Im zweiten Lehrjahr in anderen Betrieben zu arbeiten, ist für einige Junge bereits etwas Aussergewöhnliches. Die beiden Lernenden Thalia Huber und Sina Käppeli setzten noch einen drauf: Während vier Wochen entdeckten sie fünf unterschiedliche Betriebe im ostafrikanischen Land Ruanda.

Für rund einen Monat verliessen die beiden Auszubildenden im Juli 2023 ihren vertrauten Arbeitsalltag der Bäckerei Kreyenühl in Muri (AG) und wagten sich in ein einmaliges Abenteuer. Seit Mitte August sind sie wieder zu Hause. Was Thalia Huber und Sina Käppeli immer noch an Ruanda vermissen, was sie während ihres Lernaufenthaltes in Afrika alles entdeckten und an welche Gegebenheiten sie sich anpassen mussten, verraten sie im Interview mit «Panissimo».

Was vermissen Sie an Ruanda?

Thalia Huber: Die Kinder waren so offen, ich würde gleich wieder wegen ihnen hinreisen.

Sina Käppeli: Die Fülle an frischen Passionsfrüchten, Ananas, Mangos und Avocados direkt vom Markt, das war super.

«Das Improvisieren haben wir definitiv gelernt»

Sina Käppeli

Was haben Sie Spezielles in den Orten Ihres Trips erlebt?

SK: In Nyamasheke, einem armen Dörfchen, mussten wir mit der gesamten Reisegruppe zu neunt in einem Haus leben. Es gab kein Wasser, zu Beginn funktionierten weder Dusche noch die WC-Spülung. In der Schule, wo wir arbeiteten, war es ähnlich. Wir mussten teilweise mit Wasser aus Kanistern backen und abwaschen. Trotzdem gelang irgendwie immer alles.

TH: In der Hauptstadt Kigali waren die Betriebe sehr unterschiedlich. Teilweise hatte es viele Utensilien wie bei uns im Lehrbetrieb, aber manchmal auch nur sehr wenig Ausrüstung. Wir mussten viel improvisieren und es kamen hauptsächlich Hausfrauenrezepte zum Zug.

SK: Das Improvisieren haben wir definitiv gelernt.

Sina Käppeli und Thalia Huber

Haben Sie sich auf Ihre Reise vorbereitet?

TH: Nicht gross, denn vieles wurde durch die Veranstaltungsorganisation in die Wege geleitet. Unser Chef „Burki“ zeigte uns aber eine Woche vorher, wie wir von Hand einen guten Teig hinbekommen.

SK: Über das Land konnten wir ein wenig googeln. Wir reisten ohne grosse Erwartungen ab und kehrten positiv überrascht wieder heim.

Auf was waren Sie im Vorfeld besonders gespannt?

TH: Auf das Arbeiten, weil wir uns die Gegebenheiten und Umstände gar nicht vorstellen konnten. Das Nachforschen über die Bäckereien vor Ort war unmöglich, wir wurden voll ins kalte Wasser geworfen.

Welche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Welten konnten Sie feststellen?

SK: Alle Leute haben sehr gerne Desserts. Manche Menschen in Ruanda können es sich aber nicht leisten, weshalb viele immer nach etwas zum Probieren Ausschau hielten.

Welche Eigenheiten sind Ihnen aufgefallen?

TH: Die Pünktlichkeit. Wir warteten zu Beginn mindestens eine halbe, teilweise aber auch zwei Stunden. Das färbte dann mit der Zeit ab, bis wir nach ortsüblicher Gewohnheit wieder pünktlich waren …

SK: Und die Hygiene war komplett anders. Da durften wir viel einbringen und haben manchmal unsere Freizeit geopfert, um die Küche zu reinigen.

Neben der Hygiene, gab es Berufserfahrungen, die Ihnen zugutekamen?

TH: Das Gespür für das Teigen und die Knetproben. Dies war praktisch beim Erkennen, wann der Teig ohne Maschinen fertig war. Bei der Herstellung von Crèmen oder Biskuits konnten wir zudem durch unser Vorwissen schnell Rezepte auswechseln oder abändern.

SK: Dasselbe galt auch für die Öfen. Natürlich mussten wir manchmal etwas pröbeln, das kam jedoch meistens auch gut.

Was für Abenteuer haben Sie in Ihrer Freizeit erlebt?

SK: Wir hatten immer etwas los. Eine eindrückliche Safari mit Zebras, Löwen und Giraffen, ein Schimpansen-Trekking und ein Bootsausflug, der uns fast bis nach Kongo führte, waren meine Highlights.

TH: Die Zwischenstopps beim Bootsausflug haben mir ausserordentlich gefallen. In den Dörfchen freuten sich immer alle sehr, mache hatten zuvor noch nie eine weisse Person gesehen. Es lief jeweils eine ganze Menschentraube mit uns mit, ich glaube das wäre hier nicht realistisch.

Worauf haben Sie sich gegen Ende Ihres Aufenthaltes wieder gefreut?

TH: Das Essen. Da wir dies unseren Eltern geschrieben haben, begrüssten sie uns am Flughafen mit Säcken voller Nahrungsmittel. Bei der Arbeit freute ich mich auf die Maschinen und das Arbeiten ohne Wartezeiten.

SK: Die Leute waren halt nicht so speditiv.

Ist das eine Anspielung auf die erwähnte Pünktlichkeit?

TH: Auch, aber die Arbeit wurde gemütlicher angegangen. Wenn der Teig gären musste, warteten die Leute halt.

SK: Das war chillig, weil kein Arbeitsdruck auf einem lag, dafür wurde das Warten mit der Zeit anstrengend. Man war bei Feierabend fast müder vom Warten, weil es sich anfühlte, als ob man nichts gemacht hätte.

Sina Käppeli (zweite von links) und Thalia Huber (zweite von rechts) Unterwegs in Ruanda

Hatten Sie Mühe mit dem Wiedereinstieg in Ihr gewohntes Arbeitsumfeld?

SK: Nein, der Wiedereinstieg erfolgte während der ruhigeren Sommerferienzeit. Es machte Spass, wieder zur Arbeit zu kommen.

TH: Unser Team befürchtete, dass wir unpünktlich zur Arbeit erscheinen würden und mit dem Tempo nicht mehr mithalten könnten, aber diese Sorgen waren umsonst.

Was denken Sie, welche Scheiben könnte sich die Schweizer Bäcker-Confiseurbranche von derjenigen in Ruanda abschneiden?

SK: Nicht zu viel herumhetzen, es kommt immer gut. Zum Teil ist Arbeitsbeginn erst um acht und bis drei am Nachmittag gibt’s kein Brot zu kaufen. Damit müssen die Leute leben. Doch, ob das hier funktionieren würde …

TH: … und ein paar könnten die Passion für den Beruf ruhig übernehmen.

SK: … obwohl die Ausrüstung nicht so toll ist, schätzen die Menschen in Ruanda ihre Arbeit sehr. In dem einen Betrieb arbeiteten sie jeweils zehn Stunden an sechs Tagen die Woche. Und das für umgerechnet 80 bis 90 CHF im Monat.

Apropos Lernen: Was für Inputs konnten Sie bereits in Ihren Lehrbetrieb einbringen?

SK: Im Sortiment findet sich momentan ein Bananen-Streuselküchlein und ein Bananenstrudel, in diese unsere Inspirationen aus der Reise einflossen. Bananen kamen in Ruanda oft zum Zug und sind auch in der Schweiz beliebt.

«Nicht zu viel herumhetzen, es kommt immer gut»

Thalia Huber

Was würden Sie anderen Auszubildenden mitgeben, die mit dem Gedanken spielen, ein ähnliches Abenteuer zu wagen?

TH: Macht es unbedingt! Selbst wenn es zu Unannehmlichkeiten kommen wird, ist es schlussendlich ein mega Erlebnis.

SK: Dank diesem Wagemut kann man sehr viel lernen, beruflich wie auch persönlich.

Wie lautet Ihr Fazit, nachdem die Reise vorbei und etwas verdaut ist?

TH: Es war super, um neue Erfahrungen zu sammeln und nicht alltägliche Sachen zu erleben! Ich würde das auf jeden Fall noch einmal machen, wenn ich könnte.

SK: Man lernt so viel, nicht nur im Beruf, sondern auch für sich selbst, wie Improvisation und Geduld. Ich würde auch wieder nach Afrika gehen, ich bin bereits wieder Angebote am Studieren.

Gibt es etwas, das Sie zum Schluss noch anfügen möchten?

TH: Die Schule, in der wir arbeiten durften, wurde komplett mit Spenden finanziert. Es ist extrem eindrücklich, mit welchen bescheidenen Mitteln versucht wird, ein stabiles Bildungssystem aufzubauen und den Menschen eine beständige Zukunft zu ermöglichen. Wir würden uns freuen, wenn sich Interessierte über die Institution Sangira informierten.

Interview: Diego Schwerzmann


Verein Sangira – Freunde von Ruanda


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