Die gewerbliche Bäckerei-Confiserie-Branche hatte in jüngster Zeit eine Vielzahl von politischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen. Was hat der Schweizerische Bäcker-Confiseurmeister-Verband SBC unternommen? Gab es Lichtblicke? Wie sieht der Blick in die Zukunft aus? Die Antworten von SBC-Präsident Silvan Hotz und -Direktor Urs Wellauer-Boschung.
Kriege, Energiemangellage, Inflation, Fachkräfte- und Nachwuchsmangel, Betriebsschliessungen, Deklarationspflicht, Salz- und Zuckerreduktion, Food Waste, Lohnforderungen, Gesamtarbeitsvertrag – die Liste der herausfordernden Themen in unserer gewerblichen Branche ist lang. Das Brot, die Schokolade – Produkte, die Emotionen wecken und die oft im Fokus der Politik, der Medien und der Öffentlichkeit stehen. Entsprechend hoch ist die Zahl der Medienanfragen. Die politischen Vorstösse auf nationaler und kantonaler Ebene haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Bäckerei-Confiserie-Branche stand und steht oft im Fokus der Politik und der Medien.
Wie bewältigen Sie diesen grossen Aufgabenbereich als relativ kleiner Verband?
Silvan Hotz (SH): Hier kommt unsere langjährige Erfahrung auf dem politischen und wirtschaftlichen Parkett sowie das ausgezeichnete Netzwerk zugute. So ist Urs beispielsweise in vielen Kommissionen und Arbeitsgruppen auf nationaler Ebene dabei und ich kann mich als Vorstandsmitglied des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv und des internationalen Bäckerei-Konditoreiverbandes (UIBC) aktiv für unsere Branche einbringen.
Urs Wellauer-Boschung (UW): Wir führen ein politisches Monitoring, so dass wir frühzeitig reagieren können, um in der Verwaltung und den entsprechenden parlamentarischen Kommissionen unsere Argumente einbringen zu können.
Seit 2021 kann der SBC auf eine eigene Parlamentariergruppe zählen. Lohnt sich diese Zusammenarbeit?
UW: Die parlamentarische Gruppe «Brot und Confiserie» ist wertvoll, da Mitglieder aus fast allen Parteien – von links bis rechts – Einsitz haben und wir so auch in den Fraktionen unsere Argumente sichtbar machen können.
SH: Die Mitglieder der Parlamentariergruppe sind dankbar für unsere Anregungen und Inputs. An den Sitzungen ist jeweils immer ein Verbandsmitglied anwesend, das authentisch aus der Praxis berichtet. Die Diskussionen finden immer auf Augenhöhe statt.
Wie gestaltet sich die politische Arbeit auf kantonaler und regionaler Ebene?
SH: Hier sind unsere regionalen und kantonalen Verbände gefordert, ihre Netzwerke auf politischer, behördlicher wie auch gesellschaftlicher Ebene zu pflegen.
UW: Aus personellen und organisatorischen Gründen, können wir die kantonale Politik nicht auch noch bespielen. Wir können aber bei politischen Themen die von nationaler Tragweite sind wie bei kantonalen Mindestlöhnen oder Zuckersteuer unterstützen.
Es gab in den vergangenen Monaten nicht nur Herausforderungen, sondern auch Lichtblicke…
SH: Die Zusammenarbeit mit der Mehrzahl der Regional- und Kantonalverbände ist lobenswert. Auch die Arbeit im Zentralvorstand bereitet mir Freude. Es ist, trotz zum Teil kontroversen Diskussionen – was auch sein soll – ein konstruktives Miteinander.
UW: Der Dialog und die Zusammenarbeit mit verschiedenen relevanten Akteuren, sei es mit den Behörden, Politikerinnen und Politikern, den Sozialpartnern, dem Gewerbeverband oder den anderen Branchenverbänden.
Welches waren Ihre Highlights?
SH: Die gelungene Umsetzung des Monsterprojekts Verkauf 2022+ und die frisch aufgegleiste Dreikönigskampagne. Die erfreulichen Zahlen sind ein Beweis dafür, dass sehr viele am gleichen Strick ziehen. Freude bereiten mir auch all die Jungunternehmer/innen, die erfolgreich eine Bäckerei oder Confiserie eröffnen oder übernehmen.
UW: Wir konnten wiederum eine wirkungsvolle Nachwuchskampagne abschliessen, die vor allem die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler, aber auch Eltern, Lehrpersonen und unsere Branche erreicht hat. Die ausserordentlichen SwissSkills konnten an der Fachschule Richemont ebenfalls erfolgreich durchgeführt werden und man spürte die Begeisterung unserer jungen Berufskolleginnen und -kollegen.
«Es benötigt das Mitziehen und Mitdenken eines jeden Mitglieds.»
Silvan Hotz
Am letztjährigen Kongress sind die ZV-Mitglieder in ihren Ämtern bestätigt bzw. zwei neue ins Gremium gewählt worden. Wie beurteilen Sie die Arbeit des aktuellen Zentralvorstandes?
SH: Die Diskussionen an den Sitzungen sind konstruktiv. Mit den neuen Mitgliedern haben wir auch neue Meinungen und Ansichten erhalten, was ich begrüsse. Wir arbeiten intensiv an den verschiedenen, zum Teil sehr anspruchsvollen und zukunftsweisenden Themen. Wie zuvor erwähnt, die Liste der Herausforderungen ist lang und es benötigt das Mitziehen und Mitdenken eines jeden Mitglieds.
2019 stimmte der Kongress dem Reorganisationsprozess Reload zu. Wie lautet ihr Fazit?
SH: Zum Glück konnten wir diese Reorganisation noch vor Ausbruch der Pandemie abschliessen. Die schlankeren Strukturen haben die Prozesse vereinfacht. Trotzdem: Wir müssen noch Wege finden, um den hohen administrativen Aufwand im SBC zu verringern. Ebenso sind wir daran zu versuchen, die grosse Menge an Informationen für die ZV-Mitglieder, die es im Vorfeld einer Sitzung gibt, auf ein erträgliches Mass zu verringern.
Ein Blick in die Glaskugel … Was erwartet die Branche in kurz- bis mittelfristiger Zukunft?
UW: Zahlreiche politische Geschäfte wie Sozialversicherungen, lebensmittelrechtliche- und agrarpoltische Vorlagen, Energiethema, Nachwuchs- und Fachkräftemangel und der Gesamtarbeitsvertrag werden uns weiter beschäftigen.
SH: Der ZV hat der Totalrevision der Grundbildung zugestimmt. Mit Ausbildungschef Peter Signer und seinem Team haben wir kompetente Fachleute am Werk, die mit einem Riesenengagement die Zukunft unserer Berufe gestalten.
UW: Im Herbst werden die WorldSkills in Lyon (F) stattfinden. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und es gilt unseren beiden Kandidatinnen, Vera Stocker in der Bäckerei-Konditorei und Nadia Koller in der Konditorei-Confiserie, die Daumen zu drücken. Für die zentralen SwissSkills 2025 laufen bereits die ersten Vorbereitungen.
SH: An seiner Februarsitzung hat der Zentralvorstand den Gesamtpaket, bestehend aus Gesamtarbeitsvertrag (GAV), Lohnregulative, Lernendenvereinbarung und Protokollvereinbarung, zugestimmt. Zurzeit wird die Verteilung der AVE-Gelder diskutiert. Anschliessend werden die Sozialpartner die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) durch den Bundesrat beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) beantragen. Wann dieser Bundesratsbeschluss in Kraft tritt, ist offen. Unsere Mitglieder werden frühzeitig über die Inhalte informiert werden.
«Wir bieten exklusiv für unsere Mitglieder einen branchenspezifischen Rechtsdienst an.»
Urs Wellauer-Boschung
Weshalb sollte eine Bäckerei-Confiserie Mitglied beim Verband sein?
SH: Auf kantonaler Ebene bietet der Verband ein nützliches Netzwerk mit wertvollen Kontakten und Ansprechpartnern. Und auch der SBC eine ganze Reihe von wertvollen Dienstleistungen …
UW: … um nur einige zu nennen: Da ist der Gesamtarbeitsvertrag, der mit den Sozialpartnern ausgehandelt wird. Wir bieten exklusiv für unsere Mitglieder einen branchenspezifischen Rechtsdienst an, ebenso Beratung im Hygiene- und Sicherheitsbereich.
SH: Ein wichtiger Pfeiler stellt unsere politische Arbeit dar, die im Verlaufe der Jahre an Gewicht zugenommen hat. Es ist enorm wichtig, dass wir uns frühzeitig einbringen können. Das gelingt uns durch das gute Netzwerk das wir pflegen.
UW: Weiter zum Angebot zählen die Aus- und Weiterbildung, die Kommunikation sowie unsere Verbandsinstitutionen SBC Treuhand und die Personen- und Sozialversicherung Panvica. Die Liste ist, wie bereits gesagt, lang. Sie ist übrigens abrufbar auf swissbaker.ch.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Branche?
SH: Dass die gewerbliche Branche zusammensteht und mit Stolz das Bäcker-Konditor-Confiseur-Handwerk gegen aussen vertritt. Dass unsere Mitglieder Mut für Innovationen haben, ohne dabei ihre Wurzeln zu verlieren.
UW: Dass die aktuellen Herausforderungen überwindbar sind. Es braucht aber Mut, Ausdauer und Überzeugung. Dafür müssen wir uns auf allen Ebenen einsetzen. Wenn wir es schaffen, in den immer gleichen Fragestellungen weniger Energie zu verlieren, sind wir als Verband gut aufgestellt.
Interview: Claudia Vernocchi