Ein häufiges Delikt ist nach der Masterarbeit von Boris Vollenweider von der Universität St. Gallen Diebstahl durch Mitarbeitende. Ein gutes Betriebsklima und damit zufriedene Mitarbeitende wirken präventiv.

Im «panissimo» wurde vor einem Jahr im Rahmen eines Interviews mit Boris Vollenweider zur Teilnahme an der Online-Umfrage zur Betroffenheit von Kriminalität aufgerufen. Nun liegt seine 142-seitige Masterarbeit «Mitarbeiterkriminalität als unternehmerische Herausforderung – internationale und Schweizer Erkenntnisse» vor. Sie befasst sich mit den Erfahrungen von Schweizer Unternehmenden mit verschiedenen Formen der Kriminalität, stellt diese in den Zusammenhang mit internationalen Studien und gibt Handlungsempfehlungen.

Auch wenn nur eher wenige, wohl überdurchschnittlich sensibilisierte Unternehmende die 70 Fragen zum Thema beantworteten: Daraus folgen nützliche Anregungen.

Mehr Waren- als Gelddiebstahl

Von den Antwortenden waren gemäss der Masterarbeit 44 % von Mitarbeiter- und 20 % von Cyberkriminalität betroffen, 45 % erlebten keine Delikte. 46 % der Mitarbeiterkriminalität wurde durch Vorgesetzte entdeckt, je 39 % durch Mitarbeitende oder internes Controlling (Mehrfachnennungen waren möglich). 62 % betrafen den Dieb-

«Die meisten Geschäfte sehen die Ladendiebstähle als Hauptgefahr und vernachlässigen die Mitarbeiterdiebstähle.»

stahl von Waren und 48 % von Geld. 29 % der entdeckten Delikte wurden niemandem gemeldet, 46 % der Polizei oder Justiz, 18 % der Versicherung. Dass die letztgenannte Zahl nicht höher ist, lag vor allem an der geringen Schadensumme oder der fehlenden Deckung. Niemandem gemeldet wurde der Diebstahl zu je 33 %, weil der Schaden wiedergutgemacht wurde oder weil Beweise fehlten, zu je 20 % wegen fehlender Ressourcen oder weil die Person nicht mehr im Betrieb arbeitet. 71 % der Fälle wurden betriebs­intern offengelegt. In 75 % entstand nach Aussage der Umfrageteilnehmenden kein Reputationsschaden.

Nach Aufdeckung der Tat ergriffen 39 % der Firmen keine zusätzlichen Präventionsmassnahmen, 21 % verstärkten die interne Kontrolle und Revision, je 14 % das 4-Augen-
Prinzip sowie die Selektionsabklärungen bei Neueinstellungen (Einholen von Referenzen, Straf- und Betreibungsregisterauszug).

Cyberkriminalität noch häufiger

Oft konfrontiert waren die Firmen laut der Umfrage mit Cyberkriminalität unbekannten externen Ursprungs: 64 % erlebten Phishing-, je 36 % Hacking- und Cyberbetrugs-
Attacken. 71 % der Firmen erhöhten in den letzten drei Jahren die Investitionen in Informatiksicherheit, 29 % liessen sie unverändert.

Möglichkeiten der Prävention

«Die Bedrohung durch «Mitarbeiterdelikte wird häufig unterschätzt», hält die Masterarbeit gleich am Anfang der Einleitung fest. Das «bezüglich Täterschaft und Art der Delikte äusserst heterogene Problem» wird darin aber nicht nur analysiert. Die Arbeit zeigt auch Lösungsansätze auf. Eine Kernaussage ist:

«Einer sorgfältigen Personalauswahl und einer positiven Unternehmenskultur kommt eine besondere Rolle zu.»

Im Kapitel Handlungsempfehlungen (Kap. 3.10.) wird dies konkretisiert: «Die Unternehmenskultur nimmt bei der Verminderung von Mitarbeiterdelikten eine Schlüsselrolle ein», wird dort festgehalten. Effiziente Prävention müsse nicht kostenintensiv und komplex sein oder in übertriebenen Kontrollen münden, schreibt der Verfasser. «Ein respektvoller Umgang mit den Mitarbeitenden, als gerecht empfundene Löhne und Anerkennung von Leistung haben eine starke präventive Wirkung.» Ausserdem rät Vollenweider, die Mitarbeitenden in die Prävention einzubeziehen.

«Es ist zu prüfen, ob Mitarbeitende nicht über die verschiedenen Formen von Wirtschaftskriminalität geschult werden sollten.»

Bei der Cybersicherheit und beim vorschriftsgemässen, ethisch korrekten Verhalten (Compliance) würde dies oft praktiziert, bei anderen Formen der Wirtschaftskriminalität inklusive der Mitarbeiterkriminalität jedoch selten. «Es ist also zu prüfen, ob Mitarbeitende nicht durch
entsprechende Schulungen auf die verschiedenen Formen von Wirtschaftskriminalität sensibilisiert werden sollten», regt Vollenweider an.Christof Erne

Resultate in Grafiken

Unterschätzte Gefahr ein Grund für die Studie

Zum Start der Umfrage schilderte Boris Vollenweider vor einem Jahr (Nr. 5/2020) in einem «panissimo»-Interview, dass allein dem Schweizer Detailhandel durch Mitarbeiterkriminalität jährlich 335 Mio. CHF abhandenkommen. Er hielt fest: «Die meisten Geschäfte sehen immer noch die Ladendiebstähle als Hauptgefahr und vernachlässigen dadurch Mitarbeiterdiebstähle.»

Das Thema wurde in der Schweiz noch wenig untersucht, und weil die meisten Fälle nicht angezeigt werden, gibt es auch wenig verlässliche Daten. Ausländische Studien lassen sich nur bedingt auf die Schweiz übertragen. Vollenweider forderte darum via rund 20 Arbeitgebervereinigungen Firmeninhaber zur Beteiligung an einer Online-Umfrage zu Mitarbeiter- und Cyberkriminalität, Korruption, Bestechung, organisierter Kriminalität und Wirtschaftsspionage auf.

Die 55 Antworten (87 % aus der Deutschschweiz) sowie internationale Studien flossen ein in die Masterarbeit «Mitarbeiterkriminalität als unternehmerische Herausforderung – internationale und Schweizer Erkenntnisse».

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