Es war ein Samstagabend, als ein Lernender nach einem Streit, kurz die Nerven verlor und aufgebracht gegen seine Zimmertür trat. Ein Moment der Unüberlegtheit – mit schwerwiegenden Folgen: Grosse Schmerzen, ärztliche Behandlungen und längere Arbeitsunfähigkeit.

Doch der eigentliche Schock kam Wochen später: Die Unfallversicherung lehnte die Kostenübernahme ab. Der Grund? Grobfahrlässiges Verhalten. Der junge Mann hatte den Vorfall ehrlich geschildert – und wurde bestraft. Die Konsequenzen gravierend: Unsicherheit, Scham und das Gefühl, dass Ehrlichkeit nicht zählt.

Wie wird ihn diese Erfahrung prägen? Wird er künftig noch offen sein gegenüber Behörden oder Vorgesetzten? Was sagen wir jungen Menschen, wenn Ehrlichkeit statt Anerkennung Sanktionen nach sich zieht?

Diese Geschichte kann fiktiv, aber auch Realität sein – junge Menschen, die in einer entscheidenden Lebensphase die falschen Signale erhalten … Was geben wir unseren Jugendlichen mit, wenn Ehrlichkeit nicht belohnt, sondern sanktioniert wird? Was, wenn der einfachere Weg – die Halbwahrheit oder das Verschweigen – plötzlich attraktiver erscheinen?

Unsere Rolle als Ausbildner/in oder Unternehmer/in beinhaltet mehr als Fachwissen zu vermitteln. Wir erziehen durch unser Handeln. Welche Botschaft geben wir mit, wenn wir junge Menschen in solchen Situationen nicht unterstützen? Die Werte, die wir vorleben, prägen sie ein Leben lang. Ehrlichkeit sollte zu diesen Werten gehören – aber sie muss auch Raum und Anerkennung finden, selbst, wenn Fehler gemacht werden.

Ehrlichkeit darf nicht an der Bürokratie scheitern. Denn am Ende ist es genau diese Eigenschaft, die unser Miteinander menschlich macht – und die wir dringend bewahren sollten.

Lisa Frunz
ZV-Mitglied Ressort Detailhandel

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