Das neue Lebensmittelrecht trat am 1. Mai in Kraft. Es bringt den Unternehmenden mehr Freiheit und weniger Barrieren für den Handel, aber auch mehr Verantwortung.

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Dem Konsumentinnen und Konsumenten beschert es mehr Gesundheitsschutz und schützt sie auf Grund einer erhöhten Informationspflicht vor Täuschungen.

Die Übergangsfristen

Es gibt diverse Übergangsfristen, damit genügend Zeit bleibt, um alles in die Praxis umsetzen zu können. Keine Übergangsfristen bestehen für Begriffe, Definitionen und Konzeptionen, wie diese im Lebensmittelgesetz verankert sind, namentlich Höchstwerte, welche die Gesundheit betreffen, sowie die Grundsätze der Bewilligungsverfahren sowie den Gesundheitsschutz bei neuartigen Lebensmitteln. Für den Bereich Offenverkauf, den Internethandel sowie bei der Einführung einer verstärkten Kontrolle bei gewissen pflanzlichen Lebensmitteln aus Staaten ausserhalb der EU beträgt die Übergangsfrist ein Jahr. Zwar bleibt nach dem neuen Recht vieles gleich, doch die Änderungen (teilweise auch inhaltlich) führen zu einer totalen Umkrempelung der Artikel- und Verordnungsstruktur, was eine gewisse Zeit zur Angewöhnung in Anspruch nimmt. Das neue Lebensmittelrecht sowie auch die neue Lebensmittelinformationsverordnung (LIV) bedingen eine Anpassung der Branchenleitlinie, welcher der SBC im Rahmen der gegebenen Fristen nachkommen wird.

Erleichterte Selbstkontrolle

Die Pflicht zur Selbstkontrolle ist nicht neu und beinhaltet für Lebensmittelbetriebe insbesondere die Sicherstellung der guten Verfahrenspraxis und der Gewährleistung des Täuschungsschutzes. Die gute Verfahrenspraxis, welche sowohl die «Gute Hygienepraxis» wie auch die «Gute Herstellungspraxis» einschliesst, werden als wichtige Elemente der Lebensmittelsicherheit und des Täuschungsschutzes betrachtet. Weitere Eckpfeiler der Selbstkontrolle sind die Anwendung des Systems der Gefahrenanalyse und der kritischen Kontrollpunkte (HACCP) wie auch die Probenahme und Analyse, die Rückverfolgbarkeit, die Rücknahme und Rückrufe, einschliesslich Dokumentation.

Für Kleinstbetriebe ist eine erleichterte Form der Selbstkontrolle und schriftlichen Dokumentation vorgesehen. Die Branche definiert, wo und in welchem Umfang die Selbstkontrolle zu dokumentieren ist. Die grundsätzlich positive Nachricht darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf Grund der definierten Betriebsgrössen wohl nur sehr wenige Betriebe in den Genuss einer erleichterten Selbstkontrolle kommen werden. Ein Kleinstbetrieb ist gemäss dem Bundesamt für Statistik ein Betrieb mit bis neun Mitarbeitende (Vollzeitäquivalent), ungeachtet der Funktion. Wichtig ist: Die Selbstkontrolle ist in einer dem Sicherheitsrisiko und dem Produktionsumfang angepassten Form zu gewährleisten, dass heisst auch grössere Betriebe können bei geringem Risiko den Umfang reduzieren.

Umsetzung der Selbstkontrolle

Die Hygieneleitlinie ist ein bedeutendes Werkzeug zur Umsetzung der Selbstkontrolle und bringt Rechtssicherheit. Der Vollzug wird sich bei den Kontrollen nach den Vorgaben (Anforderungen) dieser Branchenleitlinie orientieren müssen. Die Kontrollen werden jedoch wie bisher risikobasiert durchgeführt und im Einzelfall beurteilt.

Im Prinzip ist es aber egal, in welcher Liga der Betrieb (Klein-, Mittel oder Grossbetrieb) spielt. Die Lebensmittelsicherheit ist in jedem Fall einzuhalten und zu gewährleisten. Wo künftig die Grenze bezüglich der erleichterten Selbstkontrolle und deren schriftlicher Dokumentation gezogen wird, ist im Moment noch völlig offen. Diese delikate Arbeit wird der Branche überlassen. Betriebe, die keine Branchenleitlinie benutzen, haben ein angepasstes, äquivalentes Konzept für eine gute Verfahrenspraxis zu entwickeln und zu befolgen, was mit erheblichem Aufwand verbunden sein wird.

Neue Lebensmittel-Einteilung

Die Lebensmittel sind neu wie folgt eingeteilt:

  • Umschriebene Lebensmittel, die im Recht klar bestimmt sind, z. B. Brot, Butter, Schokolade.
  • Lebensmittel, die im Recht nicht als solche definiert sind, z. B. Frühstücksflocken, Pudding.
  • Traditionell neuartige Lebensmittel, z. B. exotische Früchte, sowie Novel Food wie Proteinextrakt aus Insekten. Achtung: Wer neue Lebensmittel auf den Markt bringen will, benötigt eine Bewilligung. Anstelle ganzer Insekten können diese nun auch in pürierter Form angeboten werden, was den Kundinnen und Kunden mit schlechtem Beisswerkzeug und auch ästhetisch sicherlich entgegen kommt.

Wer Produkte über das Internet anbietet, muss sich an die gleichen Auflagen halten wie der Handel und dem Kunden die gleichen Angaben wie im Handel kenntlich machen, insbesondere Produktionsland, Preisangaben, Zusammensetzung, Herkunft der Zutaten.

Offenverkauf – was bleibt gleich?

Folgendes bleibt beim Offenverkauf unverändert:

  • schriftliche Herkunftsangabe beim Fleisch,
  • schriftliche Angaben in Sachen Leistungsförderer (hormonelle und nicht hormonelle) beim Fleisch,
  • schriftliche Angaben bezüglich GVO und Bestrahlung,
  • Definition offen verkaufter und vorverpackter Lebensmittel,
  • mündliche Auskunftspflicht (Zusammensetzung der Produkte, Allergene usw.).

Offenverkauf – was kommt neu hinzu?

Folgende Änderungen gibt es beim Offenverkauf:

  • Fisch: schriftliche Herkunftsangabe wie beim Fleisch – die Angaben auf der Verpackung (dem Lieferschein) über Fanggebiet, Fanggerät und Produktionsmethode gehören zukünftig zur Informationspflicht / Deklaration.
  • Allergene: Im Verkaufsraum muss eine schriftliche Angabe oder ein schriftlicher Hinweis vorhanden sein, dass eine Fachperson bezüglich Allergenen Auskunft geben kann, wie z. B.: «Bei Fragen zu Allergenen steht Ihnen unser Fachpersonal gerne zur Verfügung».

Allergene

Allergien und Lebensmittelunverträglichkeiten sind schon seit mehreren Jahren in der beruflichen Aus- und Weiterbildung von Produktion und Detailhandel ein Thema. Allergene werden deshalb bereits länger in den Warenkarteien vermerkt. Mit dem Kapitel 4 der Hygieneleitlinie sowie dem Allergieratgeber stehen gute Grundlagen zur Verfügung.

Wichtig ist, dass laufend geschult und informiert wird und sich das Personal strikte an die Rezepturen hält. Künftig dürften Mehlwürmer & Co. ebenfalls in der Liste der Allergene vertreten sein.

Informationspflicht

Gemäss neuem Gesetz ist der Betrieb zur Information verpflichtet. Gross-, aber auch Kleinstbetriebe, welche die Produkte in den Handel geben, müssen nebst den üblichen Informationen auch Angaben über die Nährwerte und die Zubereitung machen. Der Hinweis auf der Verpackung über die Zubereitung ist dann wichtig, wenn das Produkt nicht direkt verzehrt, d. h. erst nach einem weiteren Zubereitungsschritt konsumiert werden kann. Ein Beispiel: Frischbackgipfel, die vor dem Konsum noch fertig zu backen sind. Hier muss eine korrekte Backanleitung vorhanden sein.

Verpackungsmaterial / Etiketten

Bei Verpackungsmaterial und Etiketten besteht eine Übergangsfrist von vier Jahren.

Da Betriebe oft noch über ein grosses Lager an Spezialitätenschachteln, Verpackungsmaterial und Etiketten verfügen und sich oft auch mit der Anschaffung neuer Software und Auszeichnungssysteme konfrontiert sehen, gelten Übergangsfristen von vier Jahren. Achtung: Ein Produkt muss entweder nach altem oder neuem Recht deklariert werden. Ist ein Produkte nach neuer Vorschrift deklariert (verpackt) gilt auch das neue Recht. Bei neuartigen Lebensmitteln gilt ausschliesslich das neue Recht. Die Schriftgrösse auf den Etiketten ist mit einer Höhe (kleines x) von 1,2 mm vorgegeben, bei Oberflächen unter 80 cm2 genügen 0,9 mm. Dies dürfte die Anbieter von Etiketten- und Auszeichnungssystemen fordern und einen erheblichen Investitionsbedarf in den Betrieben zur Folge haben.

Höchstwerte

Die Höchstwerte können sowohl Radioaktivität, Pestizidrückstände, Schwermetalle wie auch Mikroorganismen, Vitaminzugaben usw. in Lebensmitteln betreffen. Lebensmittel und Rohstoffe, welche die Höchstwerte nicht einhalten, dürfen nur weiterverarbeitet oder zur Behebung der Höchstwertüberschreitung vermischt werden, wenn dies der «Guten Herstellungspraxis» (GHP) entspricht oder wenn das Lebensmittelrecht dies vorsieht.

Richtwerte

Was bisher in der Hygieneverordnung als Toleranzwerte eingestuft wurde, wird neu als Richtwert deklariert. Im Kapitel 6 der Hygieneleitline wird zukünftig nur noch von Richtwerten und nicht mehr von Toleranzwerten gesprochen. Der Richtwert ist unter Einhaltung der «Guten Hygienepraxis» nicht zu überschreiten. An den in der Praxis erprobten Interventionswerten (siehe Hygieneleitlinie 6.3.3) hält die Branche voraussichtlich fest, es gilt jedoch sorgfältig zu prüfen, Patisserie und Torten mit naturbelassenen Zutaten bezüglich der Richtwerte zukünftig anders zu gewichten.

Liegt bei einer mikrobiologischen Untersuchung das Resultat nahe oder über dem Interventionswert, ist eine Überprüfung der Hygiene / Prozesse ein Muss, dies zur Vermeidung, Ausschaltung oder Reduktion einer möglichen Gefahr.

Keine «Abzocke» bei Bagatellen

Eine Gebührenbefreiung bei Bagatellbeanstandungen ist eine Konsequenz der Revision, früher sah das Verordnungsrecht vor, dass bei jeder Beanstandung eine Gebühr zu erheben ist, was bei kleinen Abweichungen von den Unternehmen oft als Abzocke empfunden wurde. Die Gebührenbefreiung für leichte Fälle darf aber nicht dazu verleiten, bei der GHP und Umsetzung der Selbstkontrolle nachlässiger zu werden. Berufsstolz und Berufsethik sind weiterhin wichtige Eckpfeiler für die Lebensmittelsicherheit. Stellt man bei einer Kontrolle fest, dass die Temperaturkontrolle bei den Kälteräumen im Betrieb grundsätzlich überwacht und dokumentiert wird, in vergangenen Wochen jedoch eine Person aus dem Team ausgefallen war, d. h. die Dokumentation nicht nachgeführt wurde, sieht man sicher von Gebühren ab.

Wenn ein Betrieb aber wiederholt gegen das Lebensmittelgesetz verstösst oder Produkte vermarktet von denen eine Gesundheitsgefährdung, oder eine schwerwiegende Täuschung ausgeht, wird der Unternehmer auch in Zukunft mit entsprechender Härte mit Verfügungen, Gebühren oder gar einer Strafanzeige bedient.

Hygieneleitlinie des SBC

Seitens des BLV ist eine Publikation des Leitfadens für die Branchenleitlinien für Mai 2017 geplant, anschliessend müssen die inhaltlichen Anpassungen der Branchenleitlinie an die Hand genommen werden, wobei die Branche die Anforderungen an die Kleinstbetriebe zu definieren hat. Liegt die deutschsprachige Version vor, muss die Branchenleitlinie beim BLV eingereicht werden. Erst nach erfolgreicher Notifizierung der deutschsprachigen Version kann die Übersetzung in die italienische und französische Sprache in die Wege geleitet werden.

Vieles ist neu, vieles bleibt wie bisher bestehen. im Rahmen der weiteren Entwicklungen und Erfahrungen wird der SBC die Branche auf dem aktuellen Stand halten. Sollten sich spezifische Fragen zum neuen Lebensmittelrecht (vgl. auch www.lebensmittelrecht2017.ch ) ergeben, nimmt er diese gerne entgegen.

Zum Auftakt der Informationsveranstaltung zum neuen Lebensmittelrecht am 25. April 2017 wurde in den Medien bekannt, dass nach einer Razzia von Europol und Interpol rund 9800 Tonnen gepanschte, gefälschte und gesundheitsgefährdende Lebensmittel im Wert von 230 Mio. Euro beschlagnahmt worden sind. Dies zeigt, dass der weltweite Handel mit Lebensmittel (auch im Internet) ein einträgliches Geschäft ist, welches auch seine Schattenseite hat und rechtliche Anpassungen notwendig macht.

Prinzip Top-Down beachten

Nebst den gesetzlichen Vorgaben ist die Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) die zentrale Verordnung für die Wirtschaft. Ja nach Branche, Tätigkeitsbereich und Produkt müssen weitere Verordnungen beachtet werden, so auch die Lebensmittelinformationsverordnung mit den Anhängen, welche inhaltlich stark durchgerüttelt worden ist. Wichtig zu wissen: Alles was im übergeordneten Recht geregelt ist, auf unterer Stufe nicht wiederholt wird!

Weitere Informationen zum neuen Lebensmittelrecht gibt die Website: www.lebensmittelrecht2017.ch

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