Zum Tag des Mehls vom 20. März lohnt es sich, die grosse Vielfalt an Getreiden und Pseudogetreiden wieder einmal in Erinnerung zu rufen und diese auf die Einsatzmöglichkeiten in seiner Firma zu prüfen.

Weizen ist in der Schweiz das dominierende Brotgetreide. Anders als in Deutschland spielt Roggen eine eher kleine Rolle. Doch innovative Fachleute setzten vermehrt auf die alten Weizenarten Dinkel, Emmer und Einkorn sowie teils auch auf glutenfreie und damit alleine nicht backfähige Körner – die Pseudogetreide (Pseudocerealien). Die bekanntesten davon sind Buchweizen, Amarant, Quinoa und Chia-Samen. Gelegentlich werden auch Mais-, Kokos- oder Bananenmehl eingesetzt.

Nur sieben Getreidearten

Es gibt weltweit nur sieben Getreidearten: Weizen, Reis, Mais, Roggen, Gerste, Hafer und Hirse. Alle gehören zur Familie der Süssgräser und wurden meist durch jahrtausendelange Züchtungen allmählich zu den heutigen ertragreichen, robusten und ans jeweilige Klima angepassten Sorten. Ausser Reis lassen sich diese Getreide auch auf der Alpennordseite anbauen. Unterarten des Weizens sind Dinkel, Emmer, Einkorn und Kamut. Relativ neue ist Tritordeum – eine Kreuzung von Hartweizen und Waldgerste. Sorghum ist eine Unterart der Hirse. Die nur als Viehfutter genutzte Triticale ist eine Kreuzung aus Weizen und Roggen.
Reis, Mais und Hirse sind glutenfrei. Die anderen Getreide enthalten das Klebereiweiss Gluten und sind darum für Personen mit einer Glutenallergie oder -unverträglichkeit nicht geeignet.

Weizen und Roggen
Weizenmehl eignet sich hervorragend zur Herstellung von Brot und Backwaren. Roggenmehl – alleine oder als Beigabe zu einem Weizenmehl – sorgt für dunklere und aromatischere Backwaren. Bei Weizen wird zwischen dem für Brot und Backwaren genutzten Weichweizen und dem für Teigwaren benötigten Hartweizen unterschieden. Teils werden auch Einkorn und Kamut zur Teigwarenproduktion genutzt.

Urgetreide
Backwaren aus Dinkel, Emmer, Einkorn und Kamut sind geschmacklich interessant, gesundheitlich besonders wertvoll und leichter verträglich als Weizenprodukte. So hat Dinkel einen höheren Anteil an Vitaminen, Spurenelementen, Eiweiss und ungesättigten Fettsäuren als Weizen und Roggen. Für Zöliakie-Betroffene sind Urgetreide trotzdem ungeeignet. Oft wird einem Weizenmehl wegen des Geschmacks wie auch des Marketings ein Teil eines dieser Urweizen-Mehle beigemischt.

Gerste
Neben dem Mehl aus Roggen und Weizen sowie dessen Unterarten lassen sich grundsätzlich auch aus Gerstenmehl Brote und Backwaren herstellen. Das geschieht jedoch selten. Einige Gerstensorten haben einen hohen Anteil an Beta-Glucanen und können damit zu einer Normalisierung des Cholesterinspiegels beitragen.
Enthält ein Gebäck über 25 Mas­senprozente Mais, Reis, Gerste, Hafer, Sorghum oder Hirse, so darf diese Zutat laut Getreideverordnung im Produktnamen verwendet werden. Bei Weizen, Dinkel und Roggen müssen es über 50 % sein.

Vier bekannte Pseudogetreide

Zu den Pseudogetreiden gehören Fuchsschwanzgewächse wie Amarant und Quinoa, die vor allem in warmen Klimazonen angebaut werden, das in gemässigten Zonen heimische Knöterichgewächs Buchweizen und die vorwiegend in Lateinamerika kultivierten, zu den Lippenblütlern gehörenden Chia-Samen. Alle Pseudogetreide sind glutenfrei. Damit ist deren Mehl – wie Reis- und Maismehl – für Zöliakie-Betroffene geeignet. Das Mehl all dieser Produkte ist für sich alleine nicht backfähig. Es kann jedoch einem normalen Brotteig beigemischt werden und so zu einem schmackhaften Spezialbrot führen.

Alle Pseudogetreide sind glutenfrei.

Buchweizen: Werden die geschälten und gemahlenen Buchweizenkörner in genügender Menge einem Weizen- oder Roggenmehl beigemischt, lässt sich ein Buchweizenbrot herstellen. Buchweizen ist auch zur Herstellung von Teigwaren nutzbar und wird vor allem in Russland und China angebaut.

Amarant: Das einstige Hauptnahrungsmittel der Inkas und Azteken wird heute nicht nur in Mexiko und in den Anden, sondern auch an den Südhängen des Himalayas oft angebaut, in geringerem Ausmass in den USA und in Mitteleuropa. Das Mehl enthält hohe Anteile an Proteinen, ungesättigten Fettsäuren sowie Magnesium, Kalzium und Eisen. Deshalb ist es bei Sportlern beliebt und eine ernährungsphysiologisch wertvolle Zutat in Spezialbroten.

Quinoa: Das auch «Inka-Korn» genannte Pseudogetreide war das wichtigste Grundnahrungsmittel der Inkas und ist ein sehr wertvoller pflanzlicher Eiweisslieferant. Zudem enthält es mehrere lebenswichtige Vitamine und Mineralien. Die Körner können gekocht, geröstet und einem Teig beigegeben werden. Sie haben einen feinen nussigen Geschmack. Geröstet eignen sie sich zum Bereichern von Salat. Angebaut wird Quinoa vor allem in Peru, Equador und Bolivien.

Chia-Samen: Diese sind fett- und eiweissreich und können mit einem Anteil von wenigen Prozenten Backwaren beigegeben oder als Verdickungsmittel in Saucen eingesetzt werden. Der Nährstoffgehalt und die Wirkung auf die Verdauung sind vergleichbar mit jenen von Leinsamen.

Mehl aus weiteren Rohstoffen

Maismehl und Reismehl: Das Mehl dieser glutenfreien Getreide wird wie Kartoffelstärke als Bindemittel genutzt. Für die Brotherstellung ist Reismehl schlecht geeignet. Aus Maismehl lassen sich hingegen Fladenbrote herstellen, als Beigabe zu Weizenmehl auch Brote und Backwaren in gewohnter Konsistenz, aber mit anderem Geschmack.

Nicht nur aus Getreide und Pseudogetreide lässt sich Mehl herstellen, sondern auch aus einigen Nüssen und Früchten, z. B.:

Kokosmehl: Das Mehl aus dem Fruchtfleisch der Kokosnuss ist gluten- und cholesterinfrei und ballaststoffreich und hat einen zarten Kokosgeschmack. Das Mehl ist fett- und kalorienarm, enthält aber alle essenziellen Aminosäuren. Es eignet sich gut zum Backen, als Bindemittel und zum Herstellen von Desserts. Kokosmehl regt den Stoffwechsel an und kann die Wirkung von Viren, Bakterien und Pilzen hemmen.

Bananenmehl: Bananen können – möglichst gut gereift – mit einer Gabel zerdrückt einem Teig beigemischt werden, es gibt aber auch Backmischungen, die Bananen enthalten. So lassen sich Brote, Cakes oder Patisserie mit dem besonderen Aroma anreichern. Auf www.mein-brot.de sind zum Beispiel Rezepte für ein Dinkel-Bananen-Brot und für Bananenschnitten zu finden.

Beispiele aus der Praxis

Mehrere Schweizer Bäckereien setzen Urgetreide ein. «panissimo» erkundigte sich bei vier von ihnen nach ihren Erfahrungen und der Reaktionen der Kundschaft:

Die «eigenbrötler backwerke GmbH» in Wauwil verwendet in der Backstube rund 70 % Urgetreide – namentlich Emmer, Einkorn und UrDinkel. Neu dazu kam in Zusam­menarbeit mit Hanspeter Saxer (echterweizen.ch/sorten) Schweizer Waldstudenroggen und Huron-

«Sehr beliebt sind auch die Süssgebäcke aus UrDinkel.»
Daniel Amrein

Weizen. Inhaber Daniel Amrein: «Die Kunden schätzen die Aromenvielfalt und das Rustikale. Die Urweizen, die in der Schweiz mit viel Leidenschaft für die Sortenvielfalt angepflanzt werden, sind eine gute Alternative zu hochgezüchteten Weizensorten. Die Körner werden bei uns in der hauseigenen Mühle frisch gemahlen und ergeben backtechnisch gute Resultate. Das Teigen ist etwas heikel, erfordert ein gewisses Gespür und Fachwissen (Überteigen).» Sehr beliebt sind nach Auskunft von Daniel Amrein auch die Süssgebäcke aus UrDinkel wie Mandelgipfel, diverse Mohngebäcke, Dinkelpastetli usw.

Im Seetal ist nach Auskunft von Daniel Hächler, Seengen (AG), der UrDinkel sehr präsent: «Unser Ruchbrot aus UrDinkel Oberkulmer Rotkorn wird mit einer langen, indirekten Triebführung hergestellt. Wir verwenden dafür keine Backhefe, nur reinen UrDinkel-Vollkorn-Sauerteig. Die Beigabe eines Brühstücks ist für die UrDinkel-Teige von grossem Vorteil. Das Volumen wird zwar geringer, dafür wirkt sich das Brühstück positiv auf die Glutenstruktur und die Frischhaltung aus. Die Kundschaft erfreut sich am nussigen Aroma und ernährungsphysiologischen Vorteil des Urgetreides sowie an der langen Triebführung aus reinem Sauerteig.»

Die Bäckerei Hofmann in Reconvilier (BE) begann 2008 mit lokalen Landwirt/innen zusammenzuarbeiten. Zuerst ging’s um moderne Getreidesorten, ab dem zweiten Jahr dann um alte Sorten – besonders Einkorn sowie UrDinkel der Sorte Oberkulmer, aber auch regionale Sorten aus dem Jura (Rouge du Jura, Jura Blanc, Belprahon), die alte Roggensorte Cadi und mehr. Heute vermahlt die Bäckerei auf ihrer Astrié-Steinmühle pro Jahr über 25 t Getreide. Olivier Hofmann: «Das Mehl kommt direkt aus der Mühle zur Verarbeitung in die Backstube. Das ganze Sortiment unserer ‹pains-nature› wird mit maximal vor sieben Tagen auf der Steinmühle gemahlenem Mehl aus regionalem Bio- oder IP-Suisse-Getreide und mit einer nur auf Sauerteig basierenden Fermentation hergestellt und im Holzofen gebacken. Unsere Kundschaft schätzt diesen Ansatz und insbesondere die Rückverfolgbarkeit und die sehr kurzen Handelsketten. Das Getreide wird auf einem 2 km von der Bäckerei entfernten Bauernhof sortiert, gereinigt und geschält, die restliche Verarbeitung erledigt die Bäckerei – ohne Zwischenhändler.»

Burkard Kreyenbühl, Muri (AG) baut auf einem gepachteten nahen Feld selbst Emmer an: «Schon beim Anbau des Urgetreides Emmer liessen wir uns auf ein ‹Abenteuer› ein; Erfahrungen konnten wir nur aus der Fachliteratur Getreideanbau ziehen. In der Praxis lernten wir dann von Tag zu Tag auf dem Feld.

«Mit der einzigartigen Spezialität Emmer differenzieren wir uns von den Mitbewerbern.»
Burkard Kreyenbühl

Sehr positiv war, wie wir unsere Mitarbeiter in den Getreideanbau einbeziehen konnten. In der Verarbeitung ist der Emmer sehr anspruchsvoll, ähnlich wie der UrDinkel. Erfahrungen aus der Richemont Fachschule haben uns sehr unterstützt.» Bei der Kundschaft kommt das Urgetreide gut an: «Wir vermahlen den Emmer in einer eigenen Mühle gleich bei uns im Laden. Das interessiert die Kundschaft sehr und gibt Platz für manches Kunden­erlebnis. Mit der einzigartigen Spezialität Emmer können wir uns von den grossen Mitbewerbern differenzieren und einen neuen Brot-Genuss präsentieren.»

Weitere Infos:

www.getreide.org
www.mein-mehl.de

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