Wie kann die Confiserie-Branche nachhaltiger werden? Eine Möglichkeit ist die Verwendung von Kakaofruchtschokolade. Diese wertet das Produktsortiment der Confiserien auf und sorgt dafür, dass Kakao-Bauern mehr verdienen. Sie ermöglicht die vollständige Nutzung der Kakaofrucht. So entsteht ein Win-Win-Win-Effekt für die Beteiligten.
Wir sind in Ghana, fahren übers Land, dann durch dichten Urwald. Als wir das Dorf Akim Achiase, das sich links und rechts an die schmale Strasse anschmiegt, Richtung Süden verlassen, wird vor uns eine moderne Fabrik sichtbar, die direkt neben die Strasse gebaut wurde. Der Kontrast zur ländlichen Gegend könnte nicht grösser sein. Das Schweizer-ghanaische Unternehmen KOA hat im August 2023 diese zweite Kakaofrucht-Fabrik in Ghana eingeweiht.
Exklusivität von Produkten mit Kakaofruchtsaft
Kakaofruchtsaft? Falls Sie nie davon gehört haben, hängt dies vielleicht damit zusammen, dass erst wenige Produkte mit diesem hochwertigen Saft, der geschmacklich an die Lychee-Frucht erinnert, auf dem Schweizer Markt sind. Eines der wenigen Produkte mit dem Saft der tropischen Frucht sind die veganen «Grand Cru Bâtons» der Confiserie Sprüngli. Wie bei ihrer «Grand Cru Absolu» Schokolade verwendet die Confiserie auch bei ihren Bâtons den natürlich-süssen Saft, der aus dem weissen Fruchtfleisch der Kakaofrucht gewonnen wird. Damit verleiht Sprüngli ihrer Ganache eine intensivere, fruchtige Note. Wie ist die Confiserie dazu gekommen, Kakaofruchtschokolade in ihr Sortiment aufzunehmen? «Durch das Verwenden der ganzen Kakaofrucht kreieren wir Produkte, die sich durch pure Natürlichkeit und höchste Qualität auszeichnen.» Auf das Thema Nachhaltigkeit angesprochen, schreibt die Confiserie: «Unsere Couverturen beziehen wir von langjährigen Partnern, die grossen Wert auf nachhaltige und faire Produktion legen. Dafür sind wir bereit, faire und über dem Markt übliche Preise zu bezahlen.»

Welches Potenzial hat diese nachhaltige Schokolade für die Confiserie-Branche? Bei der Kakaofruchtschokolade handelt es sich um ein Premium-Produkt, welches das Sortiment aufwertet. Die Exklusivität kann hervorgehoben und gleichzeitig eine Kundschaft angesprochen werden, der Nachhaltigkeit und Gesundheit wichtig ist.
Forschung an Kakaofruchtschokolade
Die Kakaofruchtschokolade hat neben Confiseure auch Wissenschaftler neugierig gemacht, denn sie ist nachhaltiger und gesünder. Der ETH-Forscher Kim Mishra hat zusammen mit KOA eine Studie zur Herstellung einer innovativen Kakaofruchtschokolade durchgeführt. Was unterscheidet die ETH-Schokolade von der Sprüngli-Schokolade? «Mehr Frucht in der Schoggi ist das gemeinsame Ziel», sagt Mishra. «Wir gehen aber noch einen Schritt weiter im Sinne der Nachhaltigkeit, Gesundheit und Technologieentwicklung.» Die von der ETH Zürich entwickelte Schokolade verwendet nicht nur den Saft der Kakaofrucht, sondern auch das Endokarp, ein Teil der Kakaofruchtschale. Daraus wird ein Gelee hergestellt, das wie beim Produkt von Sprüngli den Zucker ersetzt. Diese Schokolade enthält dadurch weniger gesättigte Fettsäuren, was sie gesünder macht. Die neuartige Kakaofruchtschokolade hat zudem einen höheren Nahrungsfasergehalt als eine durchschnittliche dunkle Schokolade. «Nahrungsfasern sind physiologisch wertvoll, weil sie die Darmaktivität auf natürliche Weise regulieren und den Blutzuckerspiegel beim Verzehr von Schokolade weniger schnell ansteigen lassen», erklärt Mishra.
Die Kakaofruchtschokolade ist also gesünder, aber auch nachhaltiger. Denn bislang wurde in Westafrika die Schale der Kakaofrucht nicht verwendet. Nachdem die Bauern die Kakaoschote mit einer Machete geöffnet haben, nehmen sie die Bohnen heraus und fermentieren sie – der Rest der Frucht, also die Schale, wird meist weggeworfen.
Die Wertschöpfungskette nachhaltiger gestalten
Laut Mishra könnten die Bauern zukünftig neben dem Handel mit Kakaobohnen auch den Saft aus der Pulpe sowie das getrocknete und zu Pulver vermahlene Endokarp verkaufen. «Damit könnten sie insgesamt drei Wertschöpfungsströme generieren. Und wenn die Wertschöpfung der Kakaofrucht höher ist, ist dies auch nachhaltiger.» Die ausgekratzte Kakaoschale schliesslich kann als Brennmaterial oder als Dünger für die Kakaobäume verwendet werden – damit wird die gesamte Kakaofrucht genutzt und die Bauernfamilien können obendrein ein Zusatzeinkommen erwirtschaften.

Mishra sagt mit einem Augenzwinkern: «Wir haben aber noch keine solch hochwertigen Kreationen wie Sprüngli gemacht – wir sind ja immer noch eine Hochschule und keine Chocolatiers.» Seine Schokolade wurde zwar patentiert, man wird sie aber trotzdem noch nicht so bald bei uns im Laden kaufen können. Erst müsse die gesamte Wertschöpfungskette vervollständigt werden, angefangen bei den Kakaobauern, die Trocknungsanlagen benötigten. «Erst wenn vom Lebensmittel verarbeitenden Betrieb genug Pulver hergestellt wird, kann die Kakaofruchtschokolade in grösserem Massstab durch einen Schokoladenproduzenten hergestellt und vermarktet werden», erklärt Mishra.
Die meisten Kakaobäuerinnen und -bauern haben ein sehr geringes Einkommen. Und nach wie vor ist die Abholzung von Regenwald und Kinderarbeit drängende Probleme, die nur gemeinsam angegangen werden können. Wenn es gelingt, das Einkommen der Bauernfamilien zu erhöhen, damit ihre Existenz gesichert ist, tragen wir zur Lösung von vielen Nachhaltigkeitsproblemen bei. Die Mitglieder der Schweizer Plattform für Nachhaltigen Kakao, darunter auch der SBC, unterstützen Bäuerinnen und Bauern deshalb unter anderem durch höhere Kakaopreise, bessere Ernteerträge oder bei der Diversifizierung ihres Einkommens. Die Verwendung von Kakaofruchtsaft und Kakaofruchtschokolade kann ein Teil der Lösung sein, indem sie die ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Kakao-Wertschöpfungskette fördern.
Joël Frei, Schweizer Plattform für Nachhaltigen Kakao