der Geselle muss einen Gesellenbrief eines traditionellen Handwerksberufs vorweisen können. Ausserdem muss er schulden- und straffrei, unverheiratet, kinderlos und maximal 30 Jahre alt sein. Die Regeln lernt der Wandergeselle von seinem Altgesellen. Dieser begleitete ihn – so will es die Tradition – die ersten drei Monate seiner Wanderschaft. «Nach der Jungschen Zeit gibst du dein Wort darauf, immer ehrbar und zünftig zu sein, und wirst genagelt», schildert Falk das Prozedere. Das heisst, dem Wandergesellen wird ein Ohrloch gestochen. Das Wort Schlitzohr komme vom Herausreissen des Ohrrings, wenn ein Geselle in der Vergangenheit eine Straftat beging. «Früher war der Ohrring aus Gold, damit bei einem Todesfall das Begräbnis bezahlt werden konnte.»

Elektronische Geräte wie ein Smartphone oder einen Laptop sind nicht erlaubt.

Persönliche Dinge dürfen so viele mitgeführt werden, wie ein Wandergeselle zu tragen vermag. Elektronische Geräte wie ein Smartphone oder einen Laptop sind hingegen nicht erlaubt. Das Charlottenburger – ein buntes Tuch – wird verwendet, um den Inhalt zu einem Bündel zusammenzuschnüren.
Zur traditionellen Kluft gehört ausserdem ein Wanderstab. Der Stab kann zwar erworben werden, dies sei jedoch verpönt, betont Falk. Deshalb muss jeder Geselle seinen Stenz – so heisst dieser Stab – im Wald suchen. «Ich benötigte drei Wochen, um meinen zu finden.
Die Rillen entstehen durch eine Schlingpflanze. Dazu kommt eine individuelle Kopfbedeckung. Sein Nachbar aus seinem Heimatdorf habe ihm den 100 Jahre alten Zylinder geschenkt.

Zahlreiche Souvenirs

Viel erlebt hat Falk auf seiner Wanderschaft allemal. Dies bestätigen zahlreiche Einträge seiner Bekanntschaften in seinem Gesellenbuch. Unter anderem hat er in München geholfen, eine glutenfreie Bäckerei aufzubauen, oder durfte einen Auszubildenden bei der Prüfungsvorbereitung unterstützen. «Es macht Spass! Ich schätze den menschlichen Aspekt sehr und habe viele Freunde gefunden.» Er gehe offen auf Menschen zu und lerne schnell neue Leute kennen. Natürlich werde er auch oft auf seine Kluft angesprochen. – «So kommt man schnell ins Gespräch.» Von den vielen Erlebnissen haben sich zahlreiche Souvenirs angesammelt: «Ich hebe alles auf und schicke die Andenken nach Hause.»
«Nach fünf Jahren war ich etwas müde vom Reisen», meinte Falk auf die Frage, ob es ihm noch nie verleidet sei. Er durfte einen Jungschen begleiten, und so hatte er die Möglichkeit, alles nochmals von Anfang an zu erleben. «Es tat mir gut und meine Begeisterung kehrte zurück.»

Kreativ und kunstvoll

Bäcker werden wollte er schon seit er ein kleiner Junge war. Den Grund weiss er nicht mehr genau. «Ich mag die Arbeitszeiten, die Kreativität und die Tatsache, in der warmen und wohlriechenden Backstube zu arbeiten.» Das Kreative und Kunstvolle versucht er auf seiner Wanderung vermehrt in die Bäckereien zu bringen.»
Die Herausforderung sei, bei der Arbeit immer den richtigen Ton zu treffen: «Manchmal kenne ich Prozesse, die effizienter sind. Diese Verbesserungsvorschläge zu kommunizieren, ist nicht immer einfach …»

Eine letzte grosse Reise

Falk hat bisher nur in deutschsprachigen Ländern gearbeitet. Nach der Zeit in der Schweiz will er erstmals zurück nach Deutschland und sich dann einen Traum erfüllen: Mit einem befreundeten Koch will er nach Japan reisen. Von dort geht’s mit dem Segelschiff über den Ozean nach Südamerika zu den Falk­inseln.
«Nach der Wanderschaft möchte ich die Meisterprüfung absolvieren und dann eine eigene Bäckerei eröffnen.» Seine innovative Idee: eine Bäckerei mit einem integrierten Kino.

Weitere Infos: www.baeckerwalz.de

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