Chris Berger will etwas gegen die Überflussgesellschaft unternehmen. Er startet deshalb in Konolfingen (BE) ein innovatives Projekt: Die neue Filiale der Confiserie Berger ist fast 100 % Second Hand, von der Kaffeetasse bis zur Bekleidung der Mitarbeitenden. Die Produkte sind vom Vortag oder weisen leichte Fehler auf. Am Samstag, 14. Oktober wird «Z‘guet für furt» eröffnet.
Seit über zehn Jahren beschäftigt sich der Berner Confiseur mit dem Thema Lebensmittelverschwendung in seinem Unternehmen. «Wir konnten in den vergangenen Jahren viele Erfolge erzielen und uns ständig weiterentwickeln», stellt er rückblickend fest. Doch das ist Chris Berger nicht genug.
Nun hat er ein Strategiepapier erarbeitet, das über den Food Waste hinausgeht. Ihm ist bewusst, dass die Bäcker-Confiseur-Branche die Welt nicht retten kann. «Aber wir können unseren Betrieb fit für die Zukunft machen. Denn weniger Verschwendung bedeutet ein gesünderes Unternehmen und eine gesündere Umwelt.»
Zwischen Berger Sport und der Landi steht die Liegenschaft, wo in ferner Zukunft ein Gastronomiebetrieb der Confiserie Berger betrieben wird. Doch bis es so wie ist, soll hier konsequent die Nachhaltigkeit gelebt werden: Der grosse Raum ist geschmackvoll im Industrialstil gestaltet. Die Wände sind vorschriftsgemäss behandelt, mehr nicht. Sie sind roh und die Nägel sind sichtbar.
Die rund zehnjährigen Verkaufstheken stammen aus einer anderen Bäckerei und wurden etwas aufgefrischt. Die beiden Kaffeemaschinen sind abgeschrieben, aber voll funktionsfähig und das Geschirr, nicht perfekt und bunt zusammengewürfelt, ist für den normalen Gebrauch nicht mehr einsetzbar. Die Bekleidung der Mitarbeitenden ist sauber und grundsätzlich einwandfrei, aber nicht einheitlich und ebenfalls Second Hand.
Verkauft werden Produkte vom Vortag oder solche die nicht ganz perfekt geraten sind. Auch die Verpackung sieht anders aus als in einem normalen Berger Laden, schlichter und nur mit dem Logo-Kleber oder dem Stempel «Z‘guet für furt» versehen. Neu sind einzig die Armierungsgitter an der Diele sowie die LED-Lampen und das grüne Deko.
Geplant ist zudem ein Gestell voll mit rund 800 gesammelten Branchen- und Kochbüchern – als Inspiration für die Kundinnen und Kunden. Die Filiale wird an sechs Tagen von Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr sowie samstags von 8 bis 16 Uhr geöffnet sein.
Ein Versuchslabor
Ob das ländliche Konolfingen für ein solches Projekt bereit ist, werde sich zeigen. «Wir gehen dieses Risiko ein», sagt Chris Berger bestimmt. «Probieren wir es nicht aus, wissen wir es nicht. Es wäre möglich, innerhalb von nur wenigen Tagen auf Normalbetrieb umstellen. Dies ist allerdings nicht das Ziel.» Die Filiale diene als sogenanntes Versuchslabor. Neues soll hier ausprobiert werden, so beispielsweise das Selfscanning. «Hier üben wir, was zukunftsweisend für das Unternehmen sein wird.»
Claudia Vernocchi