Der St. Galler Confiseur (Confiserie Roggwiller) Martin Schnyder ist seit rund 100 Tagen in der Geschäftsleitung des SBC und im Verwaltungsrat der Übergangsorganisaton SBC/Richemont. Verantwortlich für die Finanzen, hat er im Zusammenhang mit dem Reorganisationsprojekt « Reload » eine grosse Aufgabe übernommen.

«Zurzeit ist der Weg das Ziel», erklärte Martin Schnyder gegenüber «panissimo» im Interview.

Herr Schnyder, Sie sind vor rund 100 Tagen vom Kongress in die SBC-Geschäftsleitung gewählt worden. Wie geht es Ihnen?
Ich muss etwas korrigieren: Gefühlt sind es bisher eigentlich nur zwei Tage, an denen der VR getagt hat, aber ich fühle mich sehr gut! Ich bin ausgezeichnet im Team aufgenommen worden. Es herrscht eine ausgezeichnete Stimmung, und man spürt bei allen den Willen zur Veränderung.

Neu tagen die SBC-Geschäftsleitung sowie der Stiftungs- und Verwaltungsrat der Richemont Fachschule gemeinsam. Wie haben Sie die Sitzungen des SBC-VR erlebt?
Es wurde konstruktiv und zielgerichtet gearbeitet. Da ich erst nach dieser Entscheidung dazugestossen bin, darf ich sie hinterfragen. Als Finanzchef habe ich mich gewundert, dass bis zum 29. August noch niemand die Zusatzkosten dieser Entscheidung berechnet hat. Dies wurde an der ersten Budgetsitzung in der Richemont Fachschule dann nachgeholt. Die Mehrkosten betragen 25 000 CHF. Für mich ein Betrag, für den es sich lohnen würde nochmals auf diese Entscheidung zurückzukommen.

Sie sind für die Finanzen zuständig, neu nicht nur für jene des SBC, sondern auch für jene der Richemont Fachschule. Erstmals wurde im Rahmen des Reorganisationsprojekts «Reload» eine konsolidierte Rechnung 2017 erstellt. Die Finanzsituation ist nicht rosig. Welche Note geben Sie dem SBC und der Richemont auf einer Skala von 1 bis 6?
Ich werde hier keine Noten vergeben. Der SBC ist meiner Meinung nach weiter als die Richemont Fachschule. Dies hat aber auch mit der Komplexität der Richemont als solche zu tun. Da werden viel mehr Zahlen verwertet als dies beim SBC nötig ist. Die Richemont ist nicht nur eine Schule, sondern auch ein Restaurations- und Hotelbetrieb. Ausserdem betreibt die Richemont auch Ausserhaus-Dienstleistungen, direkt bei unseren Mitgliedern.
Die Situation ist zurzeit überall angespannt. Dies jedoch schon seit einigen Jahren. Wir versuchen zuerst mit kleinen Dingen vorwärts zu kommen.
Die grossen Entscheide benötigen immer wieder einen Entschluss des VR oder des ZV. Diese sind jedoch nur an den jeweiligen Sitzungen möglich. Dadurch verstreicht Zeit, die wir hinter den Kulissen jedoch nutzen. Aus diesem Grund wird die Reorganisation wohl etwas längere Zeit in Anspruch nehmen.

Der Bedarf für eine Reorganisation ist klar ersichtlich! Welche Schritte wurden unternommen, um aus dieser unbequemen Situation zu gelangen?
Wie schon gesagt, die Situation im Verband war ja schon länger präsent. Der ZV hat aus diesem Grunde vor rund drei Jahren die Rechnungsprüfungskommission (RPK) aus der Taufe gehoben. In der Zwischenzeit findet die RPK beim SBC aber kein Einsparpotenzial mehr.
Letztes Jahr wurde das Projekt «Reload» gestartet. Dort arbeitet man in verschiedenen Arbeitsgruppen an der Zukunft. Alles wird hinterfragt und hin und her geschoben. Wir wollen in Zukunft das, was unsere Mitglieder besonders schätzen und brauchen.
Nice to have können wir uns nicht mehr leisten. In diesem Prozess bin ich jetzt neu dabei, und ich muss mich überall zuerst orientieren. Learning by doing hat für mich eine ganz neue Dimension bekommen.

Welche Massnahmen sind mittelfristig geplant?
Ich spreche hier nur für die Finanzen nicht für das ganze «Reload»-Projekt.
Bis zum 1. 1. 2019 sollten die beiden Buchhaltungsprogramme des SBC und der Richemont auf einem gemeinsamen Kontenplan aufgebaut und verabschiedet sein. Es werden Budgetweisungen erstellt. Dies sind die Leitplanken, die wir im VR wie auch in den operativen Gremien des SBC und der Richemont benötigen, um in Zukunft die Budgets immer gleich aufzustellen.
Wir benötigen für die zukünftigen Aufgaben im Verband wieder mehr Liquidität. Der Verband wird ausschliesslich über den Sockelbeitrag finanziert – dies wissen die meisten Mitglieder nicht.
Wir suchen nach einer Lösung, bei der die kleinen Betriebe keine Erhöhung des Sockelbeitrags zu berappen haben. Es sollen alle Betriebsgrössen in der richtigen Form und Geldmenge ihren Beitrag zu einem prosperierenden Verband beitragen. Dies ist alleine schon wegen dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) wie auch wegen der Ausbildung von Nöten. Auch der Rechtsdienst, der für die Mitglieder gratis ist, wird jedes Jahr mehr beansprucht und verursacht Kosten.

Was ist langfristig vorgesehen?
Die Frage muss ich zurückgeben. Was verstehen Sie unter langfristig? Wir müssen wieder in ruhige Wasser kommen und die Hauruck-Mentalität wieder ablegen. Zurzeit reagieren wir immer. Langfristig wäre das Agieren wieder wünschenswert.

Wie stehen die Chancen, dass der Zentralvorstand und der Kongress den eingeschlagenen Weg gutheissen werden?
Ich denke gut! Es gibt nicht viele oder keine Alternativen. Selbstverständlich gibt es viele Wege nach Rom. Jeder Input und jede Entscheidung, die getro en wird, hat auf diesem Weg einen Ein muss.
Zurzeit ist der Weg das Ziel. Das Einarbeiten in die neue Aufgabe und zusätzlich der «Reload»-Prozess beanspruchen viel Zeit.

Wie haben Sie sich als Inhaber einer renommierten Confiserie organisiert?
Wir haben in den letzten Jahren 80 % aller Mitarbeitenden selber ausgebildet. Und ich darf behaupten, dass wir das nicht schlecht machen. Nun haben wir das Glück, dass unsere nächste Generation langsam
nachkommt. Dies sehe ich als Chance – auch für den Verband. Ich muss die Zügel teilweise aus den Händen geben. Unsere Kinder dürfen Mitentscheiden und können Ideen umsetzen. Sie dürfen auch Fehler machen. Wir coachen sie dabei. Dadurch bekomme ich etwas Luft, um mich um den Verband zu kümmern. Zurzeit ist der Aufwand sehr gross. Dies muss sich mittelfristig wieder ändern. Meine Ehefrau ist zurzeit sehr grosszügig. Sie unterstützt mich dabei sehr. Ich möchte ihr das bald wieder zurückgeben.

Eine letzte Frage: Was wäre, wenn Sie drei Wünsche frei hätten?
Die Frage, was wäre wenn, stelle ich mir nur, wenn ich nach Lösungen suche. Da Wünsche selten Lösungen darstellen, erledigt sich ihre Frage von selber.
Aber um auf Ihre Frage eine kleine Antwort zu geben: Gesundheit, Zufriedenheit und Optimismus kann man nie zu wenig haben.

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