Jörg Heierli, der mit seinem Fahrrad durch Afrika reist, ist unterdessen in Liberia angelangt. Langweilig wird es dem gelernten Bäcker-Konditor, Patissier und Koch nicht …

Hallo meine lieben Berufskolleginnen und -kollegen

Es ist der 14. April 2019. Nach Senegal, Guinea und Sierra Leone bin ich nun in Monrovia, der Hauptstadt Liberias, angekommen.
«Aber ist das denn nicht gefährlich? Dort unten herrscht doch Krieg und Ebola?», fragt Ihr Euch sicher. Ja, es ist saugefährlich. Aber nicht der Krieg, der seit fast 20 Jahren vorbei ist, nicht die Menschen, die meist sehr freundlich und vor allem sehr gastfreundlich sind, nicht Ebola, das als besiegt gilt. Das gefährliche hier ist der Verkehr. Jeden Tag schramme ich ein paar Mal am Tod vorbei. Eigentlich immer in Afrika. Fehlende Strassenordnung, die Rücksichtslosigkeit der Fahrer, inexistente Kontrollen, völlig überladene und schlecht unterhaltene Fahrzeuge machen den Verkehr zum tödlichsten Faktor in Afrika. Aber irgendwie habe ich bis jetzt überlebt und werde auch die restliche Reise durch Afrika überleben. Dafür sind aber auch alle meine Schutzengel längst im Lazarett gelandet.

Die Zeichen des Krieges sind verschwunden
Ich war überrascht, wie gut sich Guinea, Sierra Leone und Liberia vom Krieg erholt haben. Die Menschen leiden zwar noch immer unter Armut, aber die Zeichen des Krieges sind verschwunden. Die Häuser wurden wieder aufgebaut, die Strassen sind in gutem Zustand und Telefon und Internetantennen gibt es in jedem grösseren Ort; das Leben geht weiter.

Alles andere als reichhaltig
Die afrikanische Küche sieht auf den ersten Blick sehr reichhaltig aus, mit all den exotischen Produkten und Gemüsen. Auf den zweiten Blick wird jedoch alles sehr eintönig. Reis mit Fisch, Reis mit Süsskartoffelblättern (irgendwie wie Spinat), Reis und Erdnusssauce, Fisch und Reis oder auch Fisch auf Reis. Gemüse, obwohl vorhanden, wird nur spärlich eingesetzt. Und Mayonnaise und Ketchup immer und überall draufgeklatscht. Auch auf Couscous und Spaghetti (natürlich auf dem gleichen Teller). Mensch! Ein bisschen Fantasie würde euch nicht schaden, Leute. Fleisch steht bei mir nur widerwillig auf dem Speiseplan. Das Fleisch wird nicht gekühlt, und selbst ich als gelernter Koch habe oft Mühe ,die Stückchen, die da in der Sauce rumschwimmen zu identifizieren. Lieber Gott, bitte lass es nicht das sein, wonach es aussieht; ist dann jeweils mein Tischgebet.

Lieferung per Motorrad
Jede Nation hat auch ihr eigenes Brot: die Guineer haben ihr weiches Baguette, das in Stangen von bis zu einem halben Meter verkauft wird. Die Sierra Leoner ein weiches, luftiges Milchbrot, das in allen Formen daherkommt, aber immer die gleiche Rezeptur hat. Und die Liberianer habe ein weiches Stangenbrot, wo die Laibe eng nebeneinander gebacken werden. In jedem grösseren Ort gibt es eine Bäckerei, die die ganze Umgebung beliefert. Mit dem Motorrad werden dann die Brote in die Dörfer gebracht. Könnt ihr Euch vorstellen, einen ganzen Lieferwagen voll Brot auf ein 125-cm3-Motorrad zu laden? Nein? Die Afrikaner schon. Tja, this is Africa.
Gebäck und Patisserie sucht man ausserhalb der Hauptstädte vergeblich. Einige Frauen stellen zwar Kekse her, um sie auf dem Markt zu verkaufen, doch die sind oft so frei von Geschmack, dass man sie lieber den Kindern, die man nicht mag, gibt.

Sehnsucht nach der Schweizer Küche
Merkt man mir an, dass ich die Schweizer Küche vermisse? Roggenbrot, Rösti, Käse, Biberli, Schüblig, Gipfeli, Schoggistängeli, Nussgipfel; der Traum meiner schlaflosen Nächte.
Ok, ja, ich bin ein Profi und auch gelernter Koch, natürlich könnte ich hier schweizerisch kochen. Was mich daran hindert? Der Aufwand, der Preis der Rohmaterialien. Es ist günstiger für mich, eine fertige Mahlzeit zu kaufen, als die einzelnen Zutaten. Und abends nach einem langen Tag auf dem Fahrrad habe ich auch keine Lust mehr zu kochen. Also weiterhin Brot mit Schoggiaufstrich, Reis mit Fisch oder Fisch mit Reis. Vielleicht ein paar Früchte dazwischen …
Ach komm, eigentlich geht es mir ja tipptopp, ich lebe meinen Traum, habe genug zu essen, und habe gute Geschichten zu erzählen, was will ich mehr?
Aber genug gelabert, ich wünsche euch schöne Frühlingstage und grüsse euch aus dem fernen Afrika.

Irgendwo in Afrika
Weitere Beiträge von Jörg Heierli finden Sie hier oder auf www.irgendwoinafrika.ch.

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