Mit dem Erwerb einer eigenen Bäckerei hat sich Gregor Menzi vor sieben Jahren einen lang gehegten Traum erfüllt. Einige Vorhaben hat er gemeinsam mit seiner Ehefrau Manuela in der Bäckerei Abderhalden in Wattwil (SG) seither realisiert. Nun steht der nächste Meilenstein an: Die Übergabe des erfolgreichen Unternehmens an seine Kinder.

Gregor Menzi mit seinem Sohn Josua im 2020 eröffneten Josua’s bakery in Wattwil. Die Kaffeemaschine und der Backofen sind zentral und sorgen für den verlockenden Duft im Café und in seiner Umgebung.

Nein, Gregor Menzi ist beileibe kein Laie in unserer Branche. Er ist gelernter Bäcker-Konditor und hat seine Lehre im Toggenburg absolviert. Der Duft des frischen Brotes und das Handwerk seien es gewesen, die ihn dazu bewogen hätten, diesen Beruf zu erlernen. Zwei Jahre nach seinem Lehrabschluss wollte sich Gregor Menzi weiterentwickeln und den Schulrucksack noch besser füllen. Doch dies war aufgrund der Arbeitszeiten nicht möglich, so dass er der Bäckerei den Rücken zukehrte. Rund 20 Jahre blieb er weg.

Einstieg ins Transportgeschäft

Der St. Galler machte sich selbstständig, zuerst als Verkäufer von Kopiergeräten, dann stieg er ins Transportgeschäft ein. «So habe ich mir eine Existenz aufgebaut», erklärt er im Gespräch mit «panissimo». Gleichzeitig absolvierte er Weiterbildungen, als technischer Kaufmann, als Marketingfachmann und als eidg. dipl. Verkaufsleiter.

Niemand Geringerer als der Alt-Nationalrat und ehemalige Generaldirektor der Schweizerischen Post Jean-Noël Rey stellte Gregor Menzi beim Paketverteiler DPD ein. Anschliessend leitete er während zehn Jahren das Key Account Management der Schweizerischen Post, besuchte an der HSG St. Gallen Seminare und absolvierte ein KMU-Nachdiplomstudium.

Vom Sofa auf den Melkschemel

Den Traum, eine eigene Bäckerei zu besitzen, hegte er immer noch, obwohl «ich gerne in diesem toleranten Unternehmen gearbeitet habe», versichert der Ostschweizer Bäcker. 2013 bot sich ihm die Chance und er erwarb die Bäckerei Abderhalden in Wattwil. «Ich sass auf einem Sofa. Heute sitze ich auf einem Melkschemel – und dies zum halben Lohn», meint er mit einem Schmunzeln. Ein Wagnis, das er gemeinsam mit seiner Familie, seiner Ehefrau und den vier Kindern eingehend besprochen und für das er den Business Case analysiert hatte. «Sie haben mitgeholfen, mitgetragen. Ohne meine Familie hätte ich es nicht geschafft.» Gregor Menzi ist sich bewusst, dass sich vor allem für seine Ehefrau der Alltag gewaltig verändert hat, ist dankbar, dass sie mit Engagement und Leidenschaft in der Bäckerei mitwirkt: «Sie ergänzt mich optimal im Verkauf!»

«Ohne meine Familie hätte ich es nicht geschafft.»
Heute sind die Kinder zwischen 18 und 23 Jahre alt – und alle wirken aktiv im Unternehmen mit: Micha studiert an der ETH Maschinenbauingenieur, ist für die Unternehmenssoftware und den Unterhalt zuständig und macht einige Male pro Woche die grosse Liefertour. Die Jüngste, Salome Menzi, hat Fachfrau Kinderbetreuung (FaBe) gelernt und macht eine Zusatzlehre als Bäckerin-Konditorin im Betrieb ihres Vaters.

Josua’s bakery

Der gelernte Koch Josua hat im Juli 2020 ebenfalls eine Zusatzlehre als Bäcker-Konditor gemacht und gemeinsam mit seinem Bruder Noah, der an der HSG studiert, einen Businessplan für die im Januar 2020 eröffnete Filiale beim Bahnhof Wattwil erstellt. «30 Seiten umfasst diese Arbeit. Der Plan wurde fast minutiös umgesetzt», hält Gregor Menzi fest. Noah betreut die Webseite, hat ein Social-Media-Konzept geschaffen und macht die Schaltpläne. Die neue Filiale mit Café trägt übrigens den Namen Josua’s bakery und wird von Sohn Josua geführt. «Ich will unseren Kundinnen und Kunden das Bäcker-
handwerk näherbringen, die Frische unserer Produkte zeigen», erklärt dieser seine Philosophie. Deshalb steht der Backofen gut sichtbar im Laden, ebenso nimmt die Kaffeemaschine eine zentrale Rolle ein.

«Der Duft von Brot und Kaffee soll die Kundinnen und Kundinnen sowie Passantinnen und Passanten anlocken.»

Gourmetküche und Bäckerei

Kaum drei Monate offen, musste das Café wieder geschlossen werden. Trotz diesem Lockdown – «wir sind gewachsen», freut sich Josua Menzi. Besonders beliebt sind die speziellen Sandwichs des ehemaligen Gourmet-Kochs. «Ich versuche Bäckerei und Gourmetküche zu kombinieren.» Wie beim speziellen Flammkuchen à la Bäckerstyle, eine Art dünner Brotteig mit Vorteig. Am Mittag duftet es in Bahnhofsnähe in Wattwil jeweils verführerisch nach Flammkuchen.

Der Lockdown

Der Lockdown war nicht nur für Josua’s bakery eine Herausforderung, sondern für das ganze Unternehmen. Die Lieferungen und Caterings fielen monatelang aus – eine erhebliche Durststrecke. Doch Gregor Menzi und Co. nutzten die Zeit aktiv. Sie trieben die Digitalisierung im Betrieb voran, so ist die Buchhaltung nun komplett papierlos. «Jetzt wissen wir jeden Monat, wo wir genau stehen, die Produktionszahlen sind jederzeit abrufbar, ebenso die Liquidität, was während der Krise sehr wichtig war», so Gregor Menzi. Mit diesem Digitalisierungsschritt konnte die Bäckerei Abderhalden die 40 %-Stelle in der Buchhaltung abbauen.

«Oft wollen die Alten nicht loslassen, doch sie müssen dies tun.»


Im Weiteren wurden die Arbeitsabläufe optimiert, ein Online-Shop aufgebaut, ein Lieferservice aufgezogen, zum Teil die Preise angepasst sowie das Sortiment optimiert. Gab es vor dem Lockdown verschiedene Gipfeli-Sorten im Angebot, sind es heute noch zwei, der Buttergipfel und neu der Maisgipfel. Ganz wichtig in der Krise seien die topmotivierten Mitarbeitenden gewesen: «Ich konnte auf sie zählen. Sie haben sich auf die Situation eingestellt und waren eine zusätzliche moralische Stütze.»

Ein Gebiet – ein Chef

Welchen Tipp geben Vater und Sohn an Mitglieder, die vor einer Nachfolgeübergabe stehen? «Oft wollen die Alten nicht loslassen, doch sie müssen dies tun. Sie müssen die Jungen machen lassen. Manchmal merken wir es selber, dass es anders besser ist», erklärt Josua Menzi. Sein Vater erwähnt eine erfolgreich umgesetzte Idee von seinem Sohn, die er und seine Ehefrau eher skeptisch beurteilten: das Selbstbedienungskonzept in Josua’s bakery. Doch die beiden liessen sich überzeugen und der Erfolg gibt Josua Menzi recht. Wenn es baulich möglich wäre, würde er dieses Konzept auch im Hauptgeschäft im Zentrum von Wattwil einführen, so Gregor Menzi. «Im Militär sagt man: Ein Gebiet, ein Chef.» Nach diesem Motto sollte seiner Ansicht nach eine Übergabe erfolgen. Selbstverständlich brauche es Vertrauen von der einen Seite und Zuverlässigkeit von der anderen Seite.

Die Wünsche an die Branche

Und welchen Wunsch haben Vater und Sohn an die artisanale Branche? Das Hauptproblem sieht Gregor Menzi im Image der Arbeitgeber in der Bäckerei-Confiserie, und so lautet denn auch sein Aufruf: «Umgeht nicht den Gesamtarbeitsvertrag! Wir haben einen supermodernen, tadellosen GAV!» Zudem wünscht er sich für die Arbeitnehmenden angenehme Arbeitsplätze, wenn möglich mit Tageslicht. Auch die Arbeitszeiten sollten der heutigen Zeit angepasst werden. Bei Josua’s bakery beginnt die Arbeit in der Produktion um 5 Uhr morgens. Ein weiterer Wunsch von Gregor Menzi: «Habt den Mut, wirtschaftlich zu denken und die Preise laufend zu überprüfen und anzupassen!»

«Habt den Mut,wirtschaftlich zu denken und die Preise laufend zu überprüfen und anzupassen!»


Josua Menzi wünscht sich eine bessere, der Zeit angepasste Ausbildung für die Bäcker-Konditoren. «Die Köche sind eine Stufe weiter», betont der ehemalige Koch, der vor einem Jahr seine Bäckerlehre beendet hat. Die Grundbildung sollte aus seiner Sicht herausfordernder sein. «Die Köche müssen Leistung zeigen», erinnert er sich an seine Erstausbildung. Auch wünscht er sich, dass der Geschmack ebenfalls eine Rolle spielt und nicht nur die Ästhetik.

Erfolgsgeschichte mit Asylbewerbern

Die Nachwuchssuche der Bäckerei Abderhalden in Wattwil (SG) war oft erfolglos. Da wurde Gregor Menzi auf junge Asylbewerber aufmerksam, die den Bäckerberuf erlernen wollten. Doch nicht jeder der Interessenten war für diesen Job geeignet. «Von 20 interviewten Kandidaten, und davon vier im Praktikum, waren einer oder zwei tauglich», erinnert sich der St. Galler Branchenmann.

Für Gregor Menzi ist es eine Erfolgsgeschichte. Eine der Asylbewerber-Lernenden absolvierte 2019 die beste EBA-Prüfung der ganzen Ostschweiz. Sie heisst Abeer Alras. Oder ein 40-jähriger Afghane, Vater von drei Kindern im schulpflichtigen Alter. Er ist vor rund drei Jahren vor den Taliban geflohen. Ihm gehörte ein Gutsbetrieb mit einer handwerklichen Backstube. «Er ist ein ausgezeichneter Mitarbeiter, einzig die Sprache sei ein Problem. Aber wir möchten nicht mehr auf ihn verzichten!» Gregor Menzi legt allerdings Wert auf die Aussage, dass es sich dabei nicht um ein soziales Projekt handelt – «wir sind ein wirtschaftliches Unternehmen».

Bäckerei Abderhalden

1931 eröffneten Berta und Ulrich Abderhalden in Wattwil (SG) ihre Bäckerei. 2014 ging das Unternehmen von Enkel­sohn Markus Abderhalden an Manuela und Gregor Menzi über. Die Bäckerei Abderhalden betreibt heute drei Filialen, beschäftigt rund 50 Mitarbeitende, darunter 17 in der Produk­tion, und zählt neun Lernende (Detailhandel, Bäckerei-Konditorei, Küche).

cafe-abderhalden.ch

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